AboVerdauungsprobleme beim SportSo verhindern Sie, dass Magen und Darm rebellieren
Mit den steigenden Temperaturen nehmen auch die Verdauungsprobleme bei Sportlern zu. Warum die Beschwerden auftreten und was Sie dagegen tun können.

Sie sind ein grosses Tabu. Und doch kennen sie zahlreiche Freizeitsportlerinnen und -sportler: die Magen- und Darmbeschwerden während des Trainings oder der Wettkämpfe. Forscher haben in einer Metastudie, die auf acht verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten basiert, festgestellt: Fast drei Viertel der Läufer leidet nach oder während des Sports an Magenkrämpfen und Durchfall. Hinzu kommen Erbrechen, Übelkeit und saures Aufstossen. Mit den steigenden Temperaturen und dem Start der Outdoorsaison rücken diese Beschwerden nun wieder in den Fokus.
Denn sie treten bei heissen Temperaturen häufiger auf als bei kühler Witterung. Zudem machen sie sich mehrheitlich bei Leistungen mittlerer bis hoher Intensität und meist nach rund zwei Stunden bemerkbar. Wer aber glaubt, dass dies ein Problem von Untrainierten sei, der irrt: Auch Fitte bleiben davon nicht verschont. Und sogar die Besten kennen dieses Übel – wie der Westschweizer Spitzenläufer Julien Wanders am Pariser Marathon. Und schliesslich sind Magen-Darm-Geschichten oft auch eine Kopfsache. Denn die Nervosität und der Leistungsdruck, den sich ein Sportler auferlegt, können der Verdauung ebenfalls zünftig zusetzen.
Auch ein Problem der Gewichtheber und Biker
Besonders häufig macht Sportlerinnen und Sportlern der Rückfluss der Magensäure in die Speiseröhre zu schaffen – der sogenannte Reflux. Er manifestiert sich beispielsweise als Magenbrennen. Davon betroffen sind viele Jogger, aber längst nicht nur sie. Untersuchungen haben gezeigt, dass dieses Leiden bei Gewichthebern gar noch häufiger auftritt und auch bei Velofahrern vorkommt.
Reflux hat verschiedene Ursachen: medizinische, wie die Überproduktion von Magensäure; mechanische, wie die Erschütterungen beim Laufen oder Mountainbiken; funktionale, wie beim Schwimmer, der sich in der Waagerechten befindet, was den Fluss der Magensäure in Richtung Speiseröhre begünstigt; aber auch ernährungsbedingte, etwa wenn der Sportler das Falsche oder zu viel isst.
Eng mit dem Reflux verknüpft ist das Aufstossen. Es führt dazu, dass die Sportlerinnen und Sportler rülpsen müssen. Das geschieht besonders, wenn sie vor dem Sport gespeist haben, und vor allem, wenn es sich um schwer verdauliche – also fett-, protein- oder ballaststoffreiche – Nahrung gehandelt hat. Aber auch bei Nahrungsmittelintoleranzen, dann bilden die Bakterien Gase, die entweder hochkommen oder im Darm verbleiben. Beides kann sehr störend oder gar schmerzhaft sein.
Auch Magenkrämpfe, Übelkeit und Durchfall können verschiedene Ursachen haben, und oftmals begünstigen gleich mehrere Faktoren die Beschwerden. Über alle Disziplinen hinweg gesehen, scheint die Umverteilung des Blutes vielfach eine Rolle zu spielen: Bei körperlicher Anstrengung verlagert sich der Blutfluss vom Magen-Darm-Trakt weg hin zu den hart arbeitenden Muskeln, um diese mit Sauerstoff zu versorgen.
Damit stellt der Organismus die geforderte Leistung bereit. Das Nachsehen hat dann aber die Verdauung – und je höher die Belastung ist, desto mehr wird diese zurückgefahren. Und stellt der Verdauungstrakt auf Sparflamme um, will der Körper Unverdautes raschestmöglich loswerden. Der Gang zur nächsten Toilette kann dann zur Notfallübung werden.
So unangenehm und peinlich dieses Thema sein mag, für Betroffene gibt es gute Nachrichten: Der Verdauungstrakt ist trainierbar. Eine Tatsache, die Hobbysportlerinnen und -sportler gern vergessen. Doch Magen und Darm wollen genauso auf eine kräftezehrende Passfahrt oder einen Laufwettkampf vorbereitet werden wie Herz und Muskeln. Dabei muss der Velofahrer oder die Läuferin auch herausfinden, mit welchen Produkten der Verdauungstrakt am besten klarkommt.
Denn: «Dafür gibt es kein allgemeingültiges Rezept, das ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich», sagt Sport- und Ernährungswissenschaftlerin Joëlle Flück. Komme eine Läuferin bestens mit allen Gels klar, vertrage eine andere keinen einzigen und eine dritte nur einen ganz bestimmten. «Wir beobachten, dass Athleten bei säurehaltigen Produkten eher an Aufstossen oder Reflux während des Sports leiden», sagt Flück. (Hier finden Sie eine Liste mit Angaben zum pH-Gehalt verschiedener Sportgetränke.)
Wichtig sei auch, die passende Verpflegungsstrategie zu finden, da grosse Mengen auf einmal eher Verdauungsbeschwerden verursachten. Und erreiche der Körper seine Kapazitätsgrenze, könne dies dazu führen, dass man sich übergeben müsse.
Die Tipps der Expertin
Vielfach reicht es aber nicht aus, Magen und Darm an die körperlichen Belastungen zu gewöhnen. Damit der Verdauungstrakt bei körperlichen Leistungen nicht rebelliert, rät die Expertin zudem Folgendes:
Verzichten Sie vor dem Sport auf Nahrungsmittel, die Blähungen verursachen können – etwa Peperoni, Zwiebeln oder Bohnen.
Begrenzen Sie den Konsum von koffeinhaltigen Getränken, und verzichten Sie ganz auf kohlensäurehaltige.
Seien Sie sparsam mit Produkten, die viel Nahrungsfasern und Fett beinhalten – sie sind schwer verdaulich.
Erhöhen Sie das Trainingsvolumen und die -intensität langsam und schrittweise.
Experimentieren Sie nicht an dem Tag, an dem Sie liefern müssen, sondern zuvor. Testen Sie die Verpflegungsprodukte mindestens dreimal, bevor es ernst gilt. Bauen Sie die Verpflegung in ein belastendes Training ein – etwa während eines Intervalls oder eines langen Laufes.
Essen Sie spätestens drei Stunden vor einer intensiven Belastung.
Trinken Sie regelmässig (aber nicht übermässig) in den Tagen vor der grossen Belastung, damit Ihr Körper gut hydriert ist.
Falls Sie wissen, dass Ihr Verdauungstrakt Probleme machen könnte, erstellen Sie einen Plan B – etwa ein alternatives und angepasstes Zeitziel. Das verhindert Stress, der sich wiederum negativ auf die Verdauung auswirkt.
Suchen Sie sich Hilfe bei einer Fachperson für Sporternährung, falls Sie regelmässig unter starken Magen-Darm-Problemen im Sport leiden, um die Ursachen zu klären und individuelle Lösungen zu finden.
Vermeiden Sie Stress, und setzen Sie sich nicht zu arg unter Leistungsdruck, sonst geht der Schuss – im wahrsten Sinne des Wortes – hinten raus.
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