Psychologie der SMSEs lohnt sich, etwas Mühe in Textnachrichten zu stecken
Abgekürzte Wörter wirken auf die Empfänger wenig ernsthaft und mindern auch die Motivation, auf eine Nachricht zu antworten. Die Frage aber ist, ob das für jede Sprache gilt.

- Psychologen der Stanford University untersuchten, wie Abkürzungen auf Empfängerinnen wirken.
- Kurznachrichten werden selten ernst genommen, wenn sie viele Abkürzungen enthalten.
- Unklar ist, wie gut die Resultate auf den deutschsprachigen Raum übertragbar sind.
Rein theoretisch besteht die Möglichkeit, mit Mobiltelefonen zu telefonieren. Zu diesem Zweck wurden Handys zumindest ursprünglich entwickelt, und eine Weile haben die Besitzer dieser Geräte auch fleissig in dieselben hineingeredet. Heute richten die meisten Smartphonehalter das Wort jedoch fast nur noch an ihr Smartphone, um anderen eine Sprachnachricht per Whatsapp, Signal, Threema, Telegram oder einen der unzähligen anderen Messenger-Dienste zu hinterlassen. Ansonsten wird geschrieben oder «getextet», wie es gern genannt wird.
In den USA, so eine Schätzung, sind beispielsweise allein im Jahr 2020 etwa eine Billion Textnachrichten verschickt worden – ein gigantisch grosser digitaler Buchstabensalat. Und weil dessen Zubereitung die Tippfinger schwer beansprucht, neigen viele Handyhalter dazu, ihre Botschaften mit Abkürzungen zu durchsetzen. Das aber, so sagen Psychologen nun, ist eher keine gute Idee – zumindest dann nicht, wenn man ernst genommen werden möchte und sich eine Antwort auf die versendete Botschaft erhofft.
Die meisten Menschen schätzen es, wenn sich andere Mühe geben
Unlängst haben Wissenschaftler um David Fang von der Stanford University im Fachblatt «Journal of Experimental Psychology: General» eine umfangreiche Studie publiziert, die sich mit der Wirkung abgekürzter Begriffe in Textnachrichten befasst. In acht einzelnen Versuchen mit insgesamt 5306 Teilnehmenden liessen die Forscher die Wirkung entsprechender Textnachrichten bewerten. Darunter waren beispielsweise schriftliche Konversationen aus verschiedenen Bereichen, die unbeteiligte Drittpersonen untereinander ausgetauscht hatten, oder solche, in die die Probanden selbst involviert waren. Ausserdem wertete das Team um Fang Daten des Datingportals Tinder aus und ermittelte, wie sich dort Abkürzungen auf die Konversationen auswirkten. In anderen Experimenten mussten die Teilnehmer entscheiden, ob sie auf eine Nachricht antworten wollten oder nicht – was die Wissenschaftler nutzten, um den Einfluss von Abkürzungen auf die Antwortwilligkeit zu untersuchen.
Dabei zeigte sich, dass Textnachrichten voller abgekürzter Wörter von den Empfängern als weniger aufrichtig oder weniger ernsthaft wahrgenommen wurden. Entsprechend fiel im Schnitt auch die Wahrscheinlichkeit geringer aus, dass die jeweiligen Adressaten auf die empfangenen Nachrichten antworten wollten. Als treibende Kraft für diesen Effekt vermuten die Wissenschaftler um Fang den Umstand, dass die meisten Menschen es schätzen, wenn sich andere Mühe geben – und zwar auch dann, wenn sie miteinander Nachrichten austauschen. Ein digitales Schriftstück voller Abkürzungen signalisiere allerdings das Gegenteil, so das Argument der Forscher: Hier hat es jemand eilig, Hauptsache, etwas geschrieben, und weg damit. Das kann den Empfänger solcher Nachrichten ein wenig nerven.
Auch das Gegenteil wäre möglich gewesen, nämlich, dass Nachrichten voller Abkürzungen als salopp und dadurch besonders nahbar empfunden werden. Sinngemäss: Hier pfeift jemand auf Rechtschreibung und Konversationskonventionen und empfiehlt sich auf diese Weise als guter Kumpel. Für diese These fanden die Forscher um Fang jedoch keine Belege.
Kein LG mehr, kein FYI oder ASAP in Kurznachrichten?
Wie lautet also das Fazit aus der Studie für die Formulierung der nächsten Nachricht? Kein LG statt «Liebe Grüsse»? Kein LOL, kein ASAP, kein FYI mehr? Das ist nicht ganz leicht zu sagen: In den USA, wo die Studie vorgenommen wurde, scheinen Abkürzungen in Textnachrichten sehr viel gängiger und verbreiteter zu sein als im deutschsprachigen Raum.
Aus den Textbeispielen der Studie stammen beispielsweise Sätze wie «Wuts ur fav movie?» statt «What’s your favorite movie?» (Wie heisst dein Lieblingsfilm?) oder «Hbu?» statt «How about you?» (Wie siehst du das?). Abkürzungen wie diese wirken doch recht spezifisch für die USA oder wenigstens für den englischsprachigen Raum, weswegen die Ergebnisse der Studie vermutlich schwer auf andere Länder übertragbar sind. Dass sich hinter dem gemessenen Effekt eine Art Jugendsprache-Phänomen verbirgt und vor allem ältere Menschen negativ auf Abkürzungen reagieren, dafür fanden die Forscher jedoch keine Belege.
Das defensiv formulierte Fazit lautet also: Es lohnt sich, etwas Mühe in Textnachrichten zu stecken und sich ein paar Gedanken darüber zu machen, wie sie auf den Adressaten wirken. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Q. e. d.
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