Pikante Details in ErmittlungsaktenSo half die Deutsche Bank dem Sexualstraftäter Epstein
Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen: Die grösste deutsche Bank ignorierte alle Warnungen vor Jeffrey Epstein. Das zeigen neue Erkenntnisse aus den Ermittlungsakten.
Vor knapp einem Jahr hat sich Jeffrey Epstein im Gefängnis umgebracht. Am Wochenende wurde seine Gehilfin Ghislaine Maxwell an ihrem Versteck im US-Bundesstaat New Hampshire verhaftet und erklärte sich bei der ersten Gerichtsvorladung für unschuldig.
Als Gehilfin muss sich auch die Deutsche Bank sehen, hatte sie Epstein doch wider besseres Wissen als Kunden angeworben und satte Kommissionen kassiert. Das hat diese Woche die «New York Times» aufgedeckt.
Bankangestellte schrieben eine Warnung
Dabei wussten mehrere Investmentbanker, die Epstein betreuten, sehr wohl, wen sie vor sich hatten. In einem internen Memo schrieben Bankangestellte Anfang 2015, sie seien besorgt, dass «vierzig minderjährige Mädchen über sexuelle Angriffe durch Epstein ausgesagt haben».
Diese Warnung sowie eine frühere Verurteilung des Täters hätten die Bank verpflichtet, dessen Gelder besonders sorgfältig zu überwachen. Denn es bestand der dringende Verdacht, dass Epstein seine kriminellen Aktivitäten mit Transaktionen über Tarnfirmen vertuschen wollte.
Tatsächlich nahm die Bank einige Abklärungen vor, doch wurden «nur sehr wenige problematische Transaktionen infrage gestellt», hiess es in der Klageschrift der New Yorker Untersuchungsbehörden gegen Epstein. «Und selbst dann wurden sie ohne befriedigende Erklärung bewilligt.»
Epstein war in Florida 2008 der Vergewaltigung eines minderjährigen Mädchens schuldig gesprochen worden. Er einigte sich aber mit dem Richter – dem späteren Arbeitsminister der Regierung Trump – auf einen äusserst milden Vergleich. Und war nach nur 13 Monaten Gefängnis wieder ein freier Mann.
Topmanager lehnten strengere Kontrolle ab
Damals war noch JP Morgan die Hausbank des Täters. Doch änderte sich das 2013, als sein Bankberater von JP Morgan zur Deutschen Bank wechselte. Er überzeugte das Management, dass jährliche Kommissionseinnahmen von bis zu vier Millionen Dollar das Risiko Epstein wert seien.
Zwei Banker hatten Epstein zu den sexuellen Missbräuchen befragt und «schienen befriedigt» von den Antworten.
Der Chefjurist der Bank, der Chef der Anti-Geldwäscherei-Abteilung und eine interne Kommission gaben gemäss der «New York Times» grünes Licht für den schwerreichen Kunden, der später sein Vermögen auf 578 Millionen Dollar beziffern sollte. Auch hatten zwei Banker Epstein zu den sexuellen Missbräuchen befragt und «schienen befriedigt» von den Antworten, wie die New Yorker Ermittler schreiben.
Schnell begann sich die Beziehung auch auszuzahlen. Bereits seien «mehrere beträchtliche Deals» zustande gekommen, lobte ein Mitglied der internen Untersuchungskommission. Zwar wollte die Chefin der Compliance-Abteilung der Bank die Beziehung zu Epstein strenger kontrollieren, doch «unerklärlicherweise» leisteten die Topmanager diesen Bedingungen keine Folge.
Alle Epstein-Manager verliessen die Bank
Derweil rissen die Medienberichte über das Duo Epstein/Maxwell nicht ab. Deren Privatjet machte als «Lolita-Express» und deren Karibikinsel als «Insel der Orgien» Schlagzeilen. Auch bekamen einzelne Empfänger von Schweigegeldern heisse Füsse und zahlten die «Spenden» von Epstein zurück, darunter die Polizei in Palm Beach.
Bei der Deutschen Bank handelte man erst, als es nicht mehr anders ging. Nämlich als der «Miami Herald» im November 2018 das ganze Ausmass der sexuellen Gewalttaten gegenüber hundert Opfern öffentlich machte. Selbst dann aber schickten Bankmanager noch Empfehlungen für Epstein an zwei andere Finanzinstitute.
Bis auf die Compliance-Chefin haben alle Epstein-Manager die Bank inzwischen verlassen und bei Merrill Lynch, Bridgewater und anderen Finanzinstituten eine neue Stelle gefunden.
Bank zahlt 150 Millionen Dollar
Das Fazit der Strafermittler lässt keinen Zweifel an der Mittäterschaft der Bank. Die Banker hätten ein «sehr reales Risiko» geschaffen, weil sie Transaktionen zuliessen, «die dazu beitrugen, weitere kriminelle Aktivitäten zu vertuschen und noch mehr junge Frauen zu gefährden».
Der Fall Epstein hatte für einige Angestellte, jedoch nicht die verantwortlichen Topmanager, personelle Konsequenzen. Die Bank einigte sich zudem mit der Justiz kürzlich in drei Fällen, darunter die Affäre Epstein, auf einen Vergleich von 150 Millionen Dollar.
Grosszügige Behandlung des Trump-Clans
Das Anwerben reicher Kunden war Teil der aggressiven Expansionspläne der Deutschen Bank in den USA. So war die Bank die letzte an der Wallstreet, die dem Familienclan des heutigen US-Präsidenten Donald Trump noch Kredit gab, als alle anderen nichts mehr mit dem mehrfachen Bankrotteur zu tun haben wollten.
«Es stellt sich die Frage, ob die Deutsche Bank die Trump-Organisation gegenüber anderen Firmen bevorzugt behandelt hat und ob die Regierung im Gegenzug bereit ist, der Bank regulatorische Vorteile zu gewähren», schrieben vier demokratische Senatoren dieses Frühjahr. Gemeint war eine Ermittlung des US-Justizministeriums, die klären soll, ob die Bank in die Geldwäscherei – unter anderem mit Trump-Schwiegersohn Jared Kushner – involviert gewesen war.
Zwar musste die Bank deswegen bereits eine Busse von 100 Millionen Dollar zahlen. Doch ist der Verdacht, dass Trump selber involviert war, noch nicht ausgeräumt. Das höchste Gericht des Landes verpflichtete vergangene Woche Trump darauf, seine Finanzunterlagen der New Yorker Staatsanwaltschaft herauszugeben, doch bleiben die Dokumente zur Deutschen Bank bis nach den Wahlen unter Verschluss.
*In einer früheren Version des Artikels hiess es, dass es keine personelle Konsequenzen gab. Zudem wurde präzisiert, dass es beim Vergleich nicht nur um den Fall Epstein geht.
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