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Sprachwissenschaftlerin im Interview
«Ein Emoji kann bei Jungen eine andere Bedeutung haben als bei Älteren»

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Tatjana Scheffler, Jahrgang 1980, ist Sprachwissenschaftlerin und Professorin am Germanistischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Sie forscht zusammen mit Psychiater Ivan Nenchev von der Berliner Charité zu einem längst etablierten zwischenmenschlichen Kommunikationsmittel: Emojis. In ihrer Studie «Affective, semantic, frequency, and descriptive norms for 107 face emojis» wurden Personen von 18 bis 70 Jahren befragt, wie sie Gesichtsemojis benutzen und wahrnehmen. Ausserdem haben die Forschenden Daten aus X und Whatsapp analysiert.

Das Ergebnis war recht klar: Lachende Gesichtsemojis sind nicht nur beliebt, sondern tun auch der Beziehung gut und werden auch mal zweckentfremdet. Wir haben Tatjana Scheffler dazu befragt.

Frau Scheffler, was ist Ihr Lieblings­emoji?

Ein Emoji, das ich tatsächlich häufig benutze, ist das lächelnde Gesicht mit Schweisstropfen 😅. Ich verwende es oft, wenn mir etwas ein bisschen peinlich ist, zum Beispiel weil ich Bescheid sagen möchte, dass ich mich verspäten werde. Ich nutze es aber auch, um etwas Lustiges oder Erstaunliches zu erzählen, zum Beispiel, dass ein Kind bei einer Mahlzeit sechs Brötchen gegessen hat.

Verschiedene Emojis auf einem Smartphone Display. Mit Emojis kann man in Textnachrichten seine Gefuehlslage Gefühlslage sehr gut ausdruecken ausdrücken. Emojis am 24.09.2024 in Siegen/Deutschland. *** Various emojis on a smartphone display Emojis are a great way to express your feelings in text messages Emojis am 24 09 2024 in Siegen Germany

Sind Emojis schon fester Bestandteil unserer Sprache?

Ja, für die informelle Schriftsprache auf jeden Fall. Wir wissen aus der Forschung, dass Emojis ganz wichtige Funktionen in der informellen digitalen Kommunikation übernehmen.

Private Kommunikation auf digitalem Weg wie zum Beispiel Whatsapp.

Funktionen, die sie dort auch von anderen sprachlichen Mitteln teilweise übernommen haben. Auch sind sie so viel besser geeignet als Emoticons oder auch Inflektive, wie wir sie nennen. Inflektive sind Begriffe zwischen Sternchen, zum Beispiel *heul* oder *lach*. Kennen wir von früher aus den Foren. Die sind im Prinzip fast weg aus Onlinemedien. Man würde heutzutage einfach ein Emoji verwenden.

Helfen uns Emojis, das auszudrücken, was Sprache nicht ausdrücken kann?

Emojis füllen eine kommunikative Lücke. Wir haben einen bestimmten Bedarf, etwas auszudrücken, was mit Worten allein nicht immer geht, und das machen wir mit Emojis. Auch kann man mit ihnen Zusätzliches kommunizieren oder sie spielerisch einsetzen.

A set of different emoticon or ‘emoji’ icons.

Wofür verwenden wir Emojis am häufigsten?

Eine Hauptfunktion von ihnen ist, Nähe zu markieren. Sie können zur Beziehungspflege eingesetzt werden. Zum Beispiel wenn Kritik geäussert werden muss, werden sehr häufig Emojis eingesetzt, um die Bedrohung unserer Beziehung abzuschwächen, als Ersatz für ein «Es tut mir leid» oder «Wir sind trotzdem noch okay».

Also sind Emojis Gefühlsträger?

Die Stärke der Emotionen unterscheidet sich enorm. Ein Herzchenaugen-Emoji (😍) hat eine sehr starke Emotion, wohingegen ein schlafendes Gesicht (😴) als nicht sehr emotional wahrgenommen wird. Aber grundsätzlich müssen Emojis nicht direkt ein Gefühl ausdrücken.

Das lachende Gesicht mit Tränen (😂) wird bei Whatsapp und X (ehemals Twitter) am häufigsten genutzt, dicht gefolgt von 🤣 und 😅. Offenbar sind positive Emojis die beliebtesten?

