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SRF-Expertin über das Nationalteam
«Nicht Wälti, nicht Bachmann – nur Crnogorcevic wurde so behandelt»

Switzerland's Ana Maria Crnogorcevic shows dejection next to Switzerland's defender Julia Stierli, left, after the team's 1-5 defeat and elimination from the tournament following the FIFA Women's World Cup 2023 round of 16 soccer match between Switzerland and Spain at Eden Park in Auckland, New Zealand on Saturday, August 5, 2023. (KEYSTONE/Michael Buholzer)
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Vier Nations-League-Spiele, vier Niederlagen, 14 Gegentore. Martina Moser, ist der Zustand des Schweizer Nationalteams so schlecht, wie es die Resultate vermuten lassen?

Es ist ein Abwärtstrend erkennbar, aber es gab auch Lichtblicke, zum Beispiel die Partie gegen Schweden, in der die erste Hälfte eine der besten Halbzeiten seit langem war. Sicher aber ist die Weltranglistenposition, die man sich über Jahre erarbeitet hat, in Gefahr.

Es gab kaum eine Entwicklung – wobei die Gegner oft hochkarätig waren.

Die Gegner in der Nations League, Schweden, Spanien und Italien, sind schwierig. In der WM-Vorbereitung gab es aber auch Spiele gegen Sambia und Marokko, die in der Weltrangliste schlechter klassiert sind. Und an der WM spielte die Schweiz gegen die Philippinen, Neuseeland und Norwegen, wohl das schlechteste Norwegen, das ich in all den Jahren gesehen habe. Es gab also nicht nur Übergegner. Von daher ist schon eine Enttäuschung da, auch wenn man es mit der Zeit vergleicht, in der wir auf dem aufsteigenden Ast waren.

Sie sprechen Ihre Zeit im Nationalteam an, von 2005 bis 2017. Wie war die Entwicklung da?

Wir waren jahrelang nicht erfolgreich, aber ab der geschafften Qualifikation für die WM 2015 waren Spiele gegen kleine Gegner Pflichtsiege. An der EM 2017 waren wir gegen Frankreich sogar nah an einer Sensation, das tut mir heute noch weh (1:1, Anm. d. Red.). Wir haben Schweden geschlagen, auch einmal Spanien. Wir waren nicht so klar unterlegen. Dieses Jahr ging es gefühlt nur abwärts.

Trotzdem: Die Schweiz kam als Gruppenerste in den WM-Achtelfinal.

Ja, aber wie? Wenn man schaut, wie die Spiele gelaufen sind, welche Gegner man hatte und wer in dieser Gruppe wen geschlagen hat, dann war es am Ende auch mit etwas Glück verbunden.

Wurde die Schweiz nach dieser Gruppenphase überhöht?

Ich sage nicht, dass es nicht gut war. Aber offensiv war es enttäuschend. Da fehlte die Handschrift, die Spielidee, das führte dazu, dass die Schweiz ideenlos war.

In der Nations League ist Italien ein Gegner, den es bei diesen Ansprüchen zu schlagen gilt. Warum gelingt auch das nicht?

2023 war ein schwieriges Jahr. Man hat gemerkt, dass es mit Trainerin Inka Grings nicht in die Richtung ging, die man mit Blick auf die Heim-EM 2025 wollte. Ich hoffe, dass wir in den nächsten zwei Nations-League-Spielen ein anderes Gesicht sehen. Der Spirit, dieses Füreinander-Gehen, das Feuer, das Nicht-aufgeben-Wollen, dass das wieder zurückkommt. Das hat mir in den letzten Spielen gefehlt.

Beim Spiel gegen Spanien störten Sie sich daran, wie das zwischenzeitliche 1:4 bejubelt wurde. Ein Sinnbild?

Damit hatte ich Mühe. Wenn ich 1:7 auf die Mütze kriege, bejuble ich ein Tor nicht in diesem Ausmass. Wenn Gibraltar oder San Marino mal ein Tor schiesst und so jubelt, dann ist das okay. Aber wir haben einen anderen Anspruch.

