Aussergewöhnliche Ski-NomadinSie startete sogar für vier Länder – und zahlte einen hohen Preis dafür
Elena Matous fuhr Weltcup-Skirennen für Italien, San Marino, den Iran und Luxemburg und trank Tee mit einem verhassten Herrscher. Ihre ständigen Nationenwechsel verärgerten die Konkurrenz.
Das Telefongespräch ist sofort lanciert. «Ihr Schweizer werdet in dieser Saison fast alles gewinnen», sagt Elena Matous. «Aber ein Rekord wird immer mir gehören.»
Matous ist 70, sie war einst Skifahrerin, wurde 1976 einmal Zweite in einer Weltcup-Abfahrt. Ihre sportlichen Erfolge reichen nicht ansatzweise für die Aufnahme in irgendwelche Bestenlisten, doch in einem Bereich dürfte sie für immer unerreicht bleiben: Matous startete in ihrer Karriere für vier Nationen – und was für welche! Die gebürtige Italienerin fuhr für ihr Heimatland, San Marino, den Iran und Luxemburg.
Gerade 20 war sie, als die italienischen Männer gross auftrumpften, Gustav Thöni und Piero Gros von Sieg zu Sieg eilten. Der Verbandspräsident, ein Patriarch ältester Schule, gab fast alles Geld für die Männer aus, liess die Frauen links liegen, «seiner Meinung nach gehörten wir in die Küche», sagt Matous. Das Team wurde mehr oder weniger aufgelöst, Matous aber wollte nicht aufhören und wehrte sich – sie fand jedoch kein Gehör. Und suchte nach Alternativen.
In den Siebzigern gab es andere und vor allem ständig wechselnde Regeln bezüglich Nationenwechseln. Matous brauchte keinen entsprechenden Pass, sie musste aber einen Verband finden, der gewisse Auflagen erfüllte. Die Wahl fiel auf San Marino, für den von Italien umgebenen Zwergstaat gewann sie die Gesamtwertung im Europacup, holte auf höchster Stufe Top-10-Plätze. Matous bildete ein Ein-Frau-Team, doch San Marinos Ski-Chef starb bei einem dubiosen und nie geklärten Unfall, kurz darauf wurde der Verband mangels Interesse aufgelöst.
Österreicher und Deutsche verhindern WM-Start
Wieder fiel Matous zwischen Stuhl und Bank – sie flüchtete nach Asien. Es war die Zeit, als Frauensport im Iran noch etwas weniger restriktiv behandelt wurde; mehrmals reiste Matous in den Mittleren Osten, trank gar Tee mit dem höchst umstrittenen und verhassten Herrscher Mohammed Reza Pahlewi, dem letzten Schah des Iran. Nach dessen Sturz infolge der politischen Unruhen im Land wurde Matous die Lizenz entzogen, ihre letzte Saison 1979/80 bestritt sie unter luxemburgischer Flagge.
Einige Konkurrentinnen hätten irgendwann nur noch den Kopf geschüttelt wegen der ständigen Wechsel, sagt die Rentnerin. Der Preis für die Fahnenflucht war hoch: Geld erhielt sie nicht, oft trainierte sie mit Männern, dann und wann aber fand sie nicht einmal Trainingspisten.
Vor allem aber konnte Matous nie an Olympischen Spielen teilnehmen, dafür hätte sie die entsprechenden Pässe benötigt. Auch an Weltmeisterschaften startete sie nicht, wobei sie 1978 nach Garmisch reiste, gar als Medaillenanwärterin galt. Doch nach den starken Trainings gingen Österreicher und Deutsche auf die Barrikaden, forderten zwei Tage vor der Abfahrt den WM-Ausschluss. Matous musste abreisen, «ich weinte etwa zehn Stunden lang», erinnert sie sich.
Die Eltern waren Flüchtlinge
Zur Rückkehr nach Italien kam es nie, zu verhärtet waren die Fronten. Matous hätte aber für die Tschechoslowakei, das Geburtsland ihrer Eltern, fahren können und problemlos die Staatsbürgerschaft erhalten.
Mutter Helena Straubeova und Vater Milan Matous spielten erfolgreich Tennis, schafften es an Grand-Slam-Turnieren im Doppel jeweils bis in den Viertelfinal. Vater Milan war zudem Eishockeyspieler, trug 1952/53 den Dress von Ambri. Weil die Eltern einst aber aus der Tschechoslowakei nach Italien geflüchtet und danach politisch verfolgt worden waren, kam für die Tochter jene Nation nicht infrage.
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