SRF-Moderator Jeff Baltermia im Interview«Am Ende des Spiels renne ich zum Feld»
Jeff Baltermia befragt seit fünf Jahren die Spieler der Fussball-Nati direkt nach Schlusspfiff. Ein Job mit Sprengkraft und ganz eigenen Herausforderungen.
Herr Baltermia, beim Schlusspfiff stehen Sie bereits am Spielfeldrand. Wo schauen Sie selbst die Spiele?
Ich sitze auf der Pressetribüne jeweils in der Nähe von Sascha Ruefer und habe dort einen eigenen Bildschirm. Diesen brauche ich, um die entscheidenden Szenen in guter Auflösung zu sehen. Der Weg zum Platz ist aber idealerweise kurz. Am Ende des Spiels renne ich dann zum Feld.
Die Platzinterviews haben durchaus Sprengkraft. Suchen Sie das?
Nein, ich suche keine Schlagzeilen. Für die Beteiligten ist es immer eine emotionale Ausnahmesituation direkt nach dem Schlusspfiff. Das spüre ich. Ich würde das Gespräch gleich führen, egal, ob fünf oder mehrere Hunderttausend Personen zuhören.
«So ein Interview wirkt auch immer gegen innen, ins Team hinein.»
Wie entscheidet sich überhaupt, wer zum Interview kommt?
Da sind einige Personen involviert. Meistens mache ich Vorschläge. Ich bin verkabelt und laufend mit der Regie im Studio in Kontakt. Auch sie geben Inputs. Unsere Vorschläge geben wir dem Verband weiter, diese klären ab, wer verfügbar ist. Wir machen in der Regel vier bis fünf Vorschläge, zu 80 Prozent klappts, dass wir diese auch kriegen.
Und wann klappt es nicht?
Wenn ein Spieler zur Dopingkontrolle muss, zum Beispiel.
«Ich schreibe mir keine Fragen auf.»
Mit wem haben Sie am häufigsten geredet in dieser Zeit?
Mit Yann Sommer oder Granit Xhaka. Die erfahrenen Spieler wissen, dass diese Interviews zum Job dazugehören. Sie können als Teamleader zur Analyse beitragen, weil sie ein Standing haben und Dinge benennen können. Die Plattform ist gegen aussen sehr gross, aber so ein Interview wirkt auch immer gegen innen, ins Team hinein.
Wie viel ist Improvisation? Notieren Sie sich Fragen, während das Spiel läuft?
Ich schreibe mir keine Fragen auf. Das brauchte am Anfang etwas Mut, aber da hilft auch die Erfahrung. Die Interviews sind so kurz, wenn ich da Fragen abarbeiten will, verpasse ich es, mit dem Moment und mit dem Spieler mitzugehen.
Die Antworten der Fussballer sind oft ausweichend und wenig konkret. Frustriert Sie das nicht?
Gewisse sind rhetorisch beschlagener als andere, ja, und das ist in Ordnung. Es hilft, auf die individuelle Betroffenheit zu gehen. Wie ist der Spieler gerade drauf? War es ein gutes Spiel, ist er genervt? Das versuche ich in den Sekunden, bevor wir live gehen, herauszuspüren. Und Humor öffnet das Gespräch. Wenn ich die Spieler zum Schmunzeln bringe, dann weiss ich, dass es gut läuft.
«Meine Frau fängt vieles auf, wenn ich weg bin, und die Grosseltern helfen mit.»
Haben Sie privat Kontakt zu Spielern?
Nach all den Jahren pflegt man den Kontakt auch ausserhalb der Nationalmannschaft. Aber die Positionen sind immer klar. Wenn es News oder Gerüchte gibt, dann frage ich als Journalist nach und erhalte auch schnell eine Antwort. Ich unternehme nichts privat mit den Spielern.
Reden Sie auch über anderes als Fussball?
Wir sind alle viel unterwegs und weg von unseren Familien. Das ist ein Thema, das die Spieler und mich umtreibt. Ich habe zwei Söhne, viele der Spieler haben ebenfalls kleine Kinder – Yann Sommer, Manuel Akanji, Silvan Widmer, Fabian Frei. Wir geben uns Tipps. Und manchmal tuts auch einfach gut, zu hören, dass andere mit den gleichen Herausforderungen kämpfen.
