Spaniens dunkle VergangenheitIn Francos Denkmal fand er die Knochen seines Vaters
Als Valerico Canales erschossen wurde, war Fausto Canales zwei. Gefunden hat der Sohn die Überreste des Vaters fast 90 Jahre später – ausgerechnet in Francos grössenwahnsinnigem Tal der Gefallenen.
Die Männer kamen nachts um zwei. Sie riefen Namen, klopften an Türen. Sie hatten eine Liste dabei, auf der stand, wen sie suchen. Einer, den sie aus den Häusern zerrten, war Valerico Canales, ein Tagelöhner und Feldarbeiter. Seine Frau schrie, die beiden Söhne schliefen, während die Schergen ihrem Gefangenen die Arme mit Seilen auf den Rücken banden und ihn mit fünf weiteren Männern und einer Frau aus dem Dorf Pajares de Adaja fortschleppten.
Es war der 20. August 1936, und dass sich die Entführung in dieser Nacht so zugetragen hat, ist durch Regierungsdokumente, Zeitzeugen und die Hinterbliebenen von Valerico Canales überliefert.
Menschen morden
Vier Wochen zuvor war der Spanische Bürgerkrieg ausgebrochen. Wie in vielen Teilen Spaniens gab es hier, in der Provinz von Ávila, noch keine militärischen Fronten, sondern nur Menschen, die zusammengelebt und zusammengearbeitet hatten. Menschen, die jetzt begannen, sich gegenseitig zu ermorden.
Vom spanischen Protektorat Marokko aus hatte General Francisco Franco zum «ruhmreichen nationalen Aufstand» aufgerufen. Organisiert hatte den faschistischen Staatsstreich General Emilio Mola Vidal. «Man muss den Terror säen», befahl er, «man muss den Eindruck von Überlegenheit erzeugen, indem jene, die nicht denken wie wir, ohne Skrupel und ohne Zaudern eliminiert werden.»
In vielen Provinzen kämpfte man nicht in Schützengräben und Panzern, sondern mit Todesschwadronen, die Unbewaffnete jagten und hinrichteten. Gemeindeverwaltungen mussten Listen erstellen, auf denen stand, wer Gewerkschaftsmitglied war und wer Kommunist, was in den Augen der Faschisten das Gleiche war: Rojos, Rote. Der Terror sollte über sie kommen. In manchen Dörfern traf es sogar die Pfarrer.
Valerico Canales war kein Soldat, sondern nur Mitglied des örtlichen Hauses des Volkes, einer Gewerkschaftseinrichtung. Für die Faschisten reichte das, um ihn nachts zu holen, an einem Strassengraben zu erschiessen und in einen ausgetrockneten Brunnen zu werfen. Seine Frau floh mit den Kindern zu ihren Eltern. Ihr Vater, ein Hirte, wollte die Mörder zur Rede stellen, doch die brüllten ihn an: «Geh nach Hause, sonst passiert dir das Gleiche.»
Keine Erinnerung an den Vater
Fausto Canales, der kleinere der beiden Söhne, war in jenem Sommer zweieinhalb Jahre alt. Heute ist er fast 90. Er presst seine Hand an die Stirn, wenn er sich an die Mordnacht erinnern soll. Dann wischt er über den Tisch: «Nichts, ich weiss nichts mehr davon», sagt er.
Er hat keine Erinnerung an seinen Vater. Aber er hat ein Drittel seines Lebens damit verbracht, seinen Vater zu suchen. Es war eine Jagd, die ihn in Spanien fast ein wenig berühmt gemacht hat.
«Das Wichtigste war, zu beweisen, dass es stimmt. Die ganze Geschichte», sagt Fausto Canales jetzt in seiner Stammkneipe, nicht weit weg von seiner Wohnung beim Madrider Bahnhof Atocha. Die ganze Geschichte, die ihn von seinem Heimatdorf Pajares de Adaja zu einem ausgetrockneten Brunnen in Aldeaseca, zu den Staatsarchiven in Ávila und Madrid und schliesslich bis nach Cuelgamuros führte, jenen Ort nordwestlich von Madrid, an dem Franco sich eines der grössenwahnsinnigsten Denkmäler der Welt setzte: das «Valle de los Caidos», das Tal der Gefallenen.
