Fragen und Antworten zum JapankäferSchädling eingeschleppt – Zürcher Behörden schlagen Alarm
Erstmals ist nördlich der Alpen eine Japankäferpopulation aufgetaucht. Nun starten die Behörden eine drastische Bekämpfungsaktion. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Zürichs neuster Schädling ist fast so gross wie ein Fünfrappenstück, hat an jeder Seite des Hinterleibs kleine weisse Haarbüschel und frisst jede Pflanze, die er antrifft: der sogenannte Japankäfer (Popillia japonica), ursprünglich in Japan beheimatet, befindet sich auch in der Schweiz auf dem Vormarsch. 2017 wurde er erstmals im Kanton Tessin nachgewiesen. Jetzt ist der gefürchtete Vielfrass auch im Kanton Zürich aufgetaucht.
In Kloten sind seit dem 12. Juli zahlreiche Japankäfer in Fallen gefunden worden, wie Vertreterinnen und Vertreter des Kantons, des Bunds und der Stadt Kloten am Dienstag an einer kurzfristig anberaumten Medienkonferenz bekannt gaben. Das heisst: Die Zeichen stehen auf Alarm.
Erster Befall auf der Alpennordseite
Der Fund ist nämlich weit über die Kantonsgrenzen hinweg bemerkenswert: Es handelt sich um den ersten Befall einer ganzen Population auf der Alpennordseite. Sollten sich die erwachsenen Tiere in den nächsten Wochen vermehren, wäre das für die ganze Kulturlandschaft verheerend.
Deshalb haben die Behörden bereits Sofortmassnahmen zur Bekämpfung der Käfer eingeleitet. Diese betreffen sowohl öffentliche Grünflächen als auch private Gärten und sollen in den kommenden zwei Wochen umgesetzt werden, wie es an der Medienorientierung hiess. Direktbetroffene würden entsprechend informiert.
Mit dem raschen Handeln in der sogenannten Tilgungsphase will der Kanton verhindern, dass die Tiere ihre Eier demnächst im Boden ablegen. Giselher Grabenweger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle Agroscope, sagte an der Medienkonferenz: «Wir haben ein kleines Zeitfenster von ein bis zwei Wochen, das wir nutzen müssen.»
Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema:
Wo befindet sich der aktuelle Befallsherd?
Der akute Befallsherd befindet sich in einem Umkreis von zwei Kilometern rund um die Fussballanlage Stighag in Kloten östlich des Flughafens. In diesem Gebiet kommt es zu einem Insektizideinsatz an Wirtspflanzen des Japankäfers, etwa Rosen, Obstbäume, Beerensträucher. In einem Umkreis von weiteren 5 Kilometern gilt eine Pufferzone. Auch da werden Massnahmen eingeleitet.
Von der Pufferzone betroffen sind Gebiete in den Gemeinden Bachenbülach, Bassersdorf, Brüttisellen, Brütten, Bülach, Dietlikon, Dübendorf, Embrach, Glattbrugg, Höri, Kloten, Lindau, Lufingen, Niederglatt, Niederhasli, Nürensdorf, Oberembrach, Oberglatt, Oberhasli, Opfikon, Regensdorf, Rorbas, Rümlang, Wallisellen, Winkel und Zürich.
Wann findet der Insektizideinsatz statt?
In den Gebieten rund um die Fussballanlage Stighag, wo am meisten Käfer gefunden wurden, werden die Wirtspflanzen voraussichtlich ab diesem Donnerstag einmal gezielt mit einem Insektizid behandelt. Direktbetroffene werden informiert.
Warum braucht es einen Insektizideinsatz?
Der Insektizideinsatz sei die einzige zielführende Massnahme, sagte Ursina Wiedmer, stellvertretende Chefin des Amts für Landschaft und Natur. Zum Zug kommt das Insektizid Acetamiprid. Dieses sei für die Bekämpfung diverser Schädlinge etwa im Obstbau zugelassen und habe neu auch eine Zulassung für die Bekämpfung des Japankäfers vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. Gemäss Wiedmer ist es sehr wirkungsvoll. Und: «Es gilt: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.»
Ist das Insektizid schädlich?
Bei fachgerechter Anwendung sei das Insektizid nicht schädlich für Menschen und Säugetiere. Wichtig sei, dass das Mittel vollständig trockne, bevor die Pflanze berührt werde (nach ein bis zwei Stunden). Gemüse, Früchte und Beeren, die mit dem Insektizid behandelt wurden, können erst nach einer Wartefrist von drei Wochen konsumiert werden.
Was kommt sonst noch zum Einsatz?
Daneben kommen auch spezielle Netze zum Einsatz. Diese werden mit Insektizid behandelt, und darunter wird ein Lockstoff angebracht, um die Käfer anzulocken. Durch die Berührung mit dem Insektizid sterben die Käfer ab. Die Netze sollten nicht berührt werden und werden deshalb markiert und abgesperrt. Andere Insekten werden vom Lockstoff nicht angelockt.
Welche weiteren Massnahmen gelten in Kloten und in der Pufferzone?
Zudem gilt in Kloten ab sofort und bis Ende September ein Bewässerungsverbot für Rasen- und Grünflächen, beispielsweise mit Sprinklern. Auch das soll verhindern, dass die weiblichen Käfer ihre Eier in nassen Böden ablegen, wie es an der Medienkonferenz hiess.
