Analyse zum «CO₂-Gesetz light»So kommt es in der Klimapolitik zum nächsten Eklat
Nach dem Absturz des CO₂-Gesetzes müssen sich die Politiker zusammenraufen. Stattdessen streiten sie bereits wieder.
Der Kampf gegen die Erderwärmung ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Will die Schweiz ihren Beitrag leisten, muss sie aufs Tempo drücken. Doch genau das geschieht nicht: Weil das Stimmvolk im Juni das neue CO₂-Gesetz abgelehnt hat, muss das Parlament über die Bücher. Es ist das insgesamt dritte Mal, nachdem bereits Ende 2018 ein erster Versuch im Parlament krachend gescheitert war.
Einen weiteren Eklat darf sich die Schweiz nicht mehr erlauben. Mit dem Pariser Klimaabkommen hat sie sich verpflichtet, die Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 um 50 Prozent zu senken; bis jetzt hat sie nicht einmal die Hälfte davon geschafft. Das Parlament muss also eine Vorlage ausarbeiten, die ambitioniert ist.
Aber nicht nur. Sie muss auch austariert sein. Ansonsten wächst die Wahrscheinlichkeit für ein Referendum und damit für eine weitere Volksabstimmung mit ungewissem Ausgang. Nicht nur die SVP, die Siegerin vom 13. Juni, hat an der Urne zuletzt ihre Schlagkraft bewiesen. Mit dem Volks-Nein zum Jagdgesetz hat auch Links-Grün bei einem Öko-Thema unlängst einen Coup gelandet.
Immerhin zeigen sich die Politiker gewillt, den Scherbenhaufen aufzuräumen: 2025 soll das überarbeitete CO₂-Gesetz in Kraft treten. Bis dahin braucht es eine Übergangslösung, welche die bisherige Klimapolitik fortsetzt. Die Umweltkommission des Nationalrats hat diese Woche erste Pflöcke eingeschlagen. Das Reduktionsziel soll bestehen bleiben, die Treibhausgasemissionen sollen also pro Jahr um 1,5 Prozent sinken. Zudem sollen jene Klimaschutzinstrumente weiterlaufen, die auf Ende Jahr befristet und im Grundsatz unbestritten sind.
Den grossen gemeinsamen Plan – es gibt ihn nicht.
Doch selbst dieses «CO₂-Gesetz light» dürfte im Parlament wieder umkämpft sein. Auslöser ist, einmal mehr, der Benzinpreis. Zwar ist man sich einig, dass die Treibstoffimporteure weiter einen Teil der CO₂-Emissionen aus Benzin und Diesel mit Klimaschutzmassnahmen kompensieren müssen und dafür den Preis an der Zapfsäule erhöhen dürfen. Die SVP möchte den Zuschlag bei 1,5 Rappen deckeln – gerade so viel, wie die Autofahrer heute bezahlen. Der Rest will die Obergrenze aber bei 5 Rappen ansetzen – was der Regel im geltenden CO₂-Gesetz entspricht. Bereits drohen SVP-Exponenten mit dem Referendum. Auch wenn solche Drohungen in diesem Stadium einer Vorlage zum taktischen Spiel gehören: Das Beispiel zeigt, auf welch wackeligem Boden die Politik das neue CO₂-Gesetz baut.
Erst recht gilt das für das Nachfolgegesetz für die Klimapolitik ab 2025. Den grossen gemeinsamen Plan – es gibt ihn nicht. Im Gegenteil. Als Reaktion auf den Absturz des CO₂-Gesetzes will Umweltministerin Simonetta Sommaruga keine neuen Abgaben auf Benzin, Heizöl und Flugtickets. Ein Teil der Bürgerlichen dagegen fordert eine Klimapolitik nach dem Verursacherprinzip, neue Subventionen lehnen sie ab. Links-Grün schliesslich setzt auf die Gletscherinitiative, die ein Verbot für fossile Brenn- und Treibstoffe ab 2050 fordert.
Subventionen, Abgaben, Verbote: In diesem längst bekannten Spannungsfeld werden die Politiker das neue Gesetz zimmern müssen. Das Rad neu erfinden können sie nicht. Das zeigt, wie eng der Spielraum letztlich ist. Und wie gross das Risiko, dass auch der vierte Anlauf scheitert – oder nur ein zahnloses Gesetz mehrheitsfähig wird.
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