Grenze am Brenner bleibt zuSüdtirols «Schockstarre» wegen Österreich
Zwischen Bozen und Wien herrscht sonst viel eitle Freundschaft – nun aber fühlt man sich in Südtirol gleich doppelt hinters Licht geführt.
So schnell welken Freundschaften in Zeiten von Corona. Normalerweise rühmen sich die Regierenden Südtirols, die Volkspartei und ihr Landeshauptmann Arno Kompatscher, dass sie in Wien einen guten Freund wissen, einen, den man duzt und bei Bedarf immer auf dem «kurzen Dienstweg» erreicht, wie die zweisprachige Onlinezeitung «Salto» schreibt: via Handy. Sebastian Kurz, Österreichs Bundeskanzler, ist ein Vertrauter Kompatschers.
Sie waren schon wandern zusammen, auf dem Ortler, es gibt schöne Bilder davon. Sie verstehen sich auch politisch gut. Wenn Bozen mal wieder Probleme mit dem italienischen Zentralstaat hat, was schon recht oft geschieht, dann kommt aus Wien Beistand – gerne auch in Form von historischen Provokationen. Die Wunden sind schnell wieder offen. Und die Herzen von manchen «Tedeschi», wie die Italiener ihre deutschsprachigen Mitbürger in Südtirol nennen, fliegen dann rüber in das vermeintliche Vaterland hinter dem Brenner. Hinter der Grenze, die Schengen obsolet gemacht hat.
«Wann und ob eine Öffnung in diesem Sommer möglich sein wird, hängt allein von Italiens Entwicklung ab.»
Und nun das: Die Grenze ist zu, gewissermassen mit Schlagbaum, rüber darf nur, wer Waren transportiert oder unbedingt muss. Und so soll es vorerst auch bleiben, wenn es nach Kurz geht. Er sehe «keine Perspektive für eine Öffnung» der Grenze zu Italien. «Wann und ob sie in diesem Sommer noch möglich sein wird, hängt allein von der Entwicklung in Italien ab», sagte er der «Tiroler Tageszeitung». Gemeint war: die epidemiologische Entwicklung.
Österreich könne sich nur Ländern öffnen, in denen die Lage «ähnlich gut ist wie bei uns». Deutschland und der Schweiz zum Beispiel. Allenfalls sind Korridore für deutsche Touristen möglich, die nach Italien fahren wollen und Österreich auf ihrem Rückweg einfach nur durchqueren, ohne anzuhalten. Möglich wäre das schon bald: Italien hat beschlossen, seine Landesgrenzen am 3. Juni wieder zu öffnen, falls die Infektionszahlen in der Zwischenzeit nicht wieder stark ansteigen.
Erst für Mitte Juni sind dann die Grenzöffnungen anderswo geplant – selektiv und bilateral, wenn sich Europa nicht bald zu einer gemeinsamen Lösung mit gemeinsamen Kriterien durchringt. Das fordert Rom, es fühlt sich gerade diskriminiert. Italiens Europaminister Vincenzo Amendola sagte über die Schliessung der äusseren Grenze Österreichs: «Wenn es damit seinen Tourismus schützen will, scheint mir das kein sensationeller Trick zu sein.» Österreich versuche, deutsche Touristen, die sonst nach Italien in die Ferien fahren, bei sich zu behalten.
33 Millionen Übernachtungen und eine grosse Sorge
Kurz’ Freunde in Bozen seien in «Schockstarre» verfallen, schreibt die «Südtiroler Tageszeitung». Dazu muss man wissen, dass die autonome Provinz vor allen anderen Regionen Italiens den Lock- und den Shutdown gelöst habt, sie hat die Lockerung regelrecht erzwungen gegen die Zögerlichkeit Roms, um möglichst bald bereit zu sein für die Beherbergung von Touristen aus dem Ausland.
33 Millionen Übernachtungen zählt Südtirol im Jahr, der Fremdenverkehr ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige der Provinz. In diesem Jahr rechnet man mit grossen Verlusten. Natürlich werden sie noch gewichtiger ausfallen, wenn die Hinreise aus dem Norden in den Sommermonaten verhindert oder behindert wird. Eigentlich hätte die Saison in Südtirol bereits begonnen, die Hotels sollen nun in den kommenden Tagen wieder öffnen.
Es ist eine doppelte Schockstarre: Österreich steht mit seinem Kanzler ja auch an der Spitze jener Gruppe von vier sogenannten sparsamen Ländern, die dem von Corona hart getroffenen Süden keine bedingungslosen Zuschüsse für den Wiederaufbau zugestehen wollen, wie das Angela Merkel und Emmanuel Macron vorgeschlagen haben. Es gehören ausserdem dazu: die Niederlande, Dänemark und Schweden. Ihre Blockade, sollte sie dann Erfolg haben, würde in erster Linie Italien treffen – und damit auch Südtirol. Von wegen beste Freunde und Schutzmacht.
«Kurz führt sich wie ein Kaiser auf.»
Für die «Italiani» unter den Politikern Südtirols, die Kompatscher und der SVP gerne allzu grosse Nähe zu Wien unterstellen, ist das natürlich eine hübsche Vorlage. Kurz führe sich «wie ein Kaiser» auf und füge Südtirol Schaden zu, sagt zum Beispiel die Boznerin Michaela Biancofiore, Abgeordnete der bürgerlichen Partei Forza Italia.
Die junge Partei Team K wiederum, angeführt vom Informatikunternehmer Paul Köllensperger, lässt ausrichten, man sehe mal wieder, wie viel diese Freundschaft in Wahrheit wert sei: «einen Pfifferling». Eine Bankrotterklärung sei das. Es gehe nur um «knallharte nationale Interessen». Auch das Bekenntnis zur Euroregion Tirol steht nun in einem neuen neuen Licht, es ist nicht das beste.
«Salto» zeigt auf ihrer Website eine Karikatur, man sieht darauf Sebastian Kurz auf einer Medienkonferenz, ein Reporter fragt ihn: «Die Grenze bleibt also zu. Was glauben Sie sagt Südtirols Landeshauptmann dazu?» Kurz: «Ach, gibt es da überhaupt einen?!?»
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