SRF überführt Novartis mit Peilsender
Eine Recherche der «Rundschau» zeigt, wo Stimmzettel von Aktionären landen und warum das problematisch ist.
Mit einer innovativen Recherchemethode weist das TV-Magazin «Rundschau» nach, dass Novartis das Stimmgeheimnis seiner Aktionäre nicht ernst nimmt. Für einen Beitrag, der heute Abend ausgestrahlt wird, hat sich ein «Rundschau»-Reporter eine Novartis-Aktie gekauft und sein Stimmrecht an der Generalversammlung schriftlich wahrgenommen. Das tun fast alle Aktionäre.
Doch der SRF-Mann machte noch etwas Spezielles: Er legte seinem Couvert einen GPS-Tracker bei. Mit dem Minipeilgerät liess sich danach orten, welchen Postweg seine Unterlagen genommen hatten.
Gemäss «Rundschau» war es ein bemerkenswerter Weg: Der Umschlag landete nicht beim unabhängigen Stimmrechtsvertreter für die Generalversammlung, obschon dessen Adresse auf dem Couvert vorgedruckt ist. Vielmehr gelangten die Unterlagen zuerst in ein Postfach im Bahnhof Basel und von dort direkt auf den Novartis-Campus. Im Keller des Gebäudes Forum 1 wurde die Post gemäss dem Schweizer Fernsehen geöffnet.
Gefahr von Missbrauch
Nun steht die Frage im Raum, ob Novartis mit der Umleitung der Briefe seine Eigentümer täuscht. Denn die Wahl- und Abstimmungszettel geraten nicht in die Obhut einer unabhängigen Vertrauensperson, die das Anwaltsgeheimnis zu wahren hat, sondern zum Konzern.
Dort könnten sie von Novartis-Mitarbeitern missbraucht werden. Wer schon im Voraus weiss, wie gewählt und gestimmt wird, kann seinen Informationsvorsprung nutzen. Zum Beispiel kann er Aktionäre, die noch nicht gestimmt haben, mobilisieren oder anderweitig beeinflussen. Zudem ist durch die Novartis-Praxis das Stimmgeheimnis bedroht: Auf den Abstimmungsbögen ist der Name des Aktionärs gedruckt.
«Ein grosser logistischer Aufwand»
Rechtsanwalt Peter Andreas Zahn, gewählt als unabhängiger Stimmrechtsvertreter der Novartis-Aktionäre, rechtfertigt das Vorgehen in der «Rundschau» mit einem «grossen logistischen Aufwand (…), der die verfügbare Kapazität einer Anwaltskanzlei sprengt».
Derweil betont ein Spezialist für solche Fragen, Rechtsanwalt Rudolf Schwager, in einem Kurzaufsatz die Wichtigkeit der Unabhängigkeit: «Der Stimmrechtsvertreter muss deshalb von der Gesellschaft selbst, den Gesellschaftsorganen, Grossaktionären, Stimmrechtsberatern etc. unabhängig sein, wobei auch kein Anschein von Abhängigkeit bestehen darf.»
Novartis sieht in dem Vorgehen kein Fehlverhalten: Die rund 30'000 Antwortcouverts würden bei Novartis «von hierfür rekrutierten pensionierten Mitarbeitenden geöffnet und verarbeitet», erklärt der Konzern. «Dieses Vorgehen entspricht geltendem Recht und beeinträchtigt die Unabhängigkeit des unabhängigen Stimmrechtsvertreters nicht, weil die Auszählung unter seiner Aufsicht erfolgt.»
«Wir werden die Hinweise in eine mögliche Verbesserung der Prozesse einfliessen lassen.»
Experten überzeugt das nicht: «Um keinerlei Zweifel an der Unabhängigkeit des Stimmrechtsvertreters aufkommen zu lassen, wäre es besser, wenn der Stimmrechtsvertreter die für die Auszählung notwendigen Ressourcen unabhängig vom Unternehmen organisiert», sagt Barbara Heller, Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Swipra, das unter anderem auf Corporate-Governance-Fragen spezialisiert ist.
In der «Rundschau» äussert sich auch die Wirtschaftsjuristin Monika Roth Zweifel: Sie sieht im Vorgehen «eine Umgehung der grundsätzlichen Regelung und des Sinns des unabhängigen Stimmrechtsvertreters». Damit drohe gar die Anfechtung von Beschlüssen einer Generalversammlung.
Novartis scheinen ebenfalls Zweifel zu kommen: «Wir werden die Hinweise der ‹Rundschau› in eine mögliche Verbesserung der Prozesse einfliessen lassen», schreibt der Konzern.
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