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Spotify-Jahrescharts
Kita-Tunes, Vampire und die Sache mit Felix Mendels­sohn

Freudensprünge? Oder ungläubiges Staunen? Nicht immer ist das, was wir hören, auch das, was wir glauben, gehört zu haben.
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Alte Liebe, neu entdeckt

Mein meistgehörtes Lied 2023 war es vor einigen Jahren womöglich schon einmal, aber damals gab es noch kein Spotify Wrapped: «Matilda» von Alt-J, erschienen 2012. 17-mal habe ich es dieses Jahr abgespielt, das reicht für den Spitzenplatz.

Auslöser war aber nicht meine anhaltende Liebe zur Musik der britischen Kunstrocker, sondern ein Neuzugang in der Kita unseres Sohnes. Oh: ein Baby – mit dem Namen Matilda. Dass es dazu auch noch ein Lied gab, hat unseren Zweijährigen für ein paar Wochen nach dem Sommer sehr fasziniert. (Martin Fischer)

Float House? Nie gehört

Mein Lieblingsgenre gemäss Spotify ist Float House. Schön. Bloss: Von dieser Stilrichtung habe ich noch nie gehört! Tech-House, Deep House, Progressive House – das kenne ich alles. Aber Float House?

Eine Recherche in Musikforen ergibt: Float-House deckt die «Spaced-Out-, Ethereal- und Leftfield-Variante der House-Music ab, die sich auf ausgeprägte Rhythmen konzentriert und von Downtempo, Synthesizern und treibenden Percussion-Sektionen angetrieben wird». Okay, klingt gut. Dann floate ich jetzt mal in den Advent. (Philippe Zweifel)

Die Sache mit Felix Mendelssohn

Dass meine persönlichen Spotify-Charts ziemlich Genre-blind daherkommen, bin ich mir gewohnt. Irgendwie vermengen sich darin die Jahrzehnte, trifft die Musik der Leute, die ich als alt empfinde, auf den Sound der People, von denen ich nicht mehr alles verstehe, was sie sagen. Reggae von Tarrus Riley, Pop von Cachita. Chart-Musik von Dabu Fantastic, Conscious Rap von Talib Kweli.

Und natürlich nickte ich mir selbst innerlich anerkennend zu, empfand mich in dem Moment als ungemein breit gebildet, als ich in dieser bunten Bestenliste seine grau gewellten Locken entdeckte: Felix Mendelssohn Bartholdy, deutscher Komponist des 19. Jahrhunderts, bedeutendster Romantiker, prägender Pianist, genialer Dirigent, also schlichtweg einer der absoluten Babos der Klassik, um im Wortschatz der erwähnten People zu bleiben.

Ja doch, ein bisschen was aus den sieben Jahren Klavierunterricht ist geblieben, dachte ich mir selbstgefällig, poppt halt schon ab und zu auf bei mir, so Tunes mit viel Streichern. Händel, Beethoven, dies, das. Bis ich bei den Podcasts stutzig wurde. «Spanisch-Sprachkurs, Lektion 3: Noticias en español»: Klar, meine Mutter, wir teilen uns ja den Zugang. (Moritz Marthaler)

Musikgeschmack: Vampir

«Hat dir schon mal jemand gesagt, wie gut du zuhören kannst?», fragt mich Spotify. Wieso? Ich habe 2023 13 volle Tage Podcasts gehört. Ach du liebe Zeit! Kein Wunder, würden mich meine Mitbewohner wohl eher am anderen Ende der Skala verorten: Ihnen konnte ich selten zuhören – ich hatte ja immer Kopfhörer auf.

Laut Spotify lief auf denen neben Podcasts meist deprimierende Mucke. Ich sei eine Vampirin mit düsterem Musikgeschmack. Schmarrn! Wäre Spotify eine Person, wir wären wohl nicht befreundet. Ich mag Leute nicht, die nicht verstehen, dass Musik wie die von Future Islands nicht düster ist, sondern so schön bittersüss.

Der Titel «Disarm» spricht mir aus dem düsteren Herzen, und ich wünschte, es handelte sich dabei um den Jahresausblick 2024.

