Wegen Sanktionen im Ukraine-KriegSpuhler verabschiedet sich aus Weissrussland – zumindest teilweise
Stadler Rail will einen grossen Teil der Produktion in andere Werke verlagern. Ganz aufgeben will Firmenchef Peter Spuhler das Werk in der Nähe von Minsk aber nicht.
Es sollte der Beginn einer grossen Erfolgsgeschichte in der ehemaligen Sowjetunion werden. Vor etwa zehn Jahren gründete Stadler Rail ein Gemeinschaftsunternehmen in Weissrussland mit dem Ziel, von dort aus die GUS-Staaten mit Breitspurzügen zu beliefern. Vor rund acht Jahren wurde das Werk in Fanipol unweit der Hauptstadt Minsk feierlich eröffnet. Doch nun macht der Krieg in der Ukraine Peter Spuhler und seinem Unternehmen einen Strich durch die Rechnung.
Die westlichen Sanktionen gegen Russland und Weissrussland erschweren die Produktion. Ab Juni verbieten die Sanktionen der EU den Export von elektronischen Gütern in die beiden Länder – aus Angst, sie könnten auch für Waffen eingesetzt werden. Das trifft auch Stadler Rail. Die Firma kann keine Klimaanlagen, Fahrgastinformationssysteme, Stromrichter oder Transformatoren mehr nach Weissrussland liefern, wo diese verbaut werden.
Einen Teil der Fertigung will Spuhler daher in andere Werke verlagern: vornehmlich nach Polen, aber auch nach St. Margrethen in der Schweiz sowie eventuell nach Berlin. Von den derzeit knapp 1200 Mitarbeitenden werden nur noch mehrere Hundert weiterhin in Weissrussland gebraucht. Allen anderen bietet Stadler Rail Kurzarbeit und Sozialpläne an sowie die Möglichkeit, an einem anderen Firmenstandort zu arbeiten.
Ein Teil der Produktion soll bleiben
Ganz zurückziehen will sich Stadler aus Weissrussland jedoch nicht: «Wir geben das Werk nicht auf. Wir passen die Kapazität den Gegebenheiten der Sanktionen an», sagte Spuhler. «Wir hoffen, dass wir das Werk mit den tollen Mitarbeitern möglichst bald wieder hochfahren können.»
Rein wirtschaftlich dürften sich die Kosten des Teilrückzugs für Stadler Rail in Grenzen halten. Spuhler rechnet hier mit einem niedrigen einstelligen Millionenbetrag. Konzernweit werden weniger als zwei Prozent des Auftragsbestands in Weissrussland abgewickelt.
Stadler Rail ist nicht das einzige Schweizer Unternehmen mit einem Produktionsstandort in Weissrussland. Der Solothurner Busbauer Hess hat angekündigt, seine Produktion aus dem Werk in Minsk in die Schweiz zurückzuholen.
Keine Züge für Oligarchen
Weissrussland wird vorgeworfen, an der Seite Russlands den Krieg in der Ukraine zu unterstützen. Die Sanktionen des Westens richten sich daher vielfach nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen Weissrussland. Doch bereits vor Kriegsbeginn stand das Regime des weissrussischen Machthabers Alexander Lukaschenko wegen der Verletzung von Menschenrechten international in der Kritik.
Das wiederum brachte auch Stadler-Rail-Chef Spuhler viel Kritik ein, weil er sich nicht von Lukaschenko distanziert hatte. Es gibt Fotos, die Spuhler beim Händeschütteln mit dem umstrittenen Machthaber zeigen.
An der Medienkonferenz rechtfertigte Spuhler sein Engagement. «Wir bauen nicht für irgendwelche Oligarchen. Wir bauen Produkte, die schiessen nicht, die stinken nicht, die bieten einen täglichen Nutzen für die breite Bevölkerung, und aus diesem Grund habe ich auch nicht unbedingt ein schlechtes Gewissen, dass wir das tun», sagte er.
Es sei wichtig, dass Unternehmer auch in solchen Ländern investierten. «Ich glaube, dass eine wirtschaftliche Integration sehr hilfreich ist für den Demokratisierungsprozess. Wenn wir einfach nur Sanktionen aussprechen und die tollen Mitarbeiter draussen stehen lassen, dann werden die nie an unsere demokratischen Spielregeln herangeführt», sagt Spuhler.
Wachstumshoffnungen im Osten zerstreut?
Was der Krieg für die Wachstumsambitionen von Stadler Rail im Osten bedeutet, ist noch nicht klar. An weitere Aufträge aus Russland glaubt Spuhler vorerst nicht. Doch die übrigen GUS-Staaten könnten für das Unternehmen durchaus wieder attraktiv werden, sagte der Unternehmer.
Offen ist nach wie vor ein potenzieller Auftrag über 540 Schlafwagen aus Kasachstan. Zwar habe Stadler einen entsprechenden Rahmenvertrag unterzeichnet. Die Verhandlungen über den Unterhalt und die Produktion laufen jedoch noch. Spuhler will etwa ein Drittel der Wertschöpfung in einem Werk vor Ort abwickeln, der Rest soll aus anderen Stadler-Werken kommen – unter anderem aus Weissrussland. Ob Stadler letztlich den Zuschlag bekommt, ist unklar. «Das ist ein Blick in die Kristallkugel», sagte Spuhler.
Hoffnungen setzt Stadler Rail daher eher in den Ausbau des Geschäfts im Westen, beispielsweise in den USA sowie im Kernmarkt Europa. In Österreich und Deutschland hat das Unternehmen zuletzt zwei grosse Aufträge an Land gezogen.
Die Börse hatte die Folgen des Ukraine-Kriegs für das Unternehmen bereits vorweggenommen – der Aktienkurs war stark eingebrochen. Auch am Dienstag gaben die Papiere nach.
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