«Die Arbeit hat sich verändert, seit die Kinder da sind, es fällt mir schwerer wegzugehen.»
Wie lässt sich für Sie das Reisen mit der Familie konkret vereinbaren? Wie organisieren Sie sich, wenn Sie weg sind?
Das ist ein grosses Thema. Unsere Kinder sind jetzt acht Monate und drei Jahre alt. Meine Frau ermöglicht mir das, sie fängt vieles auf, wenn ich weg bin, obwohl auch sie arbeitet, und die Grosseltern helfen mit. Emotional und organisatorisch ist das eine Riesenherausforderung für uns. Die Arbeit hat sich verändert, seit die Kinder da sind, es fällt mir schwerer wegzugehen. Während der EM nächstes Jahr werde ich fünf Wochen in Deutschland sein, das wissen wir jetzt schon. Da schauen wir, dass mich meine Familie auch besuchen kann.
Können Sie Ihre Reisezeiten mitbestimmen?
Für mich werden nach Möglichkeit jeweils die spätestmögliche Anreise und die frühestmögliche Rückreise gebucht. In Budapest letzte Woche bin ich um 4 Uhr früh aufgestanden und konnte dafür mit meiner Familie daheim in Basel frühstücken. Das ist sehr wertvoll.
Ab Januar werden Sie im Studio moderieren. Waren die Kinder ein Grund für den Wechsel?
Nein, sie waren zumindest nicht der Hauptgrund. Ich werde weiterhin mit der Nati mitreisen und am Wochenende bei Fussballspielen aus den Stadien berichten. Meine Rolle bleibt. Der Job im Studio ist eine Ergänzung dazu.
Mal weg von der Schweizer Nati: Haben sie als Fussballfan einen Lieblingsspieler? Wem schauen sie auf dem Platz besonders gern zu?
Den Goalies, ganz generell. Wenn ich mich entscheiden müsste zwischen einer tollen Parade und einem schönen Tor, wähle ich die Parade. Ich war selber auch Goalie im Nachwuchs beim FC Basel. Fabien Barthez, der ehemalige französische Nati-Goalie, war mein Vorbild. Auch er ist eher klein, inzwischen haben wir auch beide eine Glatze.
Spielen Sie selbst noch Fussball?
Ich komme aus einer Sportfamilie. Die erste «Sportschau» habe ich drei Stunden nach der Geburt auf dem Schoss meines Vaters schlafend mitverfolgt. Wir sind drei Brüder, und alle haben Fussball gespielt, das war das dominierende Thema bei uns. Heute, mit den Kindern, muss es mit dem Sport schneller gehen: Wir haben einen Vita-Parcours in der Nähe. Und ich habe Padel für mich entdeckt.
«Nicht nur die Grösse, auch das Talent hat gefehlt.»
Warum haben Sie den Fussball aufgegeben?
Ich war in einem starken Jahrgang, mit Ivan Rakitic und Timm Klose, Yann Sommer ist ein Jahr jünger und hat mich schnell einmal links überholt. Ich habe gemerkt, dass es einigen leichterfällt als mir. Ich wollte es mir lange nicht eingestehen, aber es hat nicht gereicht. Nicht nur die Grösse, auch das Talent hat gefehlt.
Von den zahlreichen Interviews, die Sie geführt haben: Welches bleibt in Erinnerung?
Schön ist, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Was nicht so einfach ist, weil die Situationen relativ strikt geregelt sind. Beim 100. Länderspiel von Ricardo Rodriguez habe ich spontan Granit Xhaka dazugewinkt, der gerade über den Platz lief. Die beiden sind beste Freunde. Da spürte man direkt die Chemie, das ist auch die Magie von Live-TV. Sie waren in diesem Moment im positiven Sinn wie zwei kleine Jungs.
Sie haben in der Regel nur wenig Zeit. Wer bestimmt, wann das Interview fertig ist?
Der Produzent im Studio hat das Timing im Griff, er weiss, welche Beiträge noch geplant sind, und informiert mich über den Knopf im Ohr. Er muss streng sein mit mir, weil ich oft überziehe.
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