Mini-LED kurz erklärtSo funktioniert die neue Bildschirmtechnologie
Computerhersteller, TV-Firmen und nicht zuletzt Apple setzen auf Mini-LED. Wir erklären, worum es sich hierbei handelt.
Schon wieder eine neue Bildschirmtechnologie? Das ist doch pures Marketing wie bei den gebogenen oder den 3-D-Screens.
Nein. Anders als die beiden Flop-Technologien, die sich heute höchstens noch in Nischen bewähren (Gamer mögen die gebogenen Bildschirme), steckt durchaus Potenzial in Mini-LED. Es handelt sich dabei nämlich weniger um eine Revolution als eine Weiterentwicklung der bewährten LCD- oder auch LED-Bildschirme.
Alter Wein in neuen Schläuchen?
Das trifft es tatsächlich gar nicht so schlecht. Auch wenn es den Verbesserungen in keiner Weise gerecht wird. Technisch muss man sich den Unterschied zwischen den bewährten LED-Bildschirmen und Mini-LED etwa so vorstellen: LED/LCD-Bildschirme funktionieren ähnlich wie ein Diaprojektor. Wie bei einem Dia ist das Bild auf einer eigenen Fläche, und dahinter ist eine starke Lampe, die es sichtbar macht. Manchmal kommen auch mehrere Lampen zum Einsatz, aber sehr präzis ist das alles nicht. Bei Mini-LED kommen (wie es der Name schon sagt) viele kleine LED-Lichter zum Einsatz, die das Bild ganz gezielt beleuchten. Dunkle Stellen bleiben dunkel, und helle werden hell.
Das klingt verdächtig nach OLED.
Ja, tatsächlich. In den letzten Jahren hat sich die OLED-Technologie bei Smartphones im mittleren bis hohen Preissegment durchgesetzt, und auch in vielen Fernsehern finden sich inzwischen diese Bildschirme mit satten Farben und vor allem richtig schwarzem Schwarz. Anders als bei LED oder Mini-LED leuchtet dort aber jeder Bildpunkt selbst. Es braucht keine Lichtquelle dahinter. Darum ist bei OLED Schwarz auch wirklich schwarz.
Da haben wirs: Mini-LED ist minderwertig oder gar unnötig!
Nicht so schnell. Tatsächlich hat jede der beiden Technologien ihre Vor- und Nachteile – und es gibt erbitterte Grabenkämpfe um die Frage, welche Technologie denn nun besser sei, so wie bei den Benzin- und Elektroauto-Fans. Kurz zusammengefasst: OLED hat Vorteile beim Schwarz, Mini-LED ist dafür besser, wenns sehr hell sein soll.
Wer will denn hell?
Grafikprofis brauchen Bildschirme, die einerseits sehr hell sind und Farben von Fotos oder Videos realistisch anzeigen können. Mini-LED steckt darum aktuell vor allem in Profimonitoren. Etwa in den teuersten Modellen von Apple (ab 5000 Franken) und Dell (ab 4000 Franken). Aber auch im teuersten iPad Pro steckt die Technologie bereits, und Gerüchte deuten darauf hin, dass bald erste Macbook-Pro-Modelle ebenfalls damit ausgerüstet werden. Schliesslich gibt es auch Fernseher, die auf Mini-LED setzen. Die hierzulande noch wenig bekannte, aber weltweit gigantische chinesische Firma TCL war hier federführend. Aber auch Samsung hat solche Geräte im Sortiment.
Wie sieht es denn mit Nachteilen aus bei Mini-LED, davon war bislang ja nicht die Rede.
Die grösste Stärke von OLED ist tatsächlich auch die grösste Schwäche von Mini-LED. Die kleinen LED-Lichter beleuchten das Bild zwar sehr präzise, aber eben nicht so perfekt wie bei einem OLED-Bildschirm. Wenn man beispielsweise den Abspann eines Films schaut, bei dem das Bild schwarz und nur mit dünner Schrift die Namen der Schauspielerinnen und Schauspieler angezeigt werden, sieht man um den Schriftzug herum, wenn man in einem dunkeln Raum ganz genau hinschaut, feine graue Wolken. Ghosting nennt sich dieser Effekt. Während bei klassischen LCD-Bildschirmen das ganze Schwarz gräulich wäre, ist es bei Mini-LED nur dort, wo die Lichter auch an sind. In dem Fall genau hinter dem Schriftzug. Beobachten konnten wir das im Test beider Mini-LED-Geräte. Sowohl beim Dell als auch beim iPad Pro.
