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Konsum ausser Kontrolle
Das grosse Geschäft mit der Sucht und wie Schweizer Jugendliche darunter leiden

Ein Mann raucht eine elektronische Zigarette (Vape) am Bahnhof Genève Cornavin in Genf.
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In Kürze:
  • Die Stiftung Sucht Schweiz hat eine neue Studie veröffentlicht.
  • Suchtmittel bringen den betroffenen Branchen demnach milliardenschwere Umsätze und kosten die Gesellschaft gleichzeitig Milliarden.
  • Jugendliche konsumieren vermehrt starke Schlaf- und Beruhigungsmittel.
  • Sucht Schweiz fordert die Politik zum Handeln auf.

Sucht hält im Konsum gefangen und führt bei vielen Betroffenen zur Einschränkung ihrer Autonomie im täglichen Leben. Je nach Schädlichkeit des Produkts oder der Aktivität sind physische, psychische und finanzielle Schäden die Folge.

Davon profitiert die Industrie. Mit Alkohol, Tabak sowie Geld- und Glücksspielen machen Firmen Milliardenumsätze, wie die Stiftung Sucht Schweiz in ihrem am Dienstag veröffentlichten Bericht «Schweizer Suchtpanorama 2025» schreibt. Der Volkswirtschaft entstünden gleichzeitig Kosten in Milliardenhöhe.

Einen grossen Teil des Umsatzes mache die Suchtmittelindustrie auf dem Buckel von Menschen mit problematischem Konsum und ihren Angehörigen, heisst es weiter. Deren Leid sei nicht akzeptabel. «Es ist nicht akzeptabel, dass Gewinne privatisiert und die Schäden auf die Allgemeinheit abgewälzt werden», sagt Tania Séverin, Direktorin von Sucht Schweiz.

Immer mehr Jugendliche nehmen Schlaf- und Beruhigungsmittel

Sorgen bereitet Sucht Schweiz auch der Konsum von Jugendlichen – sie würden vermehrt Benzodiazepine zu sich nehmen. Diese Medikamente, insbesondere Xanax, sind starke Schlaf- und Beruhigungsmittel. Die Abgabe an 11- bis 20-Jährige habe sich im ambulanten Sektor zwischen 2015 und 2023 fast verdoppelt, wie Zahlen des Schweizerischen Gesundheits­observatoriums (Obsan) zeigen.

Der Konsum von Jugendlichen sei neu, sagt Markus Meury, Sprecher bei Sucht Schweiz, zu «24 Heures». «Die Tatsache, dass sie bereits eine solche Behandlung benötigen und wir keine anderen Mittel finden, um ihnen zu helfen, ist besorgniserregend.» Für Meury ein Zeichen, dass sich immer mehr Jugendliche schlecht fühlen.

Viele Anrufe von Teenagern mit Angstattacken

Auch Andrea Rey-Suter, Leiterin Ausbildung bei der Pro-Juventute-Hotline 147, ist alarmiert: «Wir beantworten viele Anrufe von Teenagern, die mit Angstattacken zu kämpfen haben.» Einige Anrufer würden am Telefon Benzodiazepine erwähnen. Jugendliche, die in Behandlung seien, hätten einen Notvorrat zu Hause. «Bei einem Anfall und aus Impulsivität könnten sie diese mit anderen Medikamenten mischen», so Rey-Suter.

Meury verweist auf die Studie Health Behaviour in School-aged Children. Darin heisst es, dass 2022 rund 12 Prozent der 15-Jährigen mindestens einmal mit «Rauschmitteln» experimentiert oder sie mit anderen Substanzen gemischt haben. Konkret haben 4,3 Prozent der Jungen und 4,8 Prozent der Mädchen im Alter von 15 Jahren psychoaktive Substanzen wie starke Beruhigungsmittel oder Schmerzmittel eingenommen, um die psychoaktiven Wirkungen zu erleben.

Doch wie kommen die Teenager überhaupt an die Medikamente? «Man geht davon aus, dass viele Jugendliche zunächst in der Hausapotheke etwas finden», so Meury. Auch Freunde könnten es ihnen geben oder verkaufen. Man finde diese Medikamente auch im Internet, im Darknet oder in den sozialen Netzwerken. Auch einige Dealer würden diese anbieten.

Jährlich sterben über 10’000 Menschen wegen Suchtmitteln

Laut Sucht Schweiz sterben in der Schweiz jährlich mehr als 10’000 Menschen aufgrund von Suchtmitteln. Ausserdem gehen die letzten Schätzungen von volkswirtschaftlichen Kosten für Suchtmittel und deren Folgen von jährlich 7,9 Milliarden Franken aus.

Es bestehe zudem eine heikle Verknüpfung zwischen den Einnahmen aus dem Tabak- und Alkoholkonsum respektive dem Glücks- und Geldspiel mit der Finanzierung der AHV, des Sports oder der Kultur, heisst es in dem Bericht weiter.

Sucht Schweiz fordert von der Politik, dass die Gesundheit absolute Priorität hat. Das Ziel müsse sein, Suchtentwicklung zu verhindern. Weil es um ein Milliardengeschäft gehe, bekämpfe die Suchtmittelindustrie jedoch politische Massnahmen zur Regulierung und Suchtprävention meist erfolgreich.

Die Firmen würden kolossale Summen in Lobbyarbeit und Rechtsstreitigkeiten investieren, um strengere Vorschriften abzuschwächen oder zu verhindern – und trotz massiver Promotion ihrer Produkte auf die Selbstverantwortung der Konsumierenden und die Selbstregulierung der Industrie verweisen.