Switzerland's Alayah Pilgrim, center, celebrates wuith team mates after scoring the 1-4 goal agsinst Spain's during the UEFA Nations League women's soccer match between Switzerland and Spain at the Letzigrund stadium in Zurich, Switzerland, on Tuesday October 31, 2023. (KEYSTONE/Michael Buholzer)

Es gibt nun allerdings auch Stimmen, die sagen: Die Schweiz war ja nie wirklich top. Für Sie also kein nachvollziehbarer Gedanke?

Klar, wir haben die Grossen nie aus dem Stadion geschossen. Aber wir verloren gegen die USA vielleicht nur 0:3. Unter den aktuellen Umständen würden wir heute wohl auch sechs oder sieben Tore kassieren. Ich sage einfach, dass wir die Distanz zur Weltspitze stetig verringern konnten – durch Siege gegen Teams, die hinter uns waren. Bei uns waren ja bei weitem nicht alle Profis, darum finde ich, haben wir mehr herausgeholt.

Können Sie das genauer erklären?

Wenn ich jetzt sehe, von welchen Strukturen die Spielerinnen bei ihren Vereinen schon profitieren, erwarte ich auch mehr. Sie sind länger im Profi-Geschäft, die Jungen profitieren teilweise von super Ausbildungen. Für mich sollten die Spielerinnen aus dem aktuellen Kader um einiges weiter sein, als wir es damals waren. Ich habe eine normale Lehre gemacht, in der Schweiz gearbeitet und Fussball gespielt. Da hat noch keiner gefragt: Geht es mit der Belastung? Dann konnte man ins Ausland und Profi werden. Man muss also die Umstände berücksichtigen, die wir damals hatten und die es heute gibt.

Nun ist die Schweiz in der Nations League praktisch abgestiegen. Was wurde in den letzten Jahren versäumt, damit es überhaupt so weit kommen konnte?

Es beginnt schon bei der Basis. Sie schafft die Breite für die Spitze. Je mehr Mädchen ausgebildet werden, desto mehr gute Talente gibt es. Im Moment stellt sich das Kader relativ einfach zusammen. Der Trainer muss sich nicht sagen: Ich muss zehn zu Hause lassen, die es auch verdient hätten. Ich will die Leistungen der Spielerinnen, die in der Schweiz spielen, nicht schmälern, aber aktuell hätte ich am liebsten bloss Profis im Kader, die im Ausland spielen.

Es ist zu hören, dass sich gewisse Spielerinnen in der Schweiz fast schon zu wohl fühlen und nicht wechseln wollen. Teilen Sie diesen Eindruck?

Wahrscheinlich ist das so, ja. Inka Grings sagte ja auch: Ich habe lieber Spielerinnen, die in der Schweiz 90 Minuten spielen, als solche, die bei Top-Vereinen nur ab und zu spielen. Aber Profi zu sein, ein gutes Trainingsniveau zu haben, sich voll auf Fussball konzentrieren zu können, das sind alles Vorteile. Weil man aus dem gewohnten Umfeld rauskommt und nicht noch nebenbei arbeiten muss. In der Zeit, in der ich Profi war, habe ich die mit Abstand grösste Entwicklung gemacht. Momentan scheinen mir die Spielerinnen etwas verwöhnt. Sie können in der Schweiz spielen und werden trotzdem aufgeboten.

Grings wurde vor zwei Wochen entlassen. Zu spät?

Für mich war der Zeitpunkt überraschend. Aber bei dieser sportlichen Bilanz war klar, dass man sich Gedanken machen muss. Ich glaube auch, dass andere Dinge, wie dieser Vorfall in Deutschland (Grings war in einen Betrugsfall verwickelt, Red.), dazu führten, dass es jetzt passierte. Sonst wären diese letzten zwei Spiele wohl noch durchgezogen worden, und dann wäre über Neujahr ein Resümee gezogen worden.

Vor allem zwischen Ana-Maria Crnogorcevic und Grings lief es nicht gut. Wie nahmen Sie das wahr?