Der Kanton hat eine Allgemeinverfügung erlassen, wie Ursina Wiedmer sagte. Deshalb könnten bei Verstössen auch Bussen ausgesprochen werden. «Aber wir hoffen sehr auf die Mitarbeit der Bevölkerung und dass es das nicht braucht.»
Pflanzen in Gartenbeeten und Töpfen dürfen weiterhin gegossen werden. Grüngut, Kompost, Pflanzen mit Wurzeln in Erde oder organischem Substrat und Bodenmaterial darf nicht mehr aus Kloten hinaustransportiert werden.
In der restlichen Pufferzone gilt, dass bis Ende September kein Grüngut hinaustransportiert werden darf. Ähnliche Regeln gelten auch im Tessin.
Auf welcher Rechtsgrundlage beruhen die Massnahmen?
Der Kanton verweist dazu auf eine am Montag von ihm erlassene Allgemeinverfügung, welche die Rechtsgrundlage für die jetzigen Massnahmen bildet. Darin steht: «Wer dieser Allgemeinverfügung nicht Folge leistet, wird nach Art. 292 des Schweizerischen Strafgesetzbuches mit Busse bestraft.» Und: Einem allfälligen Rekurs gegen diese Allgemeinverfügung wird die aufschiebende Wirkung entzogen.
Was passiert, wenn sich jemand gegen den Insektizideinsatz im Garten wehrt?
«Grundsätzlich suchen wir immer das Gespräch und eine gütliche Lösung», sagt Wolfgang Bollack, Sprecher der Baudirektion. Man setze auf das Verständnis und die Kooperationsbereitschaft der Bevölkerung. Die Massnahmen seien ja im Allgemeininteresse, gerade auch im Interesse aller, die einen Garten pflegen.
Dürfen die Schädlingsbekämpfer bei Ferienabwesenheit das Grundstück betreten und Insektizid ausbringen?
«Das ist auf der Grundlage der Allgemeinverfügung möglich und wird auch gemacht», sagt Bollack. Denn die Umstände erlaubten keinen Aufschub. «Wir informieren Abwesende über die Anwendung des Insektizids auf privaten Grundstücken und bitten um Verständnis.»
Nützen all diese Massnahmen tatsächlich etwas?
Da die Schädlingspopulation momentan noch klein und auf ein kleines Areal begrenzt ist, bestehen gute Chancen, dass die Tilgung des Käfers gelingt, wie es an der Medienkonferenz weiter hiess. Dafür hofft die Baudirektion auf die Unterstützung und die Mitarbeit der Bevölkerung, die dazu Wesentliches beitragen könne.
Warum ist das Handeln in Kloten so wichtig?
Klar sei, dass derzeit «ganz Europa auf Kloten schaut», wie Peter Kupferschmied, Leiter Fachbereich Pflanzengesundheit im Bundesamt für Landwirtschaft, sagte. «Die Fachwelt verfolgt gespannt, ob sich der Schädling mit unseren Tilgungsmassnahmen stoppen lässt.» Klotens Vizestadtpräsidentin Regula Käser-Stöckli appellierte an die Bevölkerung, die Massnahmen zur Bekämpfung des Schädlings mitzutragen. Es müsse schnell gehandelt werden, schliesslich trage Kloten eine Mitverantwortung gegenüber der Schweiz und ganz Europa.
Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Flughafen und dem Auftauchen des Käfers in Kloten?
Wieso der Japankäfer ausgerechnet in Kloten aufgetaucht ist, lässt sich laut Kupferschmied noch nicht abschliessend sagen. Es sei möglich, dass er über am Flughafen angelieferte Fracht eingeschleppt worden sei. Genauso gut könnte er aber aus Italien und dem Tessin eingeschleppt worden sein, als sogenannter Hitchhiker in einem Auto oder Lastwagen. Übrigens: In Italien trat der Käfer 2017 auch unmittelbar neben dem Flughafen Malpensa auf und breitete sich von da aus weiter.
Wie kam der Japankäfer überhaupt nach Europa?
Der Japankäfer kam über einen weiten Umweg nach Europa. Er wurde bereits in den 1920er-Jahren von Japan nach Amerika transportiert und breitete sich dort stark aus. In den 1970er-Jahren wurde er auf den Azoren heimisch. Von da gelangte er 2017 nach Italien.
Wie erkennt man einen Japankäfer?
Besondere Erkennungsmerkmale des ausgewachsenen, 10 bis 12 Millimeter langen Tiers sind neben den fünf Haarbüscheln an jeder Seite des Hinterleibs seine kupferfarbenen Flügeldecken. So lässt sich der Käfer auch vom Junikäfer oder dem Gartenlaubkäfer unterscheiden. Bei Störungen streckt er zudem beide Hinterbeine von sich.
Wer einen Japankäfer entdeckt, soll diesen einfangen, Beobachtungen notieren und rasch den kantonalen Pflanzenschutzdienst kontaktieren. Der Japankäfer gilt in der Schweiz und in der EU als Quarantäneorganismus und ist melde- und bekämpfungspflichtig.
An wen kann man sich bei Fragen wenden?
Der Kanton hat eine Website und unter der Nummer 044 815 10 00 eine Hotline eingerichtet.
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