Zoff im SkizirkusEine Regel nur für Marcel Hirscher – die Gegner sind verärgert
Der Weltskiverband FIS vergibt auf einmal Wildcards an frühere Champions. Die Sonderregel sei mit den Athleten abgesprochen worden. Was offenbar nicht stimmt – und für rote Köpfe sorgt.

Jahrelang galt die FIS als verstaubt und höchst konservativ. Und jetzt? Herrscht mitunter Willkür.
Vor zwei Wochen verblüffte und irritierte der Weltskiverband mit der Meldung, wonach im Alpinbereich künftig Wildcards vergeben werden. Vorgesehen ist, dass Zurückgetretene, die entweder den Gesamt-, einen Disziplinenweltcup oder Gold an Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften gewonnen haben, beim Comeback davon profitieren können – sofern sie mindestens zwei, aber maximal zehn Jahre inaktiv waren und die Anti-Doping-Bestimmungen erfüllen. Mit dem Vorteil, dass ihnen der mühsame Weg zurück über kleine FIS-Rennen erspart bleibt. Und sie im Weltcup mir nichts, dir nichts mit Nummer 31 starten können.
Die Regel wird umgehend eingeführt. Sie kommt völlig aus dem Nichts, hat es doch vergleichbare Diskussionen nie auch nur im Ansatz gegeben. Wenig überraschend wird sie daher als «Lex Hirscher» ausgelegt, greift der einstige Seriensieger doch nach fünf Saisons Absenz unter niederländischer Flagge wieder ins Renngeschehen ein. Und löst indirekt ein ziemliches Tohuwabohu aus.
Kein Mitspracherecht für die Fahrer
Die Entscheidung, Wildcards zu ermöglichen, stösst vielen sauer auf. Der Walliser Justin Murisier sagte gegenüber dem «Blick», dass er sich ärgere: «Für Marcel Hirscher wird eine Regel verändert, die definitiv nicht fair ist.» Der renommierte Trainer Christian Leitner spricht von einer «Ohrfeige für jeden Athleten, der sich den Platz im ersten Drittel der Startliste knallhart erkämpfen muss». In Frankreich wird Slalomspezialist Steven Amiez zitiert, er sei perplex. «Jeder muss sich hochkämpfen. Da sollte es keine Ausnahmen geben. Das ist unverständlich.» Und in Österreich wird das Comeback des Fahnenflüchtigen da und dort kritisch beäugt, die Sonderbehandlung wird zuweilen als Affront bezeichnet.
Laut der FIS ist die Regelanpassung mit den Fahrern abgesprochen worden. Daniel Yule jedoch sagte im «Blick», mit ihm habe niemand gesprochen. Andere Athleten äussern sich via Social Media in ähnlichem Ton. In der Kritik stehen die beiden Athletenvertreter, die Italienerin Verena Stuffer sowie der Norweger Leif Kristian Nestvold-Haugen, die ihre Karrieren beendet haben. Gemäss FIS-Männer-Rennchef Markus Waldner waren es die beiden, die mit dem Wildcard-Vorschlag an den Weltverband herantraten – beim FIS-Council in Island wurde die Idee diskutiert und der Entscheid gefällt.
Die Angelegenheit hätte jedoch nicht ad hoc beschlossen werden sollen, sagt Swiss-Ski-CEO Walter Reusser, der auch im Executive Committee der FIS sitzt. In dieses Gremium hätte der Vorschlag eingebracht werden müssen, hält er gegenüber dieser Redaktion fest, «dann hätte man im September darüber in Ruhe befinden können. Aber fast niemand war informiert und involviert – natürlich fühlen sich jetzt viele vor den Kopf gestossen. Es lief alles sehr unglücklich.»
Niederlande haben Wildcard beantragt
Dass alles ohne Rücksprache mit den Fahrern gelang, erstaunt. Wobei: Bereits bei der Einführung der Teamkombination war dies der Fall gewesen. Letzte Saison wurde der neue Wettbewerb dann nach heftigen Protesten der Aktiven doch wieder aus dem Weltcupkalender gestrichen. Ob beim Thema Wildcard das letzte Wort gesprochen ist?
Nun, der niederländische Skiverband hat jedenfalls bereits um eine Wildcard für Hirscher gebeten. FIS-Rennchef Waldner spricht «von unnötigen Sticheleien in den Medien» und sagt auch, die Regel sei nicht extra für Hirscher gemacht worden. «Heute mag das so sein, aber morgen ist ein anderer da, der davon profitiert.» Es ist eine eigenartige Sicht der Dinge. Oder wie oft hat es einen herausragenden Fahrer gegeben, der nach zwei oder mehr Jahren Pause wieder in den Weltcup zurückgekehrt ist?
Wie auch immer: Trotz rotem Teppich wird Hirscher am Freitag nach Neuseeland reisen, am anderen Ende der Welt trainieren und wohl auch erste kleine Rennen bestreiten.
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