Die zehn besten TippsSo wandern Sie sicher und gesund
Wandern gehört zu den gesündesten Freizeitaktivitäten. Dennoch gibt es einige Stolpersteine zu beachten. Ein Experte sagt, worauf es ankommt.
Braucht es zum Wandern auch ein Training? Was hilft gegen den Krampf in der Wade? Was kann ich gegen Knieschmerzen tun? Und gegen Rückenweh? Der Walliser Hausarzt und SAC-Tourenleiter Philipp Salzmann weiss, was man beachten muss.
Seine zehn wichtigsten Tipps:
Training vor der Tour
Besonders Menschen ab 50, die im Alltag viel vor dem Computer sitzen, sollten sich regelmässig – also nicht nur alle paar Monate – sportlich betätigen. Zwar stellt sich die Muskulatur meist zügig auf ungewohnte Belastungen ein, und es kommt auf Wandertouren nur anfangs zu Muskelkater.
Sehnen, Bänder und Knorpel aber benötigen oft mehr Zeit, um sich anzupassen. Nach einigen Tagen könnten sie empfindlich zu schmerzen beginnen, sagt der Allgemeinarzt Philipp Salzmann aus Brig VS.
Nicht zuletzt, weil viele Leute auch beim Wandern oft instinktiv eine ähnliche Haltung einnehmen wie am Schreibtisch: vorgebeugter Oberkörper, hochgezogene Schultern und X-Beine. Insbesondere im Kreuz, im Nacken und in den Knien kommt es dann leicht zu Fehlbelastungen und Beschwerden.
«Leichte Genusswanderungen, die nur etwa ein bis zwei Stunden dauern, brauchen keine besondere Vorbereitung», sagt Philipp Salzmann. Plane man hingegen eine längere Wandertour, seien in den Wochen davor Kräftigungsübungen wie Kniebeugen sehr hilfreich. Um die Kondition zu fördern, empfiehlt er zusätzlich kleine Waldläufe und zur Verbesserung der Beweglichkeit Yoga, Pilates oder Aerobic.
Hilfe gegen Muskelkater
Früher dachte man, Muskelkater werde durch eine Übersäuerung der Muskulatur mit Laktat (Milchsäure) ausgelöst, das der Körper bei Anstrengung verstärkt produziert. Inzwischen aber gehen Fachleute davon aus, dass winzige Risse in den Sarkomeren (den Bereichen des Muskels, die sich unter Belastung zusammenziehen) der Grund sind.
Diese Risse führen zu einer leichten Entzündung, die sich schmerzhaft bemerkbar macht. «Muskelkater tritt vor allem bei ungewohnten Belastungen auf, die viel Kraft erfordern», sagt Salzmann. «Regelmässiges Training ist daher der Feind des Katers.» Spaziert oder joggt man in den Wochen vor einer Tour öfter mal in hügeligem Gelände, kräftigt das die Sarkomere.
Unterkühlung dagegen begünstigt Muskelkater – «beispielsweise, wenn man bei einem strengen Aufstieg schwitzt und anschliessend von einem kalten Bergwind durchgepeitscht wird». Wichtig sei daher, auf einer Wandertour immer genügend Ersatzwäsche dabeizuhaben und gegebenenfalls das T-Shirt zu wechseln.
Kommt es dennoch zu Muskelkater, die schmerzenden Körperpartien abends sanft bewegen und massieren. Auch eine proteinreiche Kost (z. B. Quark, Käse, Hülsenfrüchte, fettarmes Fleisch) und ausreichender Schlaf können die schnelle Regeneration der Muskulatur unterstützen.
Wie Sie Knieschmerzen vermeiden können
Treten während einer Tour Kniebeschwerden auf, sind häufig ungünstige Bewegungsmuster der Grund. Gerade in steilem Gelände verdreht man oft unabsichtlich die Kniegelenke.
Grundsätzlich sollten Sie versuchen, die gesamte Schuhsohle zu nutzen. Das sorgt für optimalen Halt und entlastet die Knie. «Und der beste Schutz für die Kniegelenke ist eine kräftige Oberschenkel- und Gesässmuskulatur», sagt Philipp Salzmann.
Er empfiehlt unkomplizierte Übungen wie das sogenannte Wandsitzen: Sich mit dem Rücken an eine Wand stellen, so weit in die Hocke gehen, bis sich die Beine in einem Neunzig-Grad-Winkel befinden – wie auf einem imaginären Stuhl –, und diese Position so lange wie möglich halten.
Wer oft unter Kniebeschwerden leidet, sollte zur Beratung eine Arztpraxis aufsuchen.
