Streit über die Rolle Chinas in der Corona-KriseStarker Druck aus Peking
China protestierte gegen einen kritischen EU-Bericht zu Desinformationen über die Corona-Pandemie.
Alles begann am Dienstag mit einer E-Mail. Um 7:09 landete der Newsletter von Politico, eine Pflichtlektüre in der Brüsseler Blase, in den digitalen Postfächern. Darin wurde vorab aus einem Bericht des Europäischen Auswärtigen Diensts (EAD) zitiert, der vor Corona-Desinformationskampagnen aus China und Russland warnt. Der EAD veröffentlicht regelmässig Berichte über Fake News,
Bis der Bericht aber tatsächlich einsehbar war, vergingen einige Tage. Erst am Freitagmittag wurde die Analyse veröffentlicht. Dort kann nun jeder lesen von «Beweisen» für «eine koordinierte Aktion offizieller chinesischer Quellen, um von jeglicher Schuld am Ausbruch der Pandemie» abzulenken. Freitagabend beschrieb dann die «New York Times», was seit Dienstag hinter den Kulissen ablief. In Brüssel und Peking wurde sofort protestiert.
Vorwurf der «Selbstzensur»
Sollte der Report jene Inhalte umfassen, «wie es beschrieben wird», wäre dies «sehr schlecht für die Zusammenarbeit», habe ein hochrangiger Beamter in Peking gedroht, wie Reuters aus einer diplomatischen Depesche zitiert. Laut «Times» bat eine Beraterin des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell um genaue Belege und einen nicht so starken Fokus auf China und Russland, weil «wir bereits starken Druck aus China sehen». Daraufhin warf eine Analystin den Vorgesetzten «Selbstzensur» vor. Dass nun in der Onlinefassung eine Passage zu einer Attacke der chinesischen Botschaft in Paris auf französische Abgeordnete sowie die Formulierung «China führt eine globale Desinformationskampagne», fehlen, sieht die «Times» als Beleg für ein «Aufweichen» des Berichts. Der EAD weist das zurück, doch einige EU-Abgeordnete kündigten an, Borrell befragen zu wollen.
Ein Einknicken gab es nicht, findet der Grüne Reinhard Bütikofer. «Die Kommunikation war ungeschickt, aber die Substanz ist gleich. Der EAD kritisiert Pekings Propagandastrategien sehr klar», sagt der Chef der China-Delegation des EU-Parlaments dieser Zeitung. Er registriert seit Corona in vielen EU-Staaten eine kritischere Sicht auf die Volksrepublik und begrüsst die Pläne, sich weniger abhängig von Zulieferern aus China zu machen. Bütikofer betont, dass die EU bereits 2019 China zum «systemischen Rivalen» erklärt hatte, was Peking erboste.
Während deren EU-Botschafter Zhang Ming China als Opfer sieht, zweifeln EU-Diplomaten nicht an Pekings Drohungen. Dies kenne man aus den Hauptstädten. So bestätigte beispielsweise das deutsche Innenministerium, es habe einzelne Kontaktaufnahmen chinesischer Diplomaten gegeben, mit dem Zweck, positive öffentliche Äusserungen über das Coronavirus-Management Chinas zu bewirken. Man sei jedoch diesen Aufforderungen «nicht nachgekommen», hiess es aus Berlin.
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