Wie schlimm ist das im Alltag?
Harmlos. Wenn man genau darauf achtet, sieht man es in den oben erwähnten Situationen. Aber die meiste Zeit fällt es nicht auf. Stattdessen freut man sich über Bilder, die heller, lebensechter und schärfer wirken. Der Effekt ist tatsächlich erstaunlich: Wenn man ein iPad Pro ohne Mini-LED neben eines mit der neuen Technologie hält, wirkt das Bild auf dem neueren Gerät deutlich schärfer. Obwohl es dieselbe Auflösung – also Anzahl Pixel – hat. Auch auf dem grossen 32-Zoll-Monitor von Dell wirken Fotos deutlich plastischer, als man das von gewöhnlichen Monitoren ohne Mini-LED-Technologie kennt. Auf Fotos etwa sieht man Details in Schatten deutlich besser.
Wenn Mini-LED so toll ist, warum steckt es dann nicht schon überall drin?
Die Technologie klingt in der Theorie simpel und offensichtlich. Tatsächlich ist sie erst in den letzten Jahren markttauglich geworden, da die Herstellung aufwendiger ist, als man meinen könnte. Tatsächlich gab es immer wieder Gerüchte, dass die Bildschirmtechnologie schuld daran war, dass die neusten iPad-Pro-Modelle erst Ende April vorgestellt wurden und die neuen Laptops mit ebensolchen Bildschirmen noch nicht einmal angekündigt worden sind.
Welcher Technologie gehört denn nun die Zukunft: OLED oder Mini-LED?
Vermutlich werden sich beide durchsetzen. Jede in ihrem Fachgebiet. Spannend wird es bei den TV-Geräten. Auf Nachfrage, ob seine Firma denn nicht auch mit OLED liebäugle, schliesst der TCL-Manager Olivier Semenoux (Head of Business Development) dies zwar nicht explizit aus, weist aber darauf hin, dass Mini-LED im Premium- und mittleren Segment die bevorzugte Technologie sei. Jahr für Jahr kämen mehr Modelle damit ins Sortiment. Aktuell seien es bereits drei Produktserien.
Also gute Chancen für beide Technologien?
Ja. Aber bei Mini-LED steht eine Weiterentwicklung bereits in den Startlöchern: Micro-LED. Die funktioniert im Prinzip eher wie OLED als Mini-LED. Die einzelnen LED sind so klein, dass jedes Bildpixel von einem LED dargestellt werden kann. Darum kommt die Technologie wie OLED ohne Hintergrundbeleuchtung aus, sodass es keinen Ghosting-Effekt mehr gibt. Dann hätte man die Vorteile von OLED mit denen von LCD-Bildschirmen kombiniert: perfektes Schwarz und sehr hohe Helligkeit. Es gibt immer wieder Gerüchte, dass Apple selbst grosse Summen in diese Technologie steckt und dass die Apple Watch dereinst als erstes Gerät mit Micro-LED ausgerüstet werden soll. Aktuell kommt in der Uhr noch ein OLED-Bildschirm zum Einsatz.
Ist Mini-LED also nur eine Übergangstechnologie hin zu Micro-LED?
Es sieht auf den ersten Blick tatsächlich ganz danach aus. Die Frage habe ich aber auch TCL gestellt, die sich anders als amerikanische Technologiekonzerne als deutlich auskunftsfreudiger erwiesen haben, was zukünftige Entwicklungen angeht. Tatsächlich arbeite die Firma aktuell an beiden Technologien. «Im Moment betrachten wir Mini- und Micro-LED aber eher als komplementäre Technologien, die beide unabhängig voneinander verschiedene Anforderungen und Marktsegmente bedienen können», schreibt Olivier Semenoux per E-Mail. Tatsächlich dürfte Micro-LED vor allem bei kleinen Bildschirmen, die man nah am Auge nutzt, Sinn machen, etwa bei Uhren, Brillen oder vielleicht noch Smartphones. Mini-LED dürfte dafür bei Monitoren und Fernsehern noch länger ausreichen. Schliesslich spielt auch das Timing eine entscheidende Rolle. Solange Micro-LED noch nicht marktreif ist, wird es in naher Zukunft auf Mini-LED und OLED hinauslaufen. Wenn Micro-LED dann parat ist, werden die Karten noch mal neu gemischt.
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