Fausto Canales’ Geschichte und die seines Vaters erzählt viel über die Grauen des Bürgerkriegs, der Franco-Diktatur, der Vergangenheitsbewältigung in Spanien. Der Rückblick und die Aufarbeitung der Verbrechen sind auch heute noch alles andere als selbstverständlich. Sie entzweien das Land. Viele konservative Politiker plädieren für das kollektive Vergessen.
«Anfangs gab es keinerlei Dokumente», sagt Canales. Er mag alt sein, aber er ist voller Energie. Er hat Zahlen, Namen und Orte im Kopf, wie eine Suchmaschine. Verabredet man sich mit ihm per Whatsapp, schickt er Daumen-hoch-Emojis. Fremdsprachige Internetseiten übersetzt er sich mit Google Translate.
Ein armes Leben
Das Leben bei den Grosseltern, sagt er, war arm. Sie lebten in einer Art Verschlag, die Mutter zog in ein Nachbardorf, wo sie einer fremden Familie half, drei Waisen aufzuziehen. «Sie kam aber zu Besuch», sagt Fausto Canales.
Die Brüder halfen den Grosseltern im Haushalt und auf dem Feld. Bei einem Bauern passten sie auf die Melonen auf, mit Tagelöhnern sortierten sie Getreide. Für ihre Ziegenherde hatten die Grosseltern einen Hund, «aber mich brauchten sie auch». Die Grossmutter sei sehr liebevoll gewesen, sie ersetzte ihm den Vater, sagt Canales. Soweit das eben möglich war.
Ein Lehrer überredete den Jungen, an einer Eignungsprüfung teilzunehmen, erst in der Provinzhauptstadt Ávila, dann bei einem Internat in Madrid. Mit fünf anderen Kindern wurde Fausto dort 1946 angenommen, da war er zwölf.
Es war ein faschistisches Internat nach dem Vorbild des deutschen Winterhilfswerks, eine Erfindung der Nazis, sogar das Logo war kopiert. Es war eine Schule für Kinder des Bürgerkriegs, für Kinder, die man auf der Strasse einsammelte oder republikanischen Familien entriss. Familien mit «schlechten Vorfahren», wie es in Francos Spanien hiess. «Viele Kinder waren deutsch», erinnert sich Fausto Canales. «Der Direktor hiess Hans.»
In der Obhut der Feinde
Er war also in der Obhut derer gelandet, die Jahre zuvor seinen Vater erschossen hatten. Er sang ihre Lieder, betete mit ihnen, ass ihr Brot. «Ich habe gelitten. Sie glaubten, ich wisse nicht, was passiert war. Aber das stimmt nicht», sagt Canales. «Meine Familie hatte mich eingeweiht. Aber ich wollte essen und studieren.»
Ein führender Polizist der Falange, der faschistischen Bewegung in Spanien, soll den Zweck dieser Internate einmal so beschrieben haben: «Diese Kinder sind nicht verantwortlich. Und sie repräsentieren das Spanien der Zukunft. Wir wollen, dass sie eines Tages sagen: Ohne Zweifel hat das falangistische Spanien unsere Väter erschossen, aber nur, weil sie es verdient haben.»
«In mir brodelte es»
Im Internat fand Fausto Canales aber auch Gleichgesinnte, sie lasen gemeinsam verbotene Bücher, «in mir brodelte es», sagt er heute. «Ich habe mich selbst ausgebildet.» Er studierte, wurde Landwirtschaftsingenieur, Spezialist für landwirtschaftliche Entwicklung und landete schliesslich – da war er schon verheiratet und Vater von zwei Kindern – im Landwirtschaftsministerium in Madrid.
Auch seine Mutter, die 23 Jahre lang in einem fremden Haushalt gearbeitet hatte, holte er in die Hauptstadt.
Fausto Canales hatte von den Gerüchten gehört, die es von 1959 an im ganzen Land gab. Menschliche Überreste seien ausgegraben worden, an vielen Orten, und mit einem einzigen Zweck: Die Knochen sollten ins Valle de los Caidos gebracht werden.
