Die Grossen sehen ihren Reichtum bedroht
Die wichtigsten europäischen Ligen drängen nun darauf, die Saison zu Ende zu spielen, um die lukrativen TV-Verträge zu erfüllen.
Leer. Leere Stadien, leere Spielpläne. Und jetzt auch: leere Kabinen. Es ist die Woche, in der die Massnahmen gegen das Coronavirus europaweit drastischer werden. Und in der der kontinentale Fussball sein böses Erwachen erlebt. In allen möglichen Ligen tagen die Krisenstäbe, es geht um Termine, Verträge und natürlich: um viel, viel Geld.
Nach der Erkenntnis, dass die Corona-Pandemie jegliche Aktivität im Profisport während Monaten lahm legen wird, machen sich die Verantwortlichen ihre Gedanken, ob und wie sie dereinst ihren Betrieb wieder aufnehmen könnten. Vorab drehen sich die Fragen in den grossen Ligen natürlich um das weitere Verfahren mit der aktuellen Saison. Wird irgendwann zu Ende gespielt? Wie? Wann? Und v0r allem: um wie viel Geld geht es?
England: Niemand glaubt an ein ordentliches Ende
In der Premier League ruht der Spielbetrieb, vorerst bis am 3. April, aber natürlich ist es allen und jedem klar, dass es in zwei Wochen nicht weitergehen wird. Das englische Premiumprodukt gilt als die lukrativste Liga der Welt, die 20 Clubs erhalten pro Saison zusammen fast 3 Milliarden Euro für den Verkauf von internationalen und nationalen TV-Rechten. Weil jetzt das letzte Viertel der Saison wegzufallen droht, steht also ein Verlust von etwa 750 Millionen Euro im Raum.
Die Szenarien reichen auch hier von Abbruch über Playoff-Spiele um Europacup- und Abstiegsplätze bis hin zu einer definitiven Wertung nach dem 29. Spieltag. Der FA-Verbandsvorsitzende Greg Clarke geht auf jeden Fall nicht mehr davon aus, dass die Saison noch zu Ende gespielt wird.
Viele Clubs haben ihre Spieler schon mit individuellen Trainingsplänen nach Hause geschickt, etwa der FC Liverpool, der vor dem ersten Meistertitel seit 1990 stehen würde. Acht Vereine kamen bislang in direkten Kontakt mit dem Virus, unter anderen erkrankten bei Chelsea Callum Hodson-Odoi und bei Arsenal Trainer Mikel Arteta.
Deutschland: Fans fordern Solidarfonds
Auch die Bundesliga zählt zu den umsatzstärksten Divisionen in Europa. Die aktuellen Fernsehgelder betragen etwas mehr als eine Milliarde Euro pro Saison total für alle Clubs, Ende der nächsten Spielzeit läuft der Vertrag aus, zur Erneuerung steht ein deutlich lukrativerer Kontrakt im Raum.
Weil sich die Liga erst spät durchrang, den Betrieb einzustellen, musste sie sich viel Kritik gefallen lassen. Vorab bis zum 2. April ruht nun der Ball, wurde an einer Sitzung am Montag beschlossen. Die nächste Tagung ist auf den 30. März angesetzt, die Liga will sich damit für die wichtigsten Entscheidungen mehr Zeit ausbedingen.
An der Sitzung machte Liga-Geschäftsführer Christian Seifert klar, dass ein vorzeitiger Abbruch für nicht wenige Clubs existenzbedrohend sei. Sofern es dereinst gesundheitlich möglich sei, plädiert die Liga für die Forstetzung des Spielbetriebs in Form von Geisterspielen. Denn laut Berechnungen der deutschen Presse-Agentur gehen den Clubs pro Spieltag rund 85 Millionen Euro an Einnahmen aus TV-, Sponsoren und Eintrittsgeldern verloren. Bei neun ausstehenden Spieltagen ist das die Summe von 765 Millionen Euro, welche als bedrohlicher Verlust für den deutschen Fussball alleine durch die Fernseh-Einnahmen im Raum steht.
Wer kommt für diese Ausfälle auf? Die Fans forderten bereits einen Solidarfonds sowie den Verzicht von Funktionären und Spielern auf Teile auf Lohnanteile. Staatliche Hilfen wurden bisher nicht direkt angesprochen, an der Versammlung betonte Seifert indes mehrmals, wie sehr der Fussball in Deutschland ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor sei.
Trainingsrestriktionen gibt es für die Clubs in Deutschland vorerst keine, sie dürfen also weiterhin zusammen als Team trainieren. Das kann sich jeden Tag ändern, wenn die Regierung im Kampf gegen Corona drastischere Massnahmen beschliessen sollte.