Und sowieso, ich hätte mir eher den Stempel Psycho als Vampirin aufgedrückt. Mein Top-Podcast ist nämlich peinlicherweise ein True-Crime-Format. Die Entschuldigung: Vor Jahren habe ich herausgefunden, dass gegen Liebeskummer nur Mord und Totschlag hilft – ist halt noch ein bisschen schlimmer. Das Herz ist längst verheilt, nur kann ich jetzt nicht mehr allein in den Keller.

Ein bisschen Positivity gibt es aber auch in meinem Jahresrückblick: Mein Top-Lied 2023 ist «Disarm» von The Smashing Pumpkins. Die Wahl ist seltsam, aber der Titel spricht mir aus dem düsteren Herzen und ich wünschte, es handelte sich dabei um den Jahresausblick 2024: Disarm – am besten die ganze Welt! (Alice Britschgi)

Ein Newcomer unter all der Rollator-Musik

So sieht die Jahresbestenliste eines alten weissen Mannes aus, die fünf topplatzierten Künstler denunzieren seinen Mangel an künstlerischer Originalität brutal direkt: The Beatles – Bob Dylan – The Rolling Stones – Depeche Mode – Tom Waits. Ich lese das und komme mir vor wie ein Witz ohne Pointe. Das ist ja Rollator-Musik. Aber ja, so bin ich halt.

Immerhin bietet die Auswertung einen Coolness-Moment: Der meistgehörte Song im laufenden Jahr, ich wäre niemals draufgekommen, ist von einem Künstler, von dem Sie mit Garantie noch nie etwas gehört haben: «Everyday Opus» des amerikanischen Singer-Songwriters Charlie Parr. Es findet sich auf dem Album «Last of the Better Days Ahead» von 2021, auf dem jeder Song überragend ist.

Parr, den bei uns keiner kennt, kann alles: singen, texten und Gitarre spielen, ein Virtuose der Wehmut. Noch selten hat Schwermut so klar geklungen wie bei ihm. (Jean-Martin Büttner)

Hilfe, ich höre fremdbestimmt!

Schwarz auf bunt sehe ich es: Mein Spotify-Konsum ist fremdbestimmt. Der prägende Soundtreiber ist der Job. An der Auswertung meiner meistgehörten Künstlerinnen und Künstler erkenne ich sofort, an welchen Musikthemen ich jeweils gearbeitet habe.

Im Januar: Miley Cyrus. Im Juni ein deutlicher Ausschlag bei Dabu Fantastic, im Oktober bei Nemo. Ich höre in erster Linie, worüber ich schreibe. Wenig aufregend? Doch, die Arbeit führt mich zu neuen Entdeckungen. Einige werden nur flüchtige, aber schöne Bekanntschaften, andere bleiben. Aus diesem Jahr etwa der Song «Don’t Forget About Me» von D4vd, einem US-Teenager, der nicht mal ein Instrument spielt, und am Handy wunderschön raue Popsongs kreiert. (Martin Fischer)

Shane MacGowan, ein Held post mortem

Vor wenigen Tagen ist Shane MacGowan von The Pogues gestorben, einer meiner grössten musikalischen Helden. Zufällig präsentierte mir Spotify zur gleichen Zeit meinen Jahresrückblick. Und siehe da: The Pogues rangieren bei mir auf Platz 4. Ein schöner Trost angesichts des traurigen Verlustes – und die Gewissheit: Ich war über die ganzen Jahrzehnte offenbar ein wirklich treuer Fan. (Philippe Zweifel)

Spotify ausgeknockt

Klar, meine Kids sind auf Spotify. Aber ich? Wozu auch? Alles, was ich hören möchte, krieg ich auch ohne. Dachte ich. Aber neulich wollte ich mir aus beruflichen Gründen den neuen Podcast von Trevor Noah zu Gemüte führen, und es blieb mir nichts anderes übrig, als mich zu registrieren.

Und wenn man schon mal da ist, guckt man, was es sonst so gibt. Nichts, was unbedingt grad sein musste, stellte ich damals und auch bei späteren Stippvisiten fest. Das hat Spotify jetzt dementsprechend quittiert. In meinem Jahresrückblick heisst es: «Du hast dieses Jahr nicht genug Inhalte gehört, um einen Jahresrückblick zu erhalten. In dieser Playlist erfährst du aber, was andere am häufigsten gestreamt haben.»

Nein danke. Dann vielleicht nächstes Jahr. (Alexandra Kedves)