Das Ausmass ahnte damals noch niemand. Neunzehn Jahre lang hatte der Bau der monströsen Basilika gedauert, die Franco bei Cuelgamuros in einen Granithügel sprengen liess. Überragt wird das Monument von einem 150 Meter hohen Betonkreuz, dem grössten der Welt. Hinter den Seitenkapellen hatte der Diktator jeweils eine mehrstöckige Krypta für Gebeine schaffen lassen. Aber: Es gab viel mehr Platz als Leichen.
Kurz vor der Einweihung liess er im ganzen Land nach menschlichen Überresten aus der Zeit des Bürgerkriegs suchen.
Ursprünglich sollte das Tal der Gefallenen die letzte Ruhestätte für seine Anhänger sein. Doch plötzlich war es offenbar egal, welche Toten in die Krypta kamen, Hauptsache Tote, so viele wie möglich. Das zuständige Ministerium schrieb Briefe an sämtliche Rathäuser Spaniens. Viele Gemeinden antworteten, dass es bei ihnen keine franquistischen Toten gebe, wohl aber «Gräber der Roten Armee».
In der Gegend von Fausto Canales’ Geburtsort erzählte man sich von Knochen, die aus einem ehemaligen Brunnen geholt worden waren. In einem Dorf namens Aldeaseca. Natürlich liess ihn das aufhorchen, er wusste ja von dem Brunnen, in den die Überreste des Vaters geworfen wurden. Mit 65 hörte er auf zu arbeiten und fing an zu suchen.
Die Arbeit eines Detektivs
«Ich arbeitete wie ein Detektiv», sagt er, «es wurde mein Leben. Es war ein fast physischer Drang, alles über meinen Vater zu erfahren.» Er nahm Kontakt auf mit dem um die Jahrtausendwende entstehenden movimiento memorialista, einer Privatinitiative, die unmarkierte Gräber aus dem Bürgerkrieg aufspürt und die Toten identifiziert.
«Die hatten Archäologen und Forensiker im Team.» Er fuhr in die Dörfer seiner Kindheit, sprach mit den Älteren. Auch in Aldeaseca. Aber die Menschen sprachen nicht: «Die sagten alle nichts.»
Dann traf er den Bürgermeister eines Nachbardorfs. Dessen Frau stammte aus Aldeaseca, auch sein Vater war ermordet worden. «Gemeinsam fanden wir einen Mann, der 1959 bei der Exhumierung geholfen hatte», sagt Canales. «Der wollte erst nicht reden, aber nach und nach kamen ein paar Puzzleteile zusammen.»
Zu wenig Leichen
2003 fing Canales mit ein paar Gleichgesinnten an zu graben, mit Schaufeln und Pickel, und stiessen auf menschliche Überreste: Teile eines Schädels, Fingerknochen, mehrere Wirbel, Zähne, einen Fingerhut. Er gehörte der ermordeten Frau aus Pajares de Adaja. Aber es war viel zu wenig, die Leichen waren nicht hier. Nicht mehr.
Fausto Canales war sich jetzt sicher: Sein Vater war ins Valle de los Caidos geschafft worden. «Aber das mussten wir beweisen. Wir mussten an die Quellen, in die Archive. In der Zivilverwaltung der Provinzhauptstadt Ávila.»
Denn das hatte Francos Regime mit den Nazis gemeinsam: Alles wurde penibel verwaltet, dokumentiert und archiviert. Tatsächlich stiess Fausto Canales in Ávila dann auf eine Akte über die «Rekuperation von sieben Leichen» aus Aldeaseca und deren Überführung ins Tal der Gefallenen. Vom 1. bis zum 23. März 1959 waren aus der gesamten Provinz Ávila 18 Kisten mit den Knochen Ermordeter in Francos Denkmal transportiert worden. «Eine davon war unsere», sagt Fausto Canales.
Bei einer weiteren Behörde, der Zentrale des patrimonio nacional, der Verwaltung aller staatlichen Gebäude und Monumente in Madrid, war der Empfang der Kisten dokumentiert. Dort stiess Canales sogar auf eine Karte mit den Fundorten der Knochen und den genauen Massen der Kiste aus Aldeaseca: 120x60x60 Zentimeter. Ihre Nummer war: 198. Ein Protokoll der Anlieferungen.
Ein Mönch half
Im April 2004 fuhr Fausto Canales ins Tal der Gefallenen. Die dortige Verwaltung, eine Zweigstelle des patrimonio nacional, wies ihn ab, aber er wusste, dass in der Basilika jeden Tag um elf Uhr eine Messe gelesen wird – an dem Altar, wo bis 2019 Franco begraben lag.
