Cloud-SpeicherSo organisieren Sie Ihr digitales Erbe
Bei Apple, Facebook und Google kann man neuerdings einen Nachlasskontakt einrichten. Das ist sinnvoll – doch es löst längst nicht alle digitalen Erbfragen.
Die Cloud macht alles komplizierter – auch das Ableben. Früher steckten Erinnerungen in Fotoalben, Tagebüchern und in Bundesordnern, die zusammen mit den anderen Hinterlassenschaften an die Erben übergingen. Ebenso konnte man mit digitalen Andenken verfahren, solange sie auf Festplatten, USB-Sticks und selbst gebrannten CDs lagerten.
An Daten, die im Netz bei den grossen Tech-Konzernen gespeichert sind, ist nicht so leicht heranzukommen. Sie sind durch Logins geschützt, und die Sache wird zusätzlich erschwert durch die Schutzmassnahmen, die die Unternehmen in den letzten Jahren eingeführt haben: Die Zwei-Faktor-Authentifizierung macht es erforderlich, dass für den Zugriff aufs Konto nebst dem Benutzernamen und dem Passwort auch ein Einmal-Code notwendig ist, der meist per SMS oder über eine Authenticator-App eingeht. Da diese Schutzmassnahmen griffig sind, kann es passieren, dass wertvolle Erinnerungen für Nachkommen unzugänglich sind.
Nachlasskontakte bei Apple und Facebook
Dieses Problem adressieren die Tech-Konzerne unterschiedlich. Apple hat es vor wenigen Monaten angepackt: In iOS 15.2, dem im Dezember veröffentlichten Update des iPhone-Betriebssystems, gibt es neu die Möglichkeit, Nachlasskontakte einzurichten. Diese Option findet sich in den Einstellungen bei «Apple-ID»: Tippen Sie auf Ihr Account-Bild, öffnen Sie die Rubrik «Passwort & Sicherheit» und hier den Menüpunkt «Nachlasskontakt». Über das Eingabefeld fügen Sie eine oder mehrere Personen hinzu.
Einen Nachlasskontakt gibt es auch bei Facebook. Klicken Sie auf Ihr Porträtbild und navigieren Sie sich durch die Optionen bei «Einstellungen und Privatsphäre» zu «Einstellungen > Allgemein». Wählen Sie rechts die «Einstellungen für den Gedenkzustand». Sie geben einen Kontakt an, der nach Ihrem Tod Ihr Konto verwaltet: Er kann Inhalte entfernen, die Löschung einleiten oder das Konto in einen Zustand versetzen, der Ihr Andenken wahrt.
Auf Wunsch löscht Google alles
Vorkehrungen für Ihr Google-Konto treffen Sie im sogenannten Kontoinaktivität-Manager unter myaccount.google.com/inactive: Sie legen fest, nach welcher Zeit Google Ihr Konto als inaktiv betrachtet, wenn keine Anmeldungen und Interaktionen mehr stattgefinden. Zur Absicherung, dass die Löschung nicht während einer ausgedehnten Reise ohne Internetzugang erfolgt, tragen Sie alternative Kontaktmöglichkeiten ein, über die Google mehrere Anfragen unternehmen würde, bevor das Konto inaktiv wird. Falls Sie unerreichbar bleiben, tragen Sie Personen ein, die informiert würden und, falls Sie das wünschen, Ihre Daten herunterladen dürfen. Als letzte Option bestimmen Sie, ob das Konto gelöscht wird oder erhalten bleibt. Wenn Sie sich fürs Nirvana entscheiden, verschwinden Ihre Daten, namentlich Ihre Videos bei Youtube und Ihre Postings bei Googles Blogging-Plattform Blogger.