Stärken Sie die Fussgelenke
«Gegen das Umknicken schwor man früher auf hohe Wanderschuhe», sagt Mediziner Salzmann. «Heute dagegen empfehlen wir vor allem das Training der Fuss- und Unterschenkelmuskulatur.»
Denn ein Bergschuh mit hohem Schaft führe leicht zu einer Scheinsicherheit. Hinzu kommt, dass solche Wanderschuhe den Schwung, der beim Umknicken entsteht, einfach an das Knie weiterleiten – was zu weiteren Problemen führen kann. «Man sollte seine Fussgelenke so fit halten, dass sie auch ohne künstliche Stütze stabil sind.» Ein gutes Training seien Barfussgehen, Gymnastik und Tanz, sagt Salzmann.
Er empfiehlt zudem einfache Kräftigungsübungen für den Alltag: Während des Zähneputzens zum Beispiel für eine Weile auf einem Bein stehen. Das stärkt nicht nur die Fussgelenke, sondern schult auch das Gleichgewicht.
Eine weitere Übung, die besonders die Achillessehnen fit hält: Stellen Sie sich barfuss am Rand einer Treppenstufe auf die Zehenspitzen, und halten Sie diese Position für zwei Sekunden. Beugen Sie die Knie anschliessend leicht ein und senken die Fersen bis unter die Höhe der Zehen ab. Verweilen Sie auch in dieser Haltung für zwei Sekunden. Am besten dreimal täglich etwa 15-mal.
Yoga gegen Rückenweh
Schmerzen auf einer Wanderung Schultern, Nacken und Rücken, liegt dies häufig daran, dass der Rucksack schlecht sitzt. Dessen Hüftgurt solle am besten so eingestellt werden, dass das Hauptgewicht nicht etwa auf den Schultern, sondern auf dem oberen Rand des Beckenknochens ruht, empfiehlt Salzmann. Und: «Der beste Schutz gegen Rückenschmerzen ist eine kräftige Bauch- und Rückenmuskulatur. Dieselben Übungen, die gegen einen Bierbauch oder gegen Schwangerschaftsstreifen wirksam sind, helfen auch zur Vorbeugung gegen Rückenschmerzen.» Also zum Beispiel klassische Rumpfbeugen, wie früher im Turnverein.
Darüber hinaus sei alles hilfreich, was die Beweglichkeit des Schultergürtels fördere, von Yoga über Tai-Chi bis hin zur Feldenkraismethode. Denn je steifer die Brustwirbelsäule ist, desto stärker muss der Körper die Flexibilität aus der Lendenwirbelsäule schöpfen, die für starke Rotation nicht geschaffen ist.
Hüpfen statt stretchen
Früher galt das «Aufwärmen» durch intensives Dehnen (Stretching) als Pflicht, egal ob vor einem Fussballmatch, einer Skiabfahrt oder eben einer Wandertour. Inzwischen aber halten die meisten Fachleute klassisches Stretching für eher kontraproduktiv, da es zu einer Überlastung der Gelenke führen kann. Wer falsch oder fehlerhaft dehne, riskiere sogar Verletzungen, sagt Philipp Salzmann.
Experten plädieren dafür, die Muskeln nicht durch Stretching, sondern durch schnelles Gehen oder Hüpfen aufzuwärmen oder durch sogenanntes dynamisches Dehnen: jeweils 10 bis 15 sanfte, wippende Dehnungen, die man rechts und links dreimal wiederholt.
Vielleicht noch wichtiger: «Eine Wanderung sollte man langsam angehen», betont Salzmann, «und erst nach einer Stunde in das angestrebte Tempo kommen.»
Am Ende einer Etappe trage klassisches Stretching übrigens kaum zur Regeneration der Muskeln bei, sagt der Arzt. Stattdessen könnten Sie, falls möglich, die Schuhe ausziehen und, zum Beispiel in einem Bergbach, durch kaltes Wasser stapfen (kneippen). Das regt die Durchblutung des Gewebes an und unterstützt die Muskulatur bei der Erholung.
Richtig bergab gehen
Während des Abstiegs wird das gesamte Körpergewicht bei jedem Schritt ruckartig abgebremst. Insbesondere auf hartem Untergrund und bei Übergewicht kann das die Gelenke stark beanspruchen. Manche Wandernde befürchten dann, dass sich eine Kniearthrose (Abnützung des Kniegelenks) ankündigt.
«Meist sind die Beschwerden aber einfach nur auf fehlende Übung zurückzuführen», sagt Salzmann. «Das Abwärtsgehen ist in unserem normalen Alltag eben nicht vorgesehen.» Der Körper gewöhne sich jedoch schnell daran.
