#MeToo erreicht Chinas FührungSportlerin klagt einen der allmächtigen Parteifunktionäre an
Tennisstar Peng Shuai wirft einem einstigen Vizepremier sexuelle Übergriffe vor, die Staatsführung tut alles, diesen und ähnliche Vorfälle zu vertuschen. Doch manche Frauen wollen nicht länger schweigen.
Im Netz ist der Fall bereits abgeschlossen, die chinesische Führung hat alle Posts entfernt und Konten gesperrt, die vom Leid des Tennisstars Peng Shuai berichteten. Ihr Name und selbst Worte wie Tennis wurden für Suchen gesperrt, Worte wie #MeToo sind es schon lange, denn es gibt in China nicht, was es nicht geben darf. Und dieser Fall von sexueller Belästigung ist für Chinas allmächtige kommunistische Partei besonders heikel: Die 35-jährige Wimbledon- und French-Open-Doppelsiegerin beschuldigt nämlich Zhang Gaoli, einen ehemaligen chinesischen Vizepremier und langjähriges Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros. Es ist das erste Mal, dass eine Frau einem hohen Parteifunktionär öffentlich sexuelle Übergriffe vorwirft.
In ihrem Post auf Weibo, der chinesischen Version von Twitter, berichtete die Sportlerin davon, wie der Politiker und seine Frau sie zu einem Tennis-Turnier nach Hause eingeladen hätten, wo der heute 75-Jährige sie in einen Raum drängte und zu Sex gezwungen habe. «Warum musstest du zu mir zurückkommen, hast mich zu dir nach Hause gebracht, um mich zum Sex mit dir zu zwingen», hiess es in dem Post, der so schnell wieder aus dem Netz verschwand. «Ich kann nicht beschreiben, wie angewidert ich war und wie oft ich mich gefragt habe, ob ich noch ein Mensch bin. Ich fühle mich wie eine wandelnde Leiche.»
Die 2017 in den USA gestartete #MeToo-Bewegung gegen sexuelle Belästigung und sexuelle Übergriffe hat China ebenfalls gestreift. Dutzende Chinesinnen teilten damals ihre Erfahrungen mit sexueller Gewalt im Netz. Fälle aus dem Journalismus wurden bekannt, von den Universitäten, aus dem Sport, aber auch aus der Geschäftswelt. Zunächst liess Peking die Frauen gewähren. Zum Gesicht der Bewegung wurde für viele Zhou Xiaoxuan, eine junge Frau, die einem landesweit bekannten TV-Mann vorwirft, sie missbraucht zu haben. Die Behörden legten ihr nahe, Stillschwiegen zu bewahren, schliesslich handle es sich bei dem Beschuldigten um einen allseits geachteten Mann. Ihre Eltern, beides Staatsbeamte, wurden aufgefordert, die Tochter «zur Vernunft zu bringen». Und schliesslich wurden die #MeToo-Debatten aus dem Netz gelöscht und damit die öffentliche Diskussion über sexuelle Übergriffe in China fürs Erste beendet.
Manche Chefs sind davon überzeugt, dass es ihr Privileg ist, von Untergebenen Sex zu erpressen.
Die Welt der Mächtigen ist in China noch immer fast ausschliesslich männlich. Beobachter sprechen von einer toxischen Mischung von Machtmissbrauch, Korruption und patriarchalischen Strukturen. Manche Chefs sind davon überzeugt, dass es ihr Privileg ist, von Untergebenen Sex zu erpressen. Vor Gericht gelangen die Fälle meistens nicht. Und wenn, sind die Opfer am kürzeren Hebel. Unlängst hat ein Gericht die Klage einer Frau abgewiesen, die einen Manager beim Onlineriesen Alibaba der Vergewaltigung beschuldigte.
Und auch Zhou Xiaoxuan, die der Bewegung in China ein Gesicht gab, hat ihren Prozess verloren. Sie habe keine harten Beweise vorlegen können gegen den TV-Mann, sagte das Gericht. Chinesische Richter schieben die Beweislast in der Regel allein den Opfern zu, sie verlangen eindeutige körperliche Spuren oder noch besser ein Video, das die Attacke belegt.
Zhou zeigte sich enttäuscht vom Urteil und erschöpft von ihrem Kampf. Es sei, als könne nur die andere Seite sprechen, während sie einfach schweigen müsse und zu einer Kriminellen gemacht werde. Doch aufgeben will sie nicht, obwohl ihr nun Verleumdungsklagen drohen. Wie andere Chinesinnen ist sie überzeugt, dass die #MeToo-Debatte bereits etwas bewegt habe. Immerhin gibt es in China inzwischen ein Gesetz, das den Straftatbestand der sexuellen Belästigung überhaupt definiert.
Doch es geht auch darum, dass die Debatte die Frauen ermutigt, über sexuelle Gewalt zu sprechen, ihre Rechte einzufordern und sich nicht mehr alles bieten zu lassen in dem strengen Männer-System. Und nicht nur sie. «Bei sexuellen Übergriffen geht es nicht immer nur um das Geschlecht, sondern um Macht», sagte eine Beraterin von Opfern in China dem britischen «Guardian». «Wenn der Starke den Schwachen verletzt, ist das besonders unfair.»
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