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Analyse zum 100. Geburtstag von Chinas KP
Xi Jinping droht – und das Volk singt

Kämpferisch: Staats- und Parteichef Xi Jinping hat andere Staaten vor einem «Kollisionskurs» gegenüber China gewarnt.
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Und dann, als alles vorbei ist, singen sie gemeinsam: 70’000 handverlesene Gäste auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Nicht etwa die martialische chinesische Hymne, die bestens diese Rede von Staats- und Parteichef Xi Jinping begleitet hätte, intoniert die Kapelle zum 100. Jahrestag der Kommunistischen Partei Chinas, stattdessen die «Internationale». Wohl kaum ein anderes Lied hätte noch schlechter gepasst. Um den Internationalismus, die Völkerverständigung oder gar die Menschenrechte geht es der Partei nicht einmal im Ansatz.

Das chinesische Volk werde ausländischen Kräften niemals erlauben, es «zu schikanieren, zu unterdrücken und zu unterjochen», donnerte Xi. Jeder, der das versuche, begebe sich auf Kollisionskurs mit einer «grossen Mauer aus Stahl, die 1,4 Milliarden Chinesen geschmiedet haben». Wörtlich hiess es, wer dies wage, dem werde «der Kopf blutig geschlagen». Ziel sei es, dass «der chinesische Traum von der grossen Erneuerung der chinesischen Nation» verwirklicht werde. China soll wieder gross und mächtig werden.

Die grösste Streitmacht der Welt

Kommunistisch ist an der Partei eigentlich nur noch der Aufbau: Fast 92 Millionen Mitglieder hat sie inzwischen, nach der katholischen Kirche ist sie die grösste Massenorganisation der Welt. Trotz Chinas wirtschaftlichem Aufstieg, der eher den Gesetzen eines Turbokapitalismus gehorcht, hat die Partei die drei wichtigsten Facetten einer leninistischen Kaderorganisation beibehalten: Sie unterhält einen gigantischen Propagandaapparat, der bestimmt, was gesendet wird und worüber die Zeitungen schreiben. Nur die Partei entscheidet, wer welchen Posten im Land besetzt. Und ihr untersteht die 1927 gegründete Volksbefreiungsarmee, die grösste Streitmacht der Welt.

In einem Land, in dem alles überwacht wird, in dem der Staat selbst Nichtregierungsorganisationen beobachtet und lenkt, sollte eigentlich auch eine Partei irgendwo registriert sein. Aber Chinas Kommunistische Partei ist nirgendwo gemeldet. Nur in der Präambel der chinesischen Verfassung ist sie erwähnt. Entsprechend flexibel wird ihre Rolle interpretiert.

«Ob schwarze Katze oder weisse Katze, wenn sie Mäuse fangen kann, ist sie eine gute Katze.»

Deng Xiaoping

Nach der wirtschaftlichen Öffnung Chinas, Ende der Siebzigerjahre, verwandelte sich die Partei in eine äusserst pragmatische Machtmaschine, ausgerichtet auf ein ständig wachsendes Bruttoinlandprodukt. Die Theorien des Reformpatriarchen Deng Xiaoping muss zwar jedes Kind in der Schule lernen, in Wahrheit sind sie nicht mehr als eine Ansammlung von Aphorismen: «Ob schwarze Katze oder weisse Katze, wenn sie Mäuse fangen kann, ist sie eine gute Katze.»

Seitdem Xi Jinping an der Macht ist, dröhnt der Nationalismus. Die Gremien der KP hat er entmachtet und sich zum beinahe allmächtigen Alleinherrscher aufgeschwungen. Wenn er will, kann er auf Lebenszeit Präsident bleiben, 2018 hat er die Amtszeitbegrenzung abschaffen lassen. Das Xi-Jinping-Denken hat seitdem Verfassungsrang. Was sich dahinter verbirgt, weiss niemand so recht, obwohl es längst eigene Lehrstühle dafür gibt. Wie so oft nimmt die Partei die Details nicht genau.

Das gilt übrigens auch für das Gründungsdatum. Als die ersten Parteijubiläen anstanden, konnte sich im Führungszirkel um Mao Zedong niemand an den exakten Tag erinnern. Hochsommer war es, wohl im Juli – aber wann genau? Kurzerhand nahm man den 1. Juli. Ärgerlich nur, dass die damals in Shanghai anwesenden sowjetischen Berater Protokoll geführt hatten. Der Gründungstag war der 23. Juli 1921. In China weiss das kein Mensch.