Er ging hin, traf einen alten Benediktinermönch, und der sagte ihm, dass er schon 1958 in der Basilika war und die Anlieferung der Holzkisten miterlebt hätte. «Ich konnte ihn überzeugen, mir zu helfen», sagt Canales, «er führte mich rechts vom Altar in die Sakristei von Santo Sepulcro.» Kiste 198 befinde sich in der Krypta dahinter, sagte der Mönch. Doch der Zugang war zugemauert.
Fausto Canales schwor sich, beim nächsten Besuch des Valle de los Caidos seinen Vater mitzunehmen. Doch bis dahin sollten noch fast zwanzig weitere Jahre vergehen.
Ein Brief taucht auf
2004 tauchte auch ein Brief auf. Ein Mann namens Evaristo Ayuso aus dem Dorf Fuente el Saúz in der Provinz Ávila hatte sich darin im Alter von 82 Jahren eine Last von der Seele geschrieben. Seiner Frau hatte er das Versprechen abgenommen, die Beichte nicht vor seinem Tod zu veröffentlichen.
Ayuso, ein Hilfsarbeiter, war im August 1936 gezwungen worden, fünf erschossene Männer aus einem Strassengraben mit einem Eselskarren abzutransportieren und in einen ausgetrockneten Brunnen zu werfen. In einem zweiten Brief erwähnt der Mann sieben weitere mit Tüchern zusammengeknotete Leichen an einem Wegesrand in der Nähe von Aldeaseca.
Und er gestand, dass er im Jahr 1959 die fünf Leichen aus dem Brunnen wieder bergen musste, um sie ins Tal der Gefallenen zu überführen. Als Evaristo Ayuso diese Beichte niederschrieb, war Franco schon lange tot und Spanien eine Demokratie, doch noch immer hatte er Angst, zur Rechenschaft gezogen zu werden. Das Testament führt dazu, dass auch andere Familien auf Kiste 198 aufmerksam wurden. In ihr befanden sich die Überreste von insgesamt zwölf Menschen.
2007 erliess die sozialistische Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero ein Gesetz zur Erinnerungskultur, das Ley de Memoria Histórica. Erstmals wurde eine staatliche Kommission gegründet.
Im Oktober 2008 wurde eine gerichtliche Untersuchung zugelassen. Exhumierungen aus dem Valle de los Caidos waren zwar auch damals noch nicht vorgesehen, aber der Kampf von Fausto Canales hatte das Interesse der Medien geweckt. Ein Foto der spanischen Presseagentur EFE aus dem Jahr 1959 tauchte auf. Es zeigt, wie Arbeiter am 23. März 1959 Kisten mit Gebeinen von Bürgerkriegsopfern in der Krypta des Valle de los Caidos verstauen.
Und was für ein Zufall, auf einer der Kisten am linken Bildrand ist eine Nummer zu lesen: 198.
Doch dann war plötzlich wieder Schluss mit der Aufarbeitung der Vergangenheit. 2011 kam die konservative Regierung von Mariano Rajoy an die Macht, und der hatte schon 2008 gesagt: «Ich würde nicht einen Euro für diese Zwecke geben.» Eine Exhumierung im Valle de los Caidos ist damit ausgeschlossen, das Monument ist in Staatsbesitz, das Hausrecht üben Benediktinermönche aus.
Erst als die Sozialisten 2018 zurück an die Regierung kamen, ging es wieder voran. 2019 werden Francos Überreste aus den Marmorplatten am Altar in der Krypta geholt und in einen Friedhof in Madrid umgebettet. 2022 wird das Valle de los Caidos in Valle de Cuelgamuros umbenannt.
Ein erweitertes Gesetz zur Erinnerungskultur sieht nun auch die Exhumierung der ins Valle zwangsverlegten toten Republikaner vor. Noch im Frühjahr 2023 versuchten die konservative Partei Partido Popular, rechte Gruppierungen und die für das Tal zuständige Bürgermeisterin, die Exhumierungen zu verhindern, die sie als Grabschändungen bezeichnen. Aber im vergangenen Sommer war es doch endlich so weit.
