Wegen westlicher SanktionenSo retten russische Oligarchen ihre Superjachten
Aus Angst, ihre Luxusboote zu verlieren, schalten einige superreiche Russen laut einer Recherche das vorgeschriebene Ortungssystem aus.
Weltweit sind westliche Behörden auf der Suche nach Vermögenswerten russischer Oligarchen. Allein die EU hat bislang 10 Milliarden Euro an Oligarchenkapital eingefroren. Rund 2,3 Milliarden davon betreffen die Superjachten der kremlnahen Milliardäre. Die EU-Kommission wies jedoch auf die Schwierigkeit hin, das Vermögen von Oligarchen zu erkennen, weil diese ihre Besitztümer mit «komplexen Strukturen» versteckten. Wie die superreichen Russen ihre teilweise über 100 Meter langen Schiffe offenbar «zum Verschwinden» bringen, zeigt eine umfassende Recherche des britischen «Observer».
Besatzungsmitglieder schrauben Tracker ab
Ab einer bestimmten Grösse müssen die Jachten mit einem sogenannten Automatic Identification System (AIS) ausgestattet sein. Das schreibt die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) vor. Mit diesem System können die Schiffe überall auf den Weltmeeren geortet werden. Die britische Zeitung hat Daten vom Marktforschungsunternehmen für See- und Luftfahrt, Vessels Value, analysiert. Seit mehr als einem Monat sollen demnach mindestens sechs Superjachten, die mit den sanktionierten Oligarchen in Verbindung stehen, von den globalen Tracking-Karten verschwunden sein.
Laut den Richtlinien der IMO darf das AIS nur ausgeschaltet werden, wenn sich das Schiff in Gefahr befindet. Beispielsweise durch einen Angriff von Piraten. Vom «Observer» befragte Experten glauben jedoch, dass im Fall der «verschwundenen» Oligarchenjachten die Boote absichtlich vom Radarsystem genommen wurden, um sie vor den Behörden zu verstecken.
Ein Besatzungsmitglied einer Superjacht, die mit britischen Sanktionen in Zusammenhang gebracht wird, erklärt dem «Observer»: «Uns wurde gesagt, dass wir das AIS abschalten sollen. Wir haben das dann auch getan und zudem den Schalter des Geräts abgeschraubt.» Viele der Jachten, die mittels solcher Manipulationen versteckt wurden, sollen zuletzt auf den Malediven gesehen worden sein. Die Inselgruppe hat kein Auslieferungsabkommen mit den USA.
Der Analyst Sam Trucker von Vessels Value erklärt dem «Observer»: «Es gibt einige Schiffe, bei denen wir früher alle paar Minuten ein Signal von Transpondern erhalten haben, und jetzt sehen wir Lücken von Monaten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass einige den Schalter umgelegt haben und in den Stealth-Modus gegangen sind.»
Jede zehnte Superjacht gehört einem Russen
Eine der verschwundenen Superjachten wird mit dem Industriellen Oleg Deripaska in Verbindung gebracht. Die 72 Meter lange Clio wurde zuletzt im Schwarzen Meer geortet, in der Nähe der russischen Häfen Sotschi und Noworossijsk. Deripaskas Boot soll nach der Invasion fast 5000 Kilometer von den Malediven durch den Suezkanal und bis zum Schwarzen Meer gefahren sein. Die britische Zeitung vermutet, dass das Verschwinden der Clio auf den Ortungssystemen mit der gefährlichen Situation auf dem Schwarzen Meer zusammenhängt.
Auch der sanktionierte Wiktor Raschnikow hat seine 140 Meter lange Jacht vor den Behörden versteckt. Die Ocean Victory des Oligarchen hatte ihre letzten Standortdaten am 1. März übermittelt. Das Schiff soll sich an einem Ankerplatz auf den Malediven befunden haben.
Weltweit sollen ungefähr 9300 Superjachten auf den Meeren unterwegs sein. Zusammen haben sie einen geschätzten Wert von mehr als 60 Milliarden Franken. Rund zehn Prozent der Schiffe sollen im Besitz von Russen sein, wie der «Observer» schreibt.
Von den sanktionierten Oligarchen hat die britische Zeitung keine Stellungnahme erhalten.
Zuflucht in den Vereinigten Arabischen Emiraten
Der russische Kohle- und Düngerproduzent Andrei Melnitschenko parkiert seine 300 Millionen Dollar teure Motorjacht A vor aller Augen im Hafen von Ras al-Khaimah in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Das schreibt die «Financial Times». Damit habe er sein Schiff ausserhalb der Reichweite von westlichen Regierungen gebracht.
Laut der FT zeige die Anwesenheit der Motorjacht A in den VAE «die Ambivalenz der Golfmonarchie gegenüber den westlichen Sanktionen gegen Russland». Die Regierung der VAE habe gesagt, dass sie ihren neutralen Kurs in Bezug auf den Krieg in der Ukraine beibehalte. Sie fordert jedoch ein Ende der Feindseligkeiten und möchte der Ukraine humanitäre Hilfe leisten. Die FT betont, dass die wirtschaftliche Grundlage von Städten wie Dubai seit langem auf dem Zufluss von Vermögenswerten basiere. Eine Übernahme der Sanktionslisten der EU oder der USA sei von der Regierung der VAE nicht geplant.
Vor dem Krieg in der Ukraine war das Schiff auf der Isle of Man angemeldet. Laut der FT löschte die Insel jedoch die Registrierung der Jacht.
Im Gegensatz zur Motorjacht A konnte die Segeljacht des Milliardärs nicht in Sicherheit gebracht werden. Im März beschlagnahmten italienische Behörden die über 500 Millionen Dollar teure Segeljacht A.
Melnitschenko wurde Mitte März auf die Sanktionslisten der EU und der Schweiz gesetzt. Vor kurzem wurden vertrauliche Dokumente öffentlich, die zeigen, wie der Russe auch Schweizer Sanktionen umgeht. Er überschrieb seine 90-Prozent-Beteiligung an der Schweizer Firma Eurochem an seine Frau Aleksandra Melnitschenko.
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