Analyse zu den steigenden Covid-FallzahlenSollen wir weiterfeiern – oder bremsen?
In Österreich herrscht Lockdown. In der Schweiz ist es bis auf weiteres eine private Entscheidung, ob man beim Vorweihnachtsrummel mitmachen will oder nicht.
Es war einiges los am Sonntagabend in Wien, kurz vor Beginn des landesweiten Lockdown: Die Strassen waren voll, der Glühwein floss, die Menschen prosteten in Richtung der TV-Kameras. Masken? Fehlanzeige.
Man kann es verstehen, einerseits. Wir wissen inzwischen, wie sich so ein Lockdown anfühlt. Dass da viele die Freiheit geniessen wollten, solange sie durften – das kann man nachvollziehen. Andererseits kommt man schon ins Grübeln angesichts dieser Bilder. Wie dringend braucht der Mensch die Versammlung vor dem vorweihnachtlichen Glühweinstand? Diese Frage stellt sich selbst ohne konkrete Lockdown-Perspektive auch in der Schweiz.
Denn die Fallzahlen steigen auch bei uns, ebenso steil wie in den Nachbarländern, die inzwischen verschärfte oder auch wirklich scharfe Massnahmen eingeführt haben. Während die Schweizer Behörden warten und die Epidemiologen warnen, sind persönliche Entscheide gefragt. Will man weiterfeiern? Sich prophylaktisch verkriechen? Oder irgendetwas dazwischen?
Es gibt vorsichtige Menschen – und andere, die den Tanz auf dem Vulkan suchen.
Wie unterschiedlich die Antworten ausfallen, zeigt sich in den Zügen, in denen viele die Maske absetzen, sobald der Kontrolleur vorbei ist – und andere die Flucht ergreifen, wenn einer im Nebenabteil einen Schluck aus der Wasserflasche nimmt. Und man sieht es am Konzert, im Club, auf der Strasse: Die einen tragen selbst dort Masken, wo sie nicht müssten. Andere lassen sie weg, wo sie nicht dürften.
Die Unterschiede haben nicht nur mit dem Streit um die Corona-Massnahmen zu tun, sie sind auch eine Frage des Naturells. Es gibt Einzelgänger und Herdentiere, vorsichtige Menschen und unbekümmerte. Die einen halten sich an Empfehlungen, andere warten auf Verbote, einige foutieren sich um beides. Manche suchen die Sicherheit, andere den Tanz auf dem Vulkan.
Der Vulkan – das ist derzeit der Glühweinstand, der Weihnachtsmarkt, die voll besetzte Veranstaltung. Man darf hingehen, niemand verbietet es. Aber man muss nicht ängstlich sein, um festzustellen: Zumindest ohne Maske ist es nicht besonders schlau.
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