Spanien: Reguläres Ende der Saison?
Spanien ist inzwischen das nach Italien am zweitstärksten vom Coronavirus betroffene europäische Land. Ganze Teams wie etwa Real Madrid stehen unter Quarantäne, beim FC Valencia haben sich, wahrscheinlich durch das noch ausgetragene Spiel in der Champions League gegen die Italiener aus Bergamo, mehr als ein Drittel der Spieler angesteckt. Die Wiederaufnahme des Spielbetriebs wurde vorerst auf unbestimmte Zeit verschoben. Auch der für den 18. April angesetzte Cupfinal wurde verschoben – zumal die Halbfinals noch nicht mal zu Ende gespielt sind.
Ebenfalls über eine Milliarde Euro garantiert der Verkauf der TV-Rechte den Clubs. Aktuell gilt noch, dass der Spielbetrieb für mindestens zwei Wochen ausgesetzt wird. Wie es danach weitergehen soll, darüber hat sich die Liga noch nicht beraten.
Weil die EM mit allergrösster Wahrscheinlichkeit verschoben wird, hoffen die grössten Euphoriker (darunter Ligapräsident Javier Tebas) in Spanien jetzt darauf, dass schon Ende April wieder gespielt werden kann – und dann die Saison bis im Juni zu Ende gespielt sein wird. Aktuell deutet indes nichts darauf hin, dass bald überhaupt irgendwo wieder Fussball gespielt werden darf – für das ganze Land gilt eine Ausgangssperre.
Italien: Die Angst der Spieler
Italien ist dem Rest Europas derzeit gezwungenermassen stets einen Schritt voraus bezüglich Corona-Pandemie. Schon früh entschied die Liga, den Spielbetrieb in der Serie A mindestens bis zum 3. April zu pausieren, vor allem auf Druck der Spieler, welche sich unter der rasend schnell ansteigenden Zahl der Fälle immer unwohler fühlten.
Auch in der Serie A kommt das grosse Geld dank Vermarktung der TV-Rechte, 970 Millionen Euro pro Jahr kann die Liga so an die Clubs verteilen. Auch in Italien drängen die Clubbesitzer natürlich nun darauf, die Saison im Mai oder Juni noch zu Ende zu spielen, um das Geld aus den TV-Verträgen nicht zu verlieren.
Kurioserweise ist den Clubs in Italien noch erlaubt, zu trainieren, wenn auch unter strengen Auflagen. Viele jedoch haben sich fürs erste selber aus dem Trainingsbetrieb genommen. Clubs wie Juventus oder Atalanta stehen unter Quarantäne, andere wie Inter Mailand haben sich vorzeitig und offiziell aus allen Wettbewerben zurückgezogen.
Frankreich: Neuer TV-Deal im Sommer
Nach anfänglichen Bestreben, die Liga bis am 15. April vor leeren Rängen weiterlaufen zu lassen, hat die Ligue 1 auf die strengen Bestimmungen in Frankreich reagiert und den Spielbetrieb auf unbestimmte Zeit stillgelegt. Am Dienstag wollen die Verantwortlichen an einer ausserordentlichen Sitzung darüber beratschlagen, wie es weitergeht. Der Final im Ligacup zwischen Meister PSG und Olympique Lyon wurde ebenso verschoben auf ein noch zu bestimmendes Datum.
Der in diesem Sommer auslaufende TV-Vertrag garantiert den Clubs 760 Millionen Euro, mit dem neu verhandelten Kontrakt, der ab nächster Saison greifen würde, verdiente die Ligue 1 mit fast 1,2 Milliarden Euro sogar mehr als die Bundesliga. Ob und wie die Parteien allerdings auf den neuen Deal einsteigen, ist mit der aktuellen Situation, in der auch ein pünktlicher Beginn der neuen Saison gefährdet ist, noch sehr unklar.
33'000 Zuschauer in St. Petersburg
Es gibt in Europas Fussball tatsächlich noch Ligen, in denen vorerst, und unter Ausschluss des Publikums, weitergespielt wird. In der Türkei gab es am Wochenende eine komplette Runde Geisterspiele, in Russland waren bis am Wochenende je nach Präfektur gar noch Zuschauer zugelassen. Zenit St. Petersburg besiegte Jekaterinburg noch am Freitag vor 33'000 Zuschauern mit 7:1, am Dienstag dann informierte die Liga, dass vorab bis zum 10. April die Ligen in Fussball, Basketball und Eishockey pausieren. In Schweden und der Ukraine wird zurzeit noch vor leeren Rängen gespielt.
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