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Sturm um Karim Benzema
Heftige Vorwürfe: Hat der Weltfussballer wirklich Sympathien für Islamisten?

TOPSHOT - Real Madrid's French forward Karim Benzema receives the Ballon d'Or award during the 2022 Ballon d'Or France Football award ceremony at the Theatre du Chatelet in Paris on October 17, 2022. (Photo by FRANCK FIFE / AFP) (KEYSTONE/AFP/FRANCK FIFE)

Karim Benzema gerät in den Wirbel eines Sturms, eines politischen Zyklons mit beträchtlichem Entwicklungspotenzial. Wegen eines Tweets an seine fast 21 Millionen Follower. Auf X schrieb Benzema am 15. Oktober folgenden Satz: «Alle unsere Gebete für die Bewohner von Gaza, einmal mehr Opfer von ungerechten Bombardements, die weder Frauen noch Kinder verschonen.»

Hätte er auch die Frauen und die Kinder in sein Gebet genommen, die eine Woche zuvor, am 7. Oktober, in Israel getötet worden waren, von Hamas, dann hätte wohl niemand etwas gesagt. Aber diese Opfer fehlten.

Und so stand auch dieser Tweet schräg in der Welt. Die anfängliche Kritik daran fiel dennoch leise aus, es gab in Benzemas Post ja auch keine Hashtags, keine direkten politischen Schlagwörter, kein «Free Palestine» zum Beispiel. Dann aber meldete sich Frankreichs Innenminister, und der Fall Benzema wuchs sich plötzlich zur mittleren Staatsaffäre aus. Gérald Darmanin sagte bei einem Auftritt im rechten Nachrichtensender CNews, Benzema habe «eine notorische Verbindung zu den Muslimbrüdern». Das ist ein schwerer Vorwurf: Die international aktive islamistische Bewegung gilt in manchen Ländern als terroristisch, etwa auch in Saudiarabien, wo Benzema seit diesem Sommer spielt.

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Als die französischen Medien im Büro des Ministers nachfragten, womit man denn die angebliche Nähe zu den Muslimbrüdern belege, hiess es, man beobachte bei Benzema seit einiger Zeit ein «langsames Abdriften hin zu einem harten, strengen Islam, wie man ihn von der Ideologie der Bruderschaft kennt». Das zeige sich auch auf seinen Profilen in den sozialen Medien, sagten die Mitarbeiter der Zeitung «Le Parisien»: in seinen Likes, seinen Fotos. In einem Post sah man Benzema mit einem umstrittenen Imam aus einer Pariser Banlieue, den die Polizei vor drei Jahren wegen eines Verdachts im Zusammenhang mit der Ermordung des Geschichtslehrers Samuel Paty verhört hatte.

Als weiterer Hinweis für Benzemas persönliche Entwicklung gilt im Ministerium auch der Umstand, dass er die französische Nationalhymne jeweils nicht mitsingen wollte, als er für die Nationalmannschaft auflief. Damit ist er allerdings nicht allein – und: Er hat schon als junger Mann nicht mit in die Marseillaise eingestimmt. In seinem Fall war das immer ein Thema.

Individuell hat er alles gewonnen

Der 35-Jährige aus Lyon ist es gewohnt, dass er die Gemüter spaltet, gerade daheim in Frankreich. Nicht so sehr für das, was er auf dem Fussballplatz leistet. Schliesslich ist er unbestritten einer der besten französischen Fussballer der vergangenen Dekade. Vierzehn Jahre lang und bis zu seinem Wechsel in die saudische Wüste spielte er für Real Madrid, die vielleicht prominenteste, begehrteste Adresse im Fussball. Für «France Football» war Karim Benzema 2022 sogar der beste Fussballer der Welt, das Magazin verlieh ihm dafür den Ballon d'Or. Mehr geht nicht in diesem Sport, wenigstens individuell.

Wenn ihm die kollektive Liebe der Franzosen trotz dieser Glorie, trotz 97 Länderspielen und vieler Tore verwehrt blieb, lag das an seiner süffisanten Attitüde und an einem Vorfall jenseits von Dezenz und Gesetz: Vor zwei Jahren wurde er zu einer bedingten Haftstrafe von einem Jahr und einer Geldstrafe von 75'000 Euro verurteilt, weil er einer Bande angehört haben soll, die mit einem Sexvideo den Fussballer Mathieu Valbuena erpressen wollte. Eine sehr unhübsche Affäre, sie kostete ihn eine lange Verbannung aus dem Nationalteam. Coach Didier Deschamps bot ihn jahrelang nicht mehr auf.

Doch der Sturm, der ihn nun erfasst hat, ist noch mal eine Nummer grösser. Eine Senatorin der rechtsbürgerlichen Partei Les Républicains sagt, wenn es wahr sei, was der Innenminister sage über die Verbindung zu den Muslimbrüdern, dann müsse man Benzema, der ja ein wichtiger Influencer sei, nicht nur den Ballon d'Or wegnehmen, sondern auch gleich die französische Staatsbürgerschaft. Benzema ist französisch-algerischer Doppelbürger, auch seine Eltern sind Franzosen: Man kann ihm die Staatsbürgerschaft also gar nicht wegnehmen. Eine rechte Europaabgeordnete bezeichnete Benzema als «Propagandisten von Hamas», und ein berühmter Werber nannte ihn einen «Komplizen der Terroristen».

Das übliche Benzema-Bashing?

Über seinen Anwalt, Hugues Vigier, lässt Benzema jetzt ausrichten, er sei schockiert, alle Vorwürfe seien falsch. «Karim kannte die Muslimbrüder nicht einmal», sagte Vigier. Diese Kommentare über seinen Mandanten seien «zum Kotzen», einmal mehr spanne die französische Politik Benzema für ihre Zwecke vor ihren Karren. Das übliche Benzema-Bashing? Man prüfe nun die Möglichkeit, eine Verleumdungsklage gegen den Innenminister einzureichen.

Als man Benzema einmal fragte, warum er die Marseillaise nicht singe, sagte er: «Wer Lust hat, sie zu singen, der soll sie singen.» Ihm gefalle die Hymne nicht. «Sie ruft zum Krieg auf.»