33’833 Leichen sind dokumentiert
Das für «demokratische Erinnerung» zuständige Staatssekretariat der Regierung in Madrid schickte die bekanntesten Experten des Landes, Kriminaltechniker, Archäologen, Zahntechniker, Forensiker, Genetiker in die Krypta im Valle von Cuelgamuros. Allein in der Seitenkapelle von Santo Sepulcro lagen die Überreste von 4266 Menschen in mehr als tausend Kisten.
Insgesamt sind in der Basilika 33’833 Leichen dokumentiert.
Fotos der Ermittler zeigen, dass das Holz der Kisten in den vergangenen Jahrzehnten feucht und morsch geworden ist. Die Kisten sind zusammengesunken. Aber der Inhalt ist noch da.
Im Inneren der Basilika wurde ein forensisches Labor mit Röntgengeräten, Mikroskopen, Messgeräten, Spezialtischen und Beleuchtung eingerichtet. «Die psychologische und physische Barriere zur Krypta ist durchbrochen», sagte die Historikerin Queralt Solé in spanischen Medien. Sie hatte das Team beraten. Mittlerweile haben Angehörige von rund 150 Familien den Antrag gestellt, Leichen aus dem Tal von Cuelgamuros zu exhumieren.
Das Expertenteam konnte die Kiste Nummer 198 identifizieren. Neben Knochen fand man Sohlen von Schuhen, eine Gürtelschnalle, ein Feuerzeug, eine Taschenuhr der Marke «G. F. ROSKOPF». Schädel mit Einschusslöchern wurden geborgen, fotografiert, vermessen. Aus Oberschenkelknochen gewannen die Forensiker genügend DNA, um ein Dutzend Leichen zu identifizieren. Unter ihnen Fausto Canales’ Vater Valerico. Die Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung beträgt 99,9999998 Prozent, sagen die Forensiker.
Brief an den Vater
Bei einer Zeremonie im Heimatdorf von Fausto Canales überreichte der Minister des Präsidialamts den Angehörigen persönlich die Überreste. Und Fausto Canales, überwältigt von seinem Sieg gegen das Vergessen, schrieb einen Brief an den Vater, den er nie kennen gelernt hat.
«Lieber Vater, es ist das erste Mal, dass ich dir schreibe.», beginnt der Brief, «Seit mir bewusst wurde, dass du von uns gegangen bist, habe ich nicht aufgehört, an dich zu denken.» Und später: «Ich möchte, dass du weisst, dass ich mich während meines gesamten Lebens darum bemüht habe, deinem Beispiel zu folgen, als arbeitender Mensch und Kämpfer für Frieden und Gerechtigkeit.»
Der Tatort
Gelegentlich kommt Fausto Canales noch ins Tal von Cuelgamuros, so wie an diesem Spätherbsttag. Im Inneren der Basilika faschistische Statuen und Gemälde. Gleich hinter dem Eingang steht, wem dieses Monument zu verdanken ist: «Francisco Franco Caudillo de España». Darunter eine Erinnerung an den Besuch von Papst Johannes XXIII. im Jahr 1960.
Vorn beim Altar lässt die unterschiedliche Färbung der Bodenplatten noch erkennen, wo bis 2019 Francos Grab war. Nur wenige Schritte rechts davon ist die Kapelle von Santo Sepulcro. Fausto Canales läuft auf sie zu, dreht sich um und sagt: «Dahinter haben sie meinen Vater gefunden.» Rein kommt man nicht. Der Ort wird als Tatort behandelt. Aber gegenüber ist eine weitere Sakristei. Der von Franco für gefallene Faschisten benutzte Weihespruch steht noch über dem Eingang: «Gefallen für Gott und für Spanien».
Die Überreste von mindestens 33’833 Leichen liegen noch in den Beinkammern rechts und links hinter den Mauern von Francos gewaltiger Basilika. Ein Drittel dieser Menschen waren Republikaner, schätzen Historiker. Es sind Leichen, die ohne das Wissen und ohne Einverständnis ihrer Angehörigen aus namenlosen Gräbern geholt und hierhergeschafft worden waren, weil Franco sein Monument befüllen wollte.
Noch bis 1983 wurden Knochen in die Basilika überführt, da war Franco längst tot und Spanien hatte eine demokratische Verfassung.
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