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Meinung

Kommentar zum Sudan 
Die Gleichgültigkeit wird sich für Europa rächen

Nichts als Zerstörung: Der Markt von Junayna, der Hauptstadt von West-Darfur.
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Milizen verüben Massaker in Darfur. Doch in Europa sehen wir das nicht – oder wollen es nicht sehen. Ermordet werden wehrlose Menschen. Dörfer brennen, Eltern halten Kindern die Augen zu, damit sie die Berge der Leichen nicht sehen. Der Gestank des Todes zieht durch die Savannen im Westsudan. Weit mehr als 1000 Menschen sollen allein in der Stadt Junayna seit April getötet worden sein, berichten Ärzte. Und nach allem, was man weiss, geht das Morden ungehindert weiter.

Es ist die Neuauflage eines Krieges, der nie richtig beendet wurde: Schon 2003 eskalierte dort die Gewalt, die USA geisselten den Völkermord an afrikanischen Ethnien durch nomadische Milizen, die sich auf arabische Wurzeln berufen. 2020 wurde ein Abkommen unterzeichnet, das Frieden bringen sollte. Aber die Gewalt schwelte weiter, Verbrechen blieben ungesühnt. (Lesen Sie dazu: UNO-Milliarden für den Sudan – und kein Weg ist da, sie zu verteilen)

Jetzt, da zwei Generäle in Khartum um die Herrschaft im Sudan kämpfen, entflammt Darfur von neuem. Und alles spricht dafür, dass der Westen diesen Konflikt – wieder – massiv unterschätzt. Im vergangenen Krieg starben 300’000 Menschen. Auch jetzt ist die Sprengkraft gewaltig, wenn Menschen verfolgt und getötet werden, nur weil sie einer bestimmten ethnischen Gruppe angehören.

Staatszerfall und Flüchtlingsströme werden drastische Folgen für die EU haben.

Verbrecher haben in Darfur nichts zu fürchten – ausser andere Verbrecher, mit denen sie verfeindet sind. Und mittendrin versuchen Hunderttausende Darfurer, ihre Familien zu retten. Sie kämpfen ums Überleben in einer Welt, in der die Konkurrenz um Land und Wasser stark zugenommen hat. Auch das befeuert den Konflikt.

Politisch dürfte sich die Gleichgültigkeit Europas rächen, weil fortschreitender Staatszerfall und Flüchtlingsströme drastische Auswirkungen auf die EU haben werden – künftig noch mehr als bisher. Angesichts der Aussicht auf einen langen anarchischen Krieg im Sudan, in dem bald jeder gegen jeden kämpft, ist es gespenstisch, wie wenig die Eskalation Europas Hauptstädte beschäftigt. Das mediale Interesse ist gering, das politische ebenso.

Dass keiner hinschaut, hat einerseits mit dem schwierigen Terrain zu tun, die Todeszonen sind abgeschottet, die Kommunikation ist zusammengebrochen. Andererseits konzentriert der Westen ohnehin alle Aufmerksamkeit auf den Ukraine-Krieg, dessen Ausgang so bedeutsam ist für ganz Europa. An der Priorität ist nichts falsch. Aber sie sollte nicht blind machen für andere Krisen, die sich in der Nachbarschaft aufbauen. Ein Flächenbrand in den Sahelstaaten ist ein beachtliches Sicherheitsrisiko an der Südflanke Europas. Eine überzeugende Antwort darauf haben die EU-Staaten bislang nicht.

Der Ukraine-Konflikt trägt indirekt dazu bei, dass die Gewalt weiter eskaliert.

Auch kleine Schritte wären bedeutsam, Verbrechen in Darfur müssten so früh und umfassend wie möglich dokumentiert werden, um sie später zu ahnden. Und die Staaten sollten dringend eine härtere Gangart gegen Milizenführer Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hemedti, beschliessen. Er ist mutmasslicher Drahtzieher vieler Grausamkeiten, die jetzt in Darfur geschehen.

Leider trägt der Ukraine-Konflikt indirekt dazu bei, dass die Gewalt weiter eskaliert. Die Kriegstreiber des Sudan wissen, wie sehr Putins Überfall auf die Ukraine den Westen bindet. Sie rechnen nur mit mässigem Druck von aussen. Und eine Militärintervention zur Befriedung des Sudan müssen sie gar nicht fürchten. Deshalb hat das Morden jetzt keine Grenzen.