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Superbowl-Halbzeit-Show
Eminem setzt ein politisches Zeichen und geht auf die Knie

Der stärkste, anrührendste, für viele bestimmt auch unerhörteste Moment der 56. Superbowl-Half-Time-Show kam nach rund elf Minuten, also fast schon gegen Schluss. Der Rapper Eminem, im räudigen schwarzen Kapuzenpulli überm grauen Hemd, hatte eben eine Kurzversion seines alten Hits «Lose Yourself» zu Ende gebracht. Ein turbulentes Ensemble hatte ihn begleitet oder zumindest so getan, auf dem Dach eines der fünf Containerhäuschen, die als Bühnenkonstruktion in der Mitte des Spielfelds aufgereiht worden waren.

Danach liess Eminem erst das Mikrofon sinken. Anschliessend den Kopf, dann auch den Rest des Körpers. Er kniete nieder und schwieg, 30 Sekunden lang, was bei einer knapp viertelstündigen Show eine ungeheure Zeit ist. Für die Begleitmusik zur Geste setzte sich Dr. Dre, der Starproduzent, Gangsterrapper und seinerzeit essenzielle Karrierehelfer Eminems, an einen weissen Flügel.

Dr. Dre und Snoop Dogg begeisterten mit dem Hit «Still D.R.E.».

Und spielte wie der Hofkapellmeister den Beginn von «I Ain't Mad at Cha», einem noch älteren Stück von Tupac Shakur. Bis in dieser Halbzeitrevue im Football-Endspiel zwischen Los Angeles Rams und Cincinnati Bengals der nächste Programmpunkt wie ein schwarzer Blitz einschlug.

Eminems Kniefall war natürlich eine Hommage an Colin Kaepernick. Kaepernick, der früher bei den San Francisco 49ers spielte, war vor einem Spiel im August 2016 beim Abspielen der US-Hymne in der Hocke verharrt, um gegen rassistische Polizeigewalt sowie Diskriminierung innerhalb der National Football League zu protestieren, wodurch er sich zur Symbolfigur machte, aber auch zur Persona non grata der National Football League. Shakur wiederum ist einer der grossen Toten des Hip-Hop, 1996 bei einem Angriff erschossen, bis heute ein ungeklärter Fall.

Erzürnte den damaligen Präsidenten Donald Trump: Colin Kaepernick (Mitte) kniete sich 2016 während der Hymne hin.

Dass die Liga ein strukturelles Rassismusproblem hat, obwohl ihre Teams aus rund 70 Prozent schwarzen Spielern bestehen, ist lange bekannt. Derzeit läuft unter anderem die Klage des Trainers Brian Flores, der Argumente und Indizien dafür gesammelt haben soll, dass in den Führungsriegen die allermeisten Jobs gezielt an weisse Kandidaten vergeben werden.

So gesehen war Eminems Geste – vor rund 100'000 Zuschauern im SoFi Stadium in Inglewood und einem viele Millionen grossen TV-Publikum – durchaus ein scharfer Kratzer in der Partyglasur, die traditionell über dem Superbowl-Feiertag liegt und in die Welt hinausglitzert.

Begeisterten das Publikum: Mary J. Blige, Eminem, Kendrick Lamar, Dr. Dre und Snoop Dogg während der Performance.

Wobei das diesjährige Event schon vor dem Start etwas zumindest andeutungsweise Politisches hatte. Seit 55 Jahren gibt es die Superbowl und ihre Halbzeitmusik, seit den späten 80ern wird sie verstärkt von Pop- und Rockkünstlern bestritten. Die Ausgabe von 2022 war jedoch die erste der Geschichte, in der Rapperinnen und Rapper auftraten.

Grosses Nachholbedürfnis

Das ist erstaunlich und geradezu suspekt, denn Hip-Hop ist seit den 90er-Jahren zum beliebtesten und erfolgreichsten Popmusikgenre aufgestiegen, nicht nur in den USA. Dass er beim Footballfinale erst jetzt berücksichtigt wurde, hat neben direktem oder latentem Rassismus wohl auch mit gewissen Zwangsvorstellungen von Jugendschutz zu tun.

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Die Superbowl versteht sich als familientaugliche Unterhaltung, die so drogen- und schimpfwortfrei wie möglich bleiben will. Nachdem bei der Show von 2004 gegen alle Absprachen die rechte Brust von Janet Jackson entblösst wurde, buchte die NFL in den folgenden sechs Jahren dann auch zur Strafe nur gut abgehangenen Rock, von Paul McCartney bis The Who. Erst nach dieser Ausnüchterung durften die Präsentationen wieder eine Unze riskanter und tanzbarer werden.

Die Show sorgte nicht nur im Stadion für Begeisterung, sondern auch in den sozialen Medien.

Und so fühlte sich die grosse Rapshow am vergangenen Sonntag dann auch an: als ob in nur 14 Minuten wirklich alles nachgeholt werden musste, was man in den letzten 30 Jahren verpasst hatte. Neben Dr. Dre, der ganz in Schwarz als rappender, knöpfchendrehender Conférencier durchs Programm führte, stand am Anfang der in einen blauem Strampelanzug gekleidete Snoop Dogg auf der Feldbühne. Aus Containern hatte man eine Art Puppenhaus aufgebaut, durch das die Stars sich bewegten, umschwirrt von Statisten und mimenden Musikern. Minimalistisch, aber auch irgendwie eingekastelt.


Ein Song von 2015 war der jüngste Song der Show

Im Partyraum hing plötzlich 50 Cent kopfüber von der Decke, brachte seinen grössten Hit «In Da Club», und schon ging die Aufmerksamkeit wieder nach oben, rauf aufs Dach. Dort sang Mary J. Blige mit einer silbern glänzenden Chorus-Line zwei Songfragmente, liess sich – von einer Drohne gefilmt – nach hinten zu Boden fallen.

Auch Mary J. Blige begeisterte mit ihrem Auftritt.

Und übergab fliegend an Kendrick Lamar, den vergleichsweise jungen, nachgewachsenen Genre-Erneuerer, der auf dem Rasenvorplatz sein Stück «Alright» von 2015 brachte. Der Song ist eine Hymne der «Black Lives Matter»-Bewegung und war mit einigem Abstand der jüngste Song der Halbzeitshow.

Mary J. Blige, 50 Cent und Snoop Dogg während der Show im Stadion in Inglewood.

Und das war bei aller glorioser Freude, mit der sich die Freundinnen und Freunde auf den Rängen und Sofas zu dieser Rap-Revue gewiegt haben dürften, auch das schwerste Problem dieses Showkonzentrats: Es war mit wenigen Ausnahmen ein Tribut an auch schon wieder uralte Zeiten, dargeboten von Helden, die sich heute zum grossen Teil mit der Verwaltung des eigenen Ruhms und ihrer diversen Firmenanteile beschäftigen. Dass Eminems Kniefall dem Ereignis trotz allem etwas kämpferische Farbe verleihen konnte, bleibt als starkes Zeichen stehen.

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Schwer zu verzeihen ist dagegen, dass Anderson Paak, einer der interessantesten Rapper der Gegenwart, bei seinem Kurzauftritt den Mund nicht mal öffnen durfte. Er sass als Statist am Schlagzeug, trommelte zum Playback und lächelte in die Satellitenübertragung hinein. Sollte das mit der Hip-Hop-Superbowl ernst gemeint gewesen sein, wäre für die kommenden Jahre jedenfalls noch genug neuer Stoff übrig.