Novartis, Nestlé, ClariantSo wollen Schweizer Konzerne klimaneutral werden
Firmen aus CO₂-intensiven Branchen machen sich daran, ihre Emissionen zu senken – mit Aufforstung, Bioethanol-Anlagen und Milliardeninvestitionen.
Flugreisen, Gebäudedämmung, Fleischkonsum – bei allen Diskussionen um die Auswirkungen aufs Klima ist vielen nicht klar: Einen erheblichen Anteil am Ausstoss von Klimagasen haben Konzerne. Die Industrieproduktion ist in der Schweiz für 24 Prozent der CO₂-Emissionen verantwortlich.
Die Firmen werden nicht darum herumkommen, sie zu senken. Sie wissen das, und viele haben deswegen begonnen, sich eigene Ziele zu setzen. Da wird es spannend, denn es zeigt sich daran, ob und wie sich Klimaschutz tatsächlich umsetzen lässt.
Das vom UNO-Klimarat vorgegebene Ziel lautet, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu halten. Um es zu erreichen, muss die Welt bis 2050 die Produktion von Klimagasen auf netto null reduzieren. Das heisst, dann noch bestehende Emissionen müssen aus der Atmosphäre entzogen und sicher gespeichert werden.
Novartis will bis 2040 komplett emissionsfrei sein
Der Pharmakonzern Novartis will es schaffen, bis 2030 weltweit klimaneutral zu werden. Allerdings nur, was seine eigene Produktion und die dafür eingekaufte Energie betrifft. Diese beiden Bereiche heissen in der Klimaschutz-Terminologie Scope 1 und Scope 2. Der Scope 3 allerdings ist die schwierigste Stufe, denn sie umfasst alle CO₂-Emissionen der Zulieferer. Novartis strebt an, dass die Lieferkette im Jahr 2040 das Netto-null-Ziel erreichen soll.
«Wir haben rund tausend Zulieferer und prüfen gerade, welche dieses Ziel erreichen», sagte Novartis-Chef Vas Narasimhan kürzlich an einer Investorenkonferenz. Er schloss nicht aus, dass dies zu Veränderungen in der Beschaffung und zu zusätzlichen Investitionen führen wird.
«Wir haben viele CO₂-Emissionen an andere Länder ausgelagert.»
Bei der Zulieferkette wird es nicht nur bei Novartis kritisch, sondern in der Schweiz insgesamt. «Wir haben viele CO₂-Emissionen an andere Länder ausgelagert», sagt Mathias Binswanger, Volkswirtschaftsprofessor der Fachhochschule Nordwestschweiz.
In der Schweiz gibt es kaum eine Industrie, die selbst einen hohen Ausstoss hat. Binswanger betont, dass es deswegen wichtig sei, besonders auf die Scope-3-Emissionen zu schauen. Zudem müssten Firmen den Klimaschutz in ihr Geschäftsmodell einbeziehen.
Clariant startet mit Bioethanol-Herstellung
Clariant strebt das an. Der Baselbieter Chemiekonzern investiert derzeit in einen neuen Geschäftsbereich: Die neue Sunliquid-Produktionsanlage startet diesen Oktober. Sie wird Bioethanol aus landwirtschaftlichen Reststoffen herstellen.
Allerdings stellt Clariant auch weiterhin Chemikalien für die Öl- und Gasförderung her. Technologiechef Martin Vollmer begründet das so: «Wir wollen die Transformation in diesem Sektor begleiten und dort die Effizienz steigern, was mitunter sogar mehr CO₂-Ersparnisse bringen kann als andere Projekte mit erneuerbaren Energien.»
Clariants Klimaziele: Bis 2030 minus 40 Prozent bei Scope 1 und 2 im Vergleich zu 2019 sowie minus 14 Prozent bei eingekauften Gütern und Dienstleistungen (Scope 3).
Holcim und Nestlé wollen mit Klimaschutz vorwärtsmachen
Einer der grossen Klimatreiber ist die Zementindustrie. Reduktionsziele sind in dieser Branche besonders wichtig. Der weltgrösste Zementhersteller Holcim mit Sitz in Zug will seine Treibhausgase bis 2030 um 21 Prozent pro Tonne im Vergleich zu 2018 senken – jedenfalls, was die Zementherstellung und den dafür benötigten immensen Energiverbrauch betrifft.
Die Scope-3-Emissionen sollen um 20 Prozent sinken, hier geht es vor allem um den Transport der Ausgangsmaterialien.
Ein noch höheres Erwärmungspotenzial als Holcim hat Nestlé. Der Grund ist die Landwirtschaft, die mit CO₂, Methan und Lachgas viele Klimagase ausstösst. Knapp zwei Drittel der Klimaemissionen des Konzerns rühren daher.
«Es ist klar, dass regenerativer Ackerbau und Aufforstung bei uns im Fokus stehen, um auf netto null zu kommen», erklärt eine Sprecherin. Spätestens 2050 will Nestlé bei allen drei Emissionskategorien auf netto null sein. Bis 2030 sollen die absoluten Emissionen um 50 Prozent sinken.
«Über die nächsten fünf Jahre investieren wir 3,2 Milliarden Franken», sagt die Sprecherin. Unter anderem soll damit die regenerative Landwirtschaft der Zulieferbetriebe gefördert werden. Und der Konzern will 200 Millionen Bäume bis 2030 pflanzen.
Die Nagelprobe kommt erst noch
«Es ist wichtig, dass die Klimaziele auch kontrolliert werden», sagt Ökonom Mathias Binswanger. Damit Unternehmen hier vergleichbare und damit kontrollierbare Ziele verfolgen, gibt es die Science Based Targets Initiative, bei der auch der WWF dabei ist.
Binswanger warnt aber vor einer Umsetzungslücke. «Denn die Netto-null-Ziele und die Gewinnziele der Konzerne und ihrer Aktionäre widersprechen sich zum Teil.» Es müsse sich erst zeigen, ob Firmen wirklich bereit seien, aus lukrativen, aber klimaschädlichen Geschäften auszusteigen.
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