Vor einer längeren Wandertour empfiehlt der Arzt daher Spaziergänge in hügeligem Gelände. Wer in der Stadt wohnt, könne auch im Treppenhaus trainieren.
Auf der Tour selbst ist die richtige Körperhaltung wichtig: Dadurch lasse sich das Gewicht beim Abstieg abfedern. Am besten sollten Sie beim Abstieg den Oberkörper etwas nach vorne beugen, die Knie leicht anwinkeln und darauf achten, dass der Fuss über Ferse, Sohle und Ballen abrollt. So kann man auch bei Fehltritten leichter korrigieren.
Kurze Schritte beanspruchen die Knie beim Abstieg weniger als lange. «Lässt man sich für den Abstieg Zeit, helfen zudem Trekkingstöcke. Hat man es hingegen eilig, begünstigen sie Stolperunfälle», sagt Philipp Salzmann.
Was taugen Kompressionssocken?
Noch vor zwanzig Jahren trugen ausschliesslich Patientinnen und Patienten, die von Venenleiden geplagt wurden, Kompressionssocken – zur Vorbeugung gegen Thrombosen. Seit einigen Jahren aber sind solche Spezialsocken auch bei Menschen ohne Durchblutungsstörungen beim Sport populär.
Ihr Grundprinzip ist ähnlich wie bei den Ausführungen für den medizinischen Gebrauch: Kompressionssocken sind besonders eng gewebt und bauen durch dehnbare Fasern an Knöcheln und Waden Druck auf. Dadurch verringert sich der Durchmesser der Venen – und das Blut fliesst schneller.
Manche Untersuchungen legen nahe, dass zudem die Muskulatur effizienter mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt wird und die Beine weniger ermüden und anschwellen.
Da Kompressionsstrümpfe eng anliegen, bilden sich auch seltener Falten – was Blasen an den Füssen vorbeugt.
Allerdings sind solche Socken relativ teuer. Und viele Fachleute halten sie, wenn kein erhöhtes Thromboserisiko besteht, für eher überflüssig.
Trinken gegen Krämpfe
Gerät man nahe an seine Leistungsgrenze, steigt das Risiko für Muskelkrämpfe, besonders bei grosser Hitze. Dann ist eine ausreichende Versorgung mit Mineralstoffen wie Magnesium besonders wichtig, damit die Reizübertragung zwischen den Nervenzellen in der Muskulatur einwandfrei funktioniert.
Der Körper kann Magnesium nicht selbst bilden, es muss mit der Nahrung zugeführt werden. Besonders reich an diesem Mineralstoff sind etwa Vollkornbrot, Haferflocken, Linsen, Erbsen, Bohnen sowie Nüsse, Milchprodukte und Bananen. Es gibt Magnesium auch in Tablettenform. Doch bereits eine niedrige Dosis von 300 Milligramm Magnesium kann zu Durchfall führen.
«Und längst nicht jeder Wadenkrampf ist auf einen Magnesiummangel zurückzuführen», gibt Philipp Salzmann zu bedenken. Häufig seien solche Krämpfe vielmehr ein Symptom von Fehl- oder Überbelastungen.
Um einen Muskelkrampf zu lösen, hilft es, die betroffene Körperpartie gegen die Kontraktionsrichtung des Muskels zu dehnen: Bei Wadenkrämpfen also fest mit der Sohle auf den Boden auftreten oder den Fuss an den Zehen mit der Hand nach oben ziehen. Auch eine Massage kann die Muskulatur entspannen.
Zudem ist es wichtig, genug Flüssigkeit aufzunehmen: am besten Wasser, Tee oder verdünnte Fruchtsäfte.
Wandern mit Kunstgelenk
Moderate sportliche Aktivität beeinflusst die Lebensdauer künstlicher Gelenke in der Regel positiv. Fachleute raten den Betroffenen, insbesondere solche Sportarten wieder aufzunehmen, die sie vor dem Eingriff betrieben haben. Denn je besser man einen Sport technisch beherrscht, desto eher lassen sich schädliche Fehlbelastungen vermeiden.
Von harten Bergtouren sollten Menschen mit einem künstlichen Gelenk jedoch absehen, allein schon wegen des hohen Sturzrisikos. Wandern dagegen gilt als geradezu ideal. Denn die Beanspruchung der Gelenke bleibt dabei meist moderat.
Dieser Beitrag ist die gekürzte Version eines Artikels, der in der «Schweizer Familie» erschienen ist.
Fehler gefunden?Jetzt melden.