Ich würde lachende Emojis nicht als uneingeschränkt positiv bezeichnen. Bei Twitter werden sie häufig in einem ironischen Kontext verwendet, wenn man sich beispielsweise über etwas lustig macht. Es kann ein Katzenvideo sein, es könnte aber auch etwas Politisches sein. Das muss dann nicht gleich positiv sein. Statistisch können wir in unserer Studie zeigen, dass positive Emojis häufiger vorkommen als negative und dass negative insgesamt als emotionaler angesehen werden. Das liegt vielleicht auch daran, dass positive Emojis sich abnutzen und damit als normaler angesehen werden.

Was wollten Sie mit der Studie herausfinden?

Wir wollten ganz grundlegende Daten über die Gesichtsemojis erheben, weil uns viel für die sprachwissenschaftliche Forschung, zum Beispiel zur kognitiven Verarbeitung und zur Interpretation von Emojis beim Lesen informeller Nachrichten, fehlt. Für Wörter gibt es ganze Normierungsdatenbanken, wo zu jedem Wort steht, wie emotional positiv oder auch negativ es ist. Für Emojis gibt es das so noch nicht.

Eine Erkenntnis Ihrer Studie ist, dass Männer weniger Emojis benutzen als Frauen. Warum ist das so?

Ja, wir konnten einen statistisch signifikanten Unterschied feststellen. Einerseits ist es so, dass die Beziehungspflege stereotypisch oftmals immer noch den Frauen überlassen wird und Emojis genau dafür benutzt werden. Grundsätzlich findet man natürlich Gesichtsemojis und Herzchen auch in Datenbanken von reinen Männer-Whatsapp-Gruppen. Hier zeigt sich vielleicht auch das linguistische Phänomen, nach dem aktiver Sprachwandel oftmals von jüngeren Frauen angetrieben wird. Das heisst, sie sind die Ersten, die neue sprachliche Phänomene zeigen. Die Männer folgen dann.

Sie fordern einen Emoji-Atlas. Warum?

Es besteht Bedarf, was nicht heisst, dass Emojis eine Standardbedeutung bekommen müssen. Das Gegenteil ist der Fall. Emojis erhalten zwar von ihren Designern erst mal einen Namen, aber der garantiert keine etablierte Bedeutung.

Gibt es ein Beispiel für ein Emoji, bei dem der offizielle Name und die etablierte Bedeutung nicht zusammen­passen?

Zum Beispiel heisst das Emoji 😫 offiziell «müdes Gesicht», Nutzende beschreiben es aber in unserer Studie als Verzweiflung, Jammern oder Frustration. Wir als Sprachgemeinschaft einigen uns selbst, was das Wort oder das Emoji in diesem Fall zu bedeuten hat und wie es verwendet werden kann. Und diese Bedeutung kann sich eben auch mal schnell ändern. Ich kann mir vorstellen, Interpretationen von Emojis nachzuschlagen.

Simple bone skull Large size of emoji skull

Häufig werden Emojis doch auch missverstanden, oder?

Ja, solche Beispiele hören wir öfter anekdotisch. Zum Beispiel kann ein Emoji bei jüngeren Personen eine ganz andere Bedeutung annehmen, als es das bei älteren Personen tut. Wenn etwas superwitzig ist, verwenden die Jüngeren dann vielleicht einen Totenkopf oder ein Äffchen und eben kein Lach-Emoji mehr. Das kann verwirren, wenn die Konversationspartner und Konversationspartnerinnen die anderen Bedeutungen nicht kennen.

Emojis können die Kommunikation vereinfachen durch beispielsweise 👍 oder ❤, aber geht dann nicht auch etwas ganz Essenzielles im Austausch miteinander verloren?

Meiner Meinung nach ergänzen Emojis eher unsere kommunikativen Möglichkeiten im digitalen Raum. Uns fehlt ja ganz viel an Informationen in digitalen Konversationen, zum Beispiel über Aussehen des Gegenübers, Gesichtsausdruck, Stimmlage und so weiter. Da geben uns Emojis zusätzliche Möglichkeiten, uns und unsere Einstellungen zueinander auszudrücken. Daher sind Emojis auch oft so beliebt – weil sie ein wichtiges Mitteilungsbedürfnis erfüllen, das über den reinen Inhalt der Nachricht hinausgeht.