Dass Google von «Inaktivität» und nicht vom Tod spricht, klingt nach einer euphemistischen Verdrängung, doch dieser Ansatz hat einen entscheidenden Vorteil: Den Nachkommen werden keine bürokratischen Formalitäten aufgebürdet, wie das bei den anderen Unternehmen der Fall ist. Bei denen muss eine Sterbeurkunde oder ein Berechtigungsnachweis eingereicht werden, bevor der Nachlasskontakt seines Amtes walten kann: Das ist bei Apple der Fall, bei Facebook ebenso.
Erst inaktiv, dann weg
Wie aufwendig dieser Vorgang bei Microsoft ist, lässt sich anhand der Online-Hilfe erahnen. Dort erklärt das Unternehmen, dass es nur auf eine gültige Vorladung oder einen Gerichtsbeschluss hin überhaupt überprüft, ob ein Konto freigegeben wird. Immerhin: Wenn zwei Jahre keine Aktivität mehr stattfindet – und keine Abogebühren mehr beglichen werden –, schliesst Microsoft das Konto von sich aus.
Es zeigt sich: In der Cloud gespeicherte Daten zu übergeben, ist eine knifflige Angelegenheit, zumal Facebook darauf hinweist, dass die naheliegendste Methode – einfach die Anmeldeinformationen zu teilen – nicht erlaubt ist: «Sich beim Konto einer anderen Person anzumelden, stellt immer einen Verstoss gegen die Richtlinien dar.»
Da ist es einfacher, alle digitalen Spuren, die für die Nachkommen einen Wert haben könnten, zentral zu sammeln, sei es auf einer Festplatte, einem USB-Stick oder auf einem Familien-Tablet. Auf diesem Speichermedium deponieren Sie alles von Wert: in erster Linie natürlich Fotos und Videos und Dokumente. Falls Sie eine Website betreiben, sollten Sie dort die Zugangsdaten für die Server hinterlegen, ebenso die Logins für E-Mail. Und falls Sie in Kryptowährungen wie Bitcoin investiert haben, vergessen Sie das Wallet nicht.
Was bleibt – und was nicht
Dieses Speichermedium, das Sie in Ihr Bankschliessfach oder zu anderen wichtigen Dokumenten legen, bietet mehrere Vorteile: Erstens ist alles an einem Ort – was ein beträchtlicher Vorteil darstellt, wenn man bedenkt, auf wie vielen Plattformen und Clouddiensten man seine digitalen Spuren hinterlassen kann. Zweitens fokussieren Sie sich auf das, was wirklich wichtig ist. Auch das ist angesichts der Datenmengen, die wir inzwischen produzieren, eine Entlastung für die Nachkommen: Ihnen bleibt es erspart, Zehn- oder Hunderttausende Fotos, Videos, Office-Dokumente und E-Mails sichten zu müssen.
Drittens haben Sie die Gelegenheit, sich klar zu werden, was Sie hinterlassen wollen – und vor allem auch: was nicht. Da Daten auch auf dem Computer, Smartphone und Tablet verschlüsselt gespeichert werden, gibt es ohne das Benutzerpasswort keinen Zugang zu diesen Daten. Alles, was nur dort vorhanden ist, wird sich in nichts auflösen, wenn das Gerät entsorgt oder zurückgesetzt wird.
Mit anderen Worten: Wir haben es in der Hand, was von uns bleibt. Und auch wenn es hier um die technischen Widrigkeiten ging, steckt darin eine grosse Chance: Wenn wir Computer und Internet als Menschheitsgedächtnis verstehen, dann ist das eine Chance für zukünftige Forscherinnen und Forscher, die riesige Datenbestände zum Durchstöbern haben. Auch die persönliche, digitale Familienchronik wird nicht mehr nur aus ein paar Schwarzweissbildern bestehen – unsere Kinder, Enkel und Urenkel können so viel über uns erfahren, wie keine Generation zuvor. Eine gute Vorkehrung ist daher auch, heute auf Facebook keinen unausgegorenen Unsinn zu posten, für den man sich in 50 Jahren vielleicht schämen muss.
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