Ana-Maria Crnogorcevic, ein Aushängeschild, soll auf Knopfdruck keine Rolle mehr spielen und nicht ins Team passen? Jahrelang eine absolute Leaderin und jetzt nicht mehr die Ana-Maria, die sie mal war? Von aussen muss ich sagen: Schon speziell. Dann wurde es in den Medien ausgeschlachtet, man sah, wie sie nicht abklatschten bei der Auswechslung, und so weiter. Ich verstand die Nicht-Nomination nicht. Wenn man jüngeren Spielerinnen eine Chance geben will, wie es kommuniziert wurde, dann gehören auch erfahrene Spielerinnen ins Kader. Sie aber nicht aufzubieten, geht für mich in die Richtung «eins reinwürgen».

DUNEDIN, NEW ZEALAND - JULY 30: Ana-Maria Crnogorcevic of Switzerland and Inka Grings, Head Coach of Switzerland, embrace after the FIFA Women's World Cup Australia & New Zealand 2023 Group A match between Switzerland and New Zealand at Dunedin Stadium on July 30, 2023 in Dunedin / Ōtepoti, New Zealand. (Photo by Matthew Lewis - FIFA/FIFA via Getty Images)

Kann man sich als Trainerin einen solchen Machtkampf erlauben?

Nein, das geht nicht. Um eine solche Spielerin nicht mehr aufzubieten, müsste etwas sehr Schwerwiegendes passieren. Dann sagt man der Spielerin: «Was passiert ist, dulde ich nicht», und weg ist die Spielerin. Speziell war ja auch, dass Grings erwähnte, es würden noch mehr Veränderungen kommen. Aber weder Wälti noch Bachmann noch Reuteler wurden nicht aufgeboten, nur Crnogorcevic wurde so behandelt. Damit hätte ich als Spielerin auch extrem Mühe gehabt.

Es gibt auch eine Szene aus dem Spanien-Spiel, in der deutlich wird, dass Grings nicht mehr zu allen Spielerinnen einen Draht hatte.

In diesem Spiel gab es einige Momente, die zeigten, dass es Spannungen gab. Die Spielerinnen waren nicht gelöst. Für mich war es immer das Grösste, in die Nati zu kommen, wir waren eine kleine Familie. Wenn man aber nicht mehr gerne geht oder sich über gewisse Dinge nerven muss, dann performt man auch nicht. Jetzt, wo die Nati mehr im Fokus steht, werden solche Dinge eher wahrgenommen. Hätte es bei uns Spannungen gegeben, hätte es niemand gemerkt, weil die Spiele nicht übertragen wurden.

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Ramona Bachmann im Sturmzentrum, Crnogorcevic als Rechtsverteidigerin. Wurden Spielerinnen am falschen Ort eingesetzt?

Crnogorcevic spielte bei uns auch schon als Rechtsverteidigerin. Wenn man das transparent kommuniziert und der Spielerin erklärt, warum sie jetzt auf einer Position spielen soll, die ihr vielleicht nicht so gefällt, dann ist Ana-Maria die Letzte, die sagt: Ich spiele das nicht.

Was für einen Trainer oder eine Trainerin braucht es jetzt?

Es braucht jemanden, der diese Frauen verstehen will. Ich denke, am besten ist man unterwegs, wenn man weiss, mit welchen Charakteren man es zu tun hat. Man muss offen und ehrlich kommunizieren und einen Plan haben, wie man auf dem Feld agieren will: Was ist die bestmögliche Konstellation, das beste System? Man muss auch variabel sein. Wenn ich gegen Spanien antrete und Spielerinnen habe, die schon jahrelang in Spanien spielen, dann nehme ich diese Spielerinnen zusammen und frage: Wie würdet ihr das machen?

Sie sprechen den WM-Achtelfinal an, als Inka Grings nicht auf Spielerinnen wie Viola Calligaris oder Ana-Maria Crnogorcevic gehört haben soll.

Ich habe das so gelesen. Wenn es stimmt, kann ich nicht nachvollziehen, warum man das macht. Das sind Spielerinnen, die in dieser Liga Woche für Woche präsent sind. Am Ende sind wir doch alle besser, wenn wir die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen.