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Buch über Landammannfeier
Spiess-Hegglin scheitert vor Bundesgericht

Mit ihrer Beschwerde scheiterte Jolanda Spiess-Hegglin im Bundesgericht.
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Das Bundesgericht ist auf eine Beschwerde von Jolanda Spiess-Hegglin aus formellen Gründen nicht eingetreten, wie aus dem am Mittwoch veröffentlichten Urteil hervorgeht. Der Grund: Die Rechtsvertreterin der ehemaligen Zuger Kantonsrätin hat nach Meinung des höchsten Gerichts «kein Wort» darüber verloren, warum das angefochtene Urteil des Zuger Obergerichts «einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könne».

Der Reihe nach: Die Journalistin Michèle Binswanger – sie arbeitet für Tamedia, die auch diese Zeitung herausgibt – hatte Spiess-Hegglin vor zwei Jahren informiert, dass sie an einer «grösseren Recherche zur Skandalnacht in Zug und den medialen Folgen» arbeite, und sie eingeladen, ihre Sicht der Ereignisse und von deren Folgen darzulegen. Spiess-Hegglin reagierte auf zwei Schreiben nicht, sondern wandte sich an Binswangers Vorgesetzte und in der Folge ans Kantonsgericht Zug.

Verbot erlassen und wieder aufgehoben

Der Journalistin sei unter Strafandrohung zu verbieten, «ein Buch, einen Artikel oder eine andersartige Veröffentlichung zu publizieren, zu verkaufen oder zu vertreiben (lassen)», worin gewisse Vorkommnisse wie das Sexualverhalten oder Alkoholkonsum «thematisiert werden oder Spekulationen diesbezüglich geäussert werden».

Während der Einzelrichter am Kantonsgericht ein entsprechendes Verbot im Sinne einer superprovisorischen Verfügung erliess und später förmlich bestätigte, hob das Obergericht des Kantons Zug dieses Verbot auf Berufung von Binswanger wieder auf. Damit war das Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen abgelehnt – vorerst.

Denn nun wandte sich Spiess-Hegglin ans Bundesgericht und beantragte, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und das vom Einzelrichter erlassene Verbot sei zu bestätigen. Das Bundesgericht erkannte der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu. Damit blieb das ursprüngliche Verbot für die Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens gültig. Wer darin einen Fingerzeig des Gerichts zu erblicken glaubte, dass es das Urteil des Obergerichts aufheben werde, sieht sich nach Publikation des Urteils eines Besseren belehrt.

Michèle Binswanger darf ihr Buch über die «Skandalnacht in Zug und die medialen Folgen» nun veröffentlichen.

Die Frage, ob das Obergericht das vorsorgliche Verbot zu Recht aufgehoben hat, mussten die Lausanner Richter gar nicht beantworten. Denn bevor sich das Bundesgericht in der Sache mit einer Angelegenheit befasst, prüft es, ob eine Beschwerde zu Recht erhoben wurde. Ist dies nicht der Fall, behandelt das Gericht die Beschwerde gar nicht. Im Jahr 2020, der zuletzt verfügbaren Statistik, fällte das Gericht in fast vierzig Prozent aller erhobenen Beschwerden einen sogenannten Nichteintretensentscheid.

Mit diesem Entscheid ist die vorsorgliche Massnahme gegen Michèle Binswangers Buch vom Tisch.

Was war das Problem bei der Beschwerde der ehemaligen Zuger Kantonsrätin respektive ihrer Rechtsvertreterin? Etwas verkürzt dargestellt: Entscheide über vorsorgliche Massnahmen, die vor oder während eines Hauptverfahrens erlassen werden, sind sogenannte Zwischenentscheide. Solche Entscheide können vor Bundesgericht nur dann angefochten werden, «wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können». Warum ein solcher Nachteil droht, muss die Beschwerde führende Person begründen.

Spiess-Hegglins Rechtsvertreterin habe sich zwar zu verschiedenen Voraussetzungen geäussert, warum ihre Beschwerde ans Bundesgericht zulässig sei, heisst es im Urteil. «Sie verliert jedoch kein Wort darüber, inwiefern der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könne.» Dies bloss zu behaupten, «genügt nicht».

«Formalistisch überspitzt»

Mit diesem Entscheid des Bundesgerichts ist die vorsorgliche Massnahme gegen Michèle Binswangers Buch vom Tisch. Selbstverständlich verliert Jolanda Spiess-Hegglin dadurch ihren Persönlichkeitsschutz in keiner Weise. Sie wird eine allfällige Verletzung ihrer Rechte spätestens dann wiederum geltend machen können, wenn das Buch zur «Skandalnacht in Zug und den medialen Folgen» tatsächlich erscheint.

Spiess-Hegglin und ihre Rechtsanwältin nannten das Urteil in einer schriftlichen Stellungnahme «in mehrfacher Hinsicht erstaunlich». Die Begründung des Bundesgerichts sei «falsch und formalistisch überspitzt». Ein Gesuch um eine superprovisorische Massnahme wegen einer drohenden Intimsphären- und Persönlichkeitsverletzung drehe sich ja gerade «im Kern und per se um den drohenden, besonders schweren und nicht wieder gutzumachenden Nachteil». Dieser Nachteil sei in den Rechtsschriften «zur Genüge ausformuliert».

Es werde, so die Kritik, «formelles Recht vorgeschoben, um einen unbequemen Fall nicht behandeln zu müssen». Jolanda Spiess-Hegglin stünden noch immer weitere Rechtsmittel offen, heisst es ohne näheren Angaben in dem Schreiben. Momentan würden «nächste rechtliche Schritte in dieser Angelegenheit» geprüft. 

Urteil 5A_824/2021

Update vom 9.2.2022, 21:25 Uhr: Der Artikel wurde um die schriftliche Stellungnahme von Jolanda Spiess-Hegglin und ihrer Rechtsanwältin ergänzt.