So bezahlen Gäste im Restaurant«Am Anfang eines Monats sind die Leute deutlich grosszügiger»
Das Leben wird immer teurer, und ein Restaurantbesuch passt häufig nur noch knapp ins Budget. Und wie sieht es am Schluss mit dem Trinkgeld aus? Eine Umfrage in Basel.
«Das sitzt nicht mehr so locker», sagt Sigrid Bühler, die seit 13 Jahren im Restaurant Zum Schiefen Eck im Service arbeitet, als wir sie auf das Thema Trinkgeld ansprechen. Seit der Pandemie seien die Gäste deutlich weniger spendabel. Das zunehmende Zahlen mit der Karte mache alles noch schlimmer. «Die haben zum Teil Freude, einfach nur schnell die Karte an das Zahlungsgerät zu halten und dann zu verschwinden.»
Diana – die uns ihren Nachnamen nicht nennen möchte – ist seit 28 Jahren Serviceangestellte in der Brasserie Baselstab am Marktplatz. Sie kann das nur bestätigen. «Die Gäste verlangen mehr Extras und geben teilweise noch nicht einmal zehn Rappen Trinkgeld», sagt sie. «Das macht mich traurig.»
«Wer etwas geben möchte, der tut das auch»
Seit fünf Jahren arbeitet Jean – auch er möchte es beim Vornamen belassen – im Service des Restaurants Coccodrillo am Rümelinsplatz. In dieser Zeit hat er einen deutlichen Rückgang des Trinkgelds erlebt. «Es sind gar nicht die Einheimischen, sondern die Touristen – vor allem die aus Grossbritannien und Frankreich – , die zum grossen Teil gar nichts geben.» Für ihn spielt es keine Rolle, ob jemand bar oder mit Karte zahlt. «Wer etwas geben möchte, der tut das auch.»
Pascal Reinhard, einer der Gäste auf der Aussenterrasse des Unternehmens Mitte, trinkt gerade einen Cappuccino. «Ich kenne viele Leute, die in der Gastronomie arbeiten, nur schon deshalb gebe ich immer Trinkgeld», sagt er. «Tendenziell gebe ich mehr, wenn ich mit Bargeld zahle.» Seine Kollegin Mona Wüest schliesst sich dem an. «Ich verzichte lieber auf andere Sachen oder kaufe günstiger ein, als dass ich beim Trinkgeld spare», sagt sie.
Wer mit Karte zahlt, gibt seltener Trinkgeld
«Seitdem wir 2018 die Möglichkeit eingeführt haben, mit Karte zu bezahlen, ist das Trinkgeld deutlich zurückgegangen», sagt Aaron Prüssen, seit acht Jahren Barista im Unternehmen Mitte. «Leider haben wir nicht die Funktion, über die Karte ein Trinkgeld zu geben.» Der Gast könne den Betrag nur aufrunden, doch das habe er selbst noch nicht erlebt. Für alle, die sich ihren Kaffee selbst an der Theke abholen, steht ein kleines Kässeli bereit. «Der eine oder andere wirft da ein paar Rappen rein, aber das ist die Ausnahme.»
Anderer Schauplatz – andere Erfahrung. In der Bodega Strauss hat Sébastien, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, gerade Pause. Er arbeitet schon seit fast zehn Jahren in dem Restaurant am Barfi. «Die Bodega ist ein besonderer Platz», sagt er. «Wir haben hier hauptsächlich Stammgäste, und auch einige Promis sind immer unter den Gästen.» Sein Einsatz macht sich bezahlt. «Die Leute sind grosszügig und schätzen einen als Person und die spezielle Atmosphäre.»
Am Ende des Monats hat er Trinkgeld in Höhe von über 50 Prozent seines Lohns im Geldbeutel. Während der Art Basel lohnt es sich für ihn ganz besonders. Dann seien Trinkgelder in Höhe von 10 bis 15 Prozent keine Seltenheit. «Nur die Gäste aus Spanien, Italien und Frankreich geben so gut wie nie Trinkgeld», sagt er.
Vor dem Restaurant Kohlmanns sitzen Katharina Bonk und Thomas Wiehl bei einem Aperol Spritz. «Wir sparen nicht am Trinkgeld», sagt Bonk. «Mindestens aufgerundet wird immer.» Und wenn mit Kreditkarte gezahlt wird? »Dann vergesse ich es häufig«, sagt Wiehl. Häufig sei aber der Service auch selbst schuld, weil er die Möglichkeit, Trinkgeld über die Karte zu geben, vor dem Zahlvorgang einfach wegdrückt.
Eine besondere Beobachtung macht Hasim Karaaslan, stellvertretender Geschäftsführer der L’Osteria in der Steinentorstrasse. «Am Anfang eines Monats, wenn die Leute ihren Lohn bekommen haben, sind sie deutlich grosszügiger», sagt er. Auch er hat festgestellt, dass insbesondere die Franzosen kein Trinkgeld geben. Fünfzig Franken bekommt hier das Servicepersonal durchschnittlich pro Abend «on top». «Davon gibt jeder 1,5 Prozent an die Küche ab, das ist hier so Usus», sagt Karaaslan.
Auch im Braunen Mutz am Barfi spürt man, dass die Menschen sparen müssen. Wer hier mit Kreditkarte zahlt, gibt höchst selten Trinkgeld. Branko, der seit einem halben Jahr im Restaurant arbeitet und seinen Nachnamen nicht nennen möchte, kennt allerdings eine Ausnahme: «Die Gäste aus den USA geben automatisch mindestens zehn Prozent – das sind sie aus ihrer Heimat so gewohnt.»
Gerne hätten wir noch Stimmen aus der gehobenen Gastronomie eingeholt. Doch dort gilt zum Thema Trinkgeld: höchste Diskretion.
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