AboRichtig entspannenSportlerinnen, massiert euch!
Wer seine Muskeln beansprucht, sollte sie auch pflegen. Zum Beispiel mit einer Massage. Wie diese gelingt und wann es «Finger weg» heisst.

Muskelverspannungen entstehen bei sportlichen Belastungen – aber nicht nur. Sie treten auch auf bei Haushaltsarbeiten wie Fensterputzen oder nach stundenlanger Computerarbeit in «Bananenhaltung». Oft schmerzen aber nicht nur die Muskeln, sondern auch die Faszien, also die Bindegewebsstrukturen, in denen die Muskeln eingepackt sind. Sie sorgen für deren Schutz, aber auch für Stabilität und Beweglichkeit, verkleben aber leicht – was schmerzhaft sein kann. Sowohl verspannte Muskeln als auch verklebte Faszien lassen sich mit Massagen lösen. Dafür muss die Sportlerin nicht zwingend zu einem Masseur, manchmal reichen die eigenen Hände völlig aus. Darauf muss sie aber bei der Selbstmassage achten:
In welchen Fällen kann man getrost selbst Hand anlegen?
Akute Verspannungen im Nacken nach einem Arbeitstag, in den vorderen Oberschenkeln nach einer langen Radfahrt oder in den Waden nach einem intensiven Lauf vermag im Grunde jeder daheim zu behandeln.
«Auch Triggerpunkte können gut selbst gelöst werden», sagt Roger Wendelspiess, Bereichsleiter Therapie und Training an der Zürcher Schulthess-Klinik. Damit meint er jene Punkte, von denen in den Muskeln ein Schmerz ausgeht. Dieser strahlt unter Druck meist weiter aus. «Triggerpunkte entstehen bei Fehlbelastungen oder Überlastungen», sagt Wendelspiess. Die betroffenen Muskelfasern könnten sich nicht mehr selbstständig entspannen und blieben aneinander haften. «Diese Stellen kann der Sportler in der Regel gut ertasten und bearbeiten.»
Und in welchen Fällen ist Vorsicht geboten?
Bei hochentzündlichen Beschwerden heisst es Finger weg. Dies erkennt der Sportler beispielsweise, wenn ein Gelenk stark geschwollen, eine Muskelstelle stark gerötet, eine Körperpartie merklich erwärmt oder durch Schmerzen in der Beweglichkeit eingeschränkt ist. «Dann ist es ratsam, eine Fachperson beizuziehen und den Heilungsprozess erst anlaufen zu lassen», sagt Wendelspiess.
Wann ist massieren angesagt?
Der Frühling steht vor der Tür, und damit fängt für viele die Laufsaison wieder an. Es ist ratsam, mit dem Lauftraining gleich auch mit der regelmässigen Muskelpflege anzufangen. «Dann heisst es, die beanspruchten Muskeln gut und kräftig auszustreichen», sagt Wendelspiess. Das fördere den lokalen Stoffwechsel und sorge gleichzeitig für Entspannung. Dasselbe gilt für «schwere Beine» nach einem stressigen Tag oder einem strengen Training.
Es empfiehlt sich aber, die Muskeln nicht unmittelbar nach einer Belastung zu massieren. «Der körpereigene Regenerationsprozess hat dann Vorrang», sagt Wendelspiess. Er rät deshalb, erst nach einigen Stunden oder gar am Folgetag Hand anzulegen.
Sind die Beine geschwollen, legt der Physiotherapeut der Sportlerin eine Lymphdrainage nahe. Dabei geht es darum, die im akuten und entzündlichen Prozess entstandenen Gewebeflüssigkeiten und Wasserablagerungen in Gang zu bringen. Dazu braucht es aber Fingerspitzengefühl. «Mit einer sanften Massage kann die Sportlerin das Lymphsystem dabei unterstützen, diese Schlackenstoffe abzutransportieren.» Übe man dabei jedoch zu viel Druck aus, verhindere dies den Abfluss der Flüssigkeiten.
Leidet die Sportlerin hingegen unter Muskelkater, wird sie ihn nicht wegmassieren können. «Es schadet nichts, damit den Muskeltonus etwas zu reduzieren.» Die kleinen Faserverletzungen heilten deswegen aber nicht.
Welche Massagetechniken sind empfehlenswert?
Kontraproduktiv ist es, wenn der Sportler mit voller Kraft in «unvorbereitete» Muskeln greift. Wie beim Sport ist deshalb auch bei der Massage ein «Aufwärmen» angezeigt. Es heisst also zuerst, mit der flachen Hand und in langen Bewegungen die Muskeln auszustreichen. Erst danach kommen die Finger, die Handballen oder die Knöchel zum Einsatz – mit stetig wachsendem Druck und in kreisenden oder greifenden Bewegungen. So erreicht die Selbstmasseuse auch tieferliegende Partien. Zum Schluss sollte sie sich einen sanften «Ausklang» gönnen, mit flächigeren und behutsameren Handbewegungen. So beruhigen sich die bearbeiteten Körperpartien wieder.
Die Aufgabe der Hände können je nach Körperstelle Massagerollen oder -stäbe besser übernehmen. Sie existieren in verschiedenen Grössen. Mit ihnen lassen sich die Muskeln grossflächig oder punktuell ausstreichen.

Ausgestrichen werden Muskeln prinzipiell in Richtung Herz. Sonst wirkt die Massage dem Rückfluss des Blutes entgegen, was einen Stau bewirken kann. Das führt wiederum beispielsweise zu geschwollenen Extremitäten.
Wie löst man Triggerpunkte?
Sofern der Schmerzherd der Triggerpunkte nicht mitten in einem grossen Muskel liegt – etwa tief im Gesässmuskel –, kommt die Sportlerin gut daran heran. Dann eignen sich Bälle für die Behandlung. Wendelspiess empfiehlt dazu etwa Tennisbälle oder Igelbälle. Mit einem Golfball kann der Selbstmasseur zwar konzentrierten Druck erzeugen, weil er kleiner und härter ist. Meist ist dieses Vorgehen aber gerade deshalb auch schmerzhafter.
«Die grossen Massagerollen eignen sich weniger, um den Triggerpunkten entgegenzuwirken», sagt Wendelspiess. Ihre «Angriffsfläche» sei dafür zu gross, sie eignen sich deshalb vielmehr, um Faszien auszurollen. «Für die Behandlung schmerzender Triggerpunkte muss man lokaler arbeiten und viel Druck ausüben können», sagt Wendelspiess. Dieser kappe kurzzeitig die Durchblutung, was bewirke, dass sich die verklebten Fasern voneinander lösten.
Creme oder Öl?
Im Grunde eignen sich Massagecremes genauso wie -öle. Und es müssen keine luxuriösen Tropfen sein. «Man kann durchaus auch ein herkömmliches Olivenöl verwenden», sagt der Physiotherapeut. Der Vorteil der Cremes ist, dass sie besser einziehen, keinen Film auf der Haut hinterlassen und einen festeren Griff während der Massage erlauben. Ungeeignet sind hingegen klassische Bodylotions, sie ziehen zu schnell ein.
Was taugen Massagepistolen?

Die derzeit im Trend liegenden «Massage Guns» oder Massagepistolen bezeichnet der Fachmann als «geeignet, um beanspruchte Muskeln durchzuwalken». Um länger bestehende Verspannungen zu lösen, sind sie allerdings nur bedingt geeignet. «Diese gehören in die Hände einer Fachperson.»
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