Riesenslalom in SöldenOdermatt stürzt, ein Brasilianer küsst und tanzt – so verrückt war der Ski-Auftakt
Marco Odermatt scheidet im ersten Lauf mit klar bester Zwischenzeit aus. Die Norweger feiern einen Dreifachsieg. Aber die Geschichte des Tages schreibt ein anderer.
Wenn ein Brasilianer im Ziel tanzt und die Mädchen an der Bande kreischen, ist Auftakt zur Ski-Saison. Zumindest ist das 2024 in Sölden so.
Da kommt Lucas Pinheiro Braathen an am Fusse des Rettenbachgletschers – und steht die Skiwelt Kopf. Linker Arm hoch, linkes Bein nach vorne und das Gleiche mit rechts. So präsentiert sich der Mann, der hier vor einem Jahr seinen Rücktritt gab nach Querelen mit dem norwegischen Verband, welcher nicht zulassen wollte, dass er einen eigenen Kopfsponsor mitbringt.
Nun ist er zurück, unter den Fittichen von Red Bull, mit neunköpfigem Privatteam, darunter drei Skitrainer. Und wie dieser Pinheiro Braathen zurück ist. 19. nach dem ersten Lauf mit Startnummer 41, am Ende Vierter hinter drei (ehemaligen) Landsmännern, hinter Alexander Steen Olsen, Henrik Kristoffersen und Atle Lie McGrath. Letzterer war einst sein Ski-Zwilling, alles machten die beiden zusammen. Die Zusammenkunft im Ziel von Sölden ist entsprechend emotional.
McGrath löst Pinheiro Braathen an der Spitze ab, die beiden stürmen aufeinander zu, der Brasilianer drückt seinem Kompagnon von einst einen dicken Kuss auf die Wange. «Das war Magie, diesen Moment werde ich nie vergessen», sagt Pinheiro Braathen, der eine der grossen Geschichten schreibt an diesem Tag. Tänzchen inklusive.

Am Donnerstag redete er über sein Comeback. Das Motto des Anlasses: «Lucas Pinheiro is back on the dancefloor.» Das ist er definitiv. «Ich bin hier als ein neuer Mensch», sagt er, «mit einer neuen Bestimmung. Ich kann vor 17’000 Menschen tanzen, das ist mein Traum.»
Es geht bei ihm nicht nur darum, schnell Ski zu fahren, der 24-Jährige ist auf einer Mission. Er stach schon immer heraus, ging seine eigenen Wege mit lackierten Fingernägeln, extravaganter Kleiderlinie und Auftritten als Model. «Ich hoffe, dass ich Inspiration sein kann für andere», sagt er. Mit seinem ersten Auftritt und der gewaltigen Aufholjagd hat er jedenfalls für viel Aufmerksamkeit gesorgt.
So erging es den Schweizern
Die erste schlechte Nachricht ereilt das Schweizer Team vor dem Start. Die zweite kurz danach.
Erst gibt Loïc Meillard Forfait, der zweitbeste Riesenslalomfahrer des vergangenen Winters. Beim Einfahren hat er einen Schlag in den Rücken erwischt, die Schmerzen sind zu gross für einen Start.
Dann ist dieser Riesenslalom in Sölden wenige Sekunden alt, und liegt er im harten Schnee: Marco Odermatt, die Überfigur der Skiszene, der Dauergewinner, der im letzten Jahr eine Serie von neun Triumphen im Riesenslalom aneinanderreihte, ehe diese mit dem Ausfall beim Finale in Saalbach endete. Nun geht es nicht mehr um eine Serie, auch noch nicht um die Kugeln. «Ich konnte frisch von der Leber weg fahren», so sagt es Odermatt. «Darum habe ich Vollgas gegeben.»
Und wie er das tut. Seine erste Zwischenzeit unterbietet keiner, die zweite auch nicht, am nächsten kommt ihm Stefan Brennsteiner, sein Rückstand: vier Zehntel. Dann wird dem Österreicher das gleiche Tor zum Verhängnis, stürzt auch er. Sieger Alexander Steen Olsen verliert bis zur zweiten Zwischenzeit 71 Hundertstel.
So steht ein Odermatt im Ziel, der nicht so aussieht, als hätte er gerade einen Ausfall hinter sich. Er sagt: «Es ist schade, aber ich bin überhaupt nicht traurig. Es war richtig geil, wie ich oben gefahren bin. Das Gefühl war noch besser als im letzten Jahr. Aber es war unnötig, habe ich so viel riskiert. Ich dachte, das geht auf, aber es war zu viel.» Dennoch nehme er das gute Gefühl mit in die knapp sechswöchige Pause bis zum Speed-Auftakt in Beaver Creek.
Ohne die beiden Teamleader hatten andere Schweizer die Chance, zu glänzen. Thomas Tumler, im letzten Winter so richtig angekommen in der Riesenslalomspitze, verschaffte sich mit Platz 4 im ersten Lauf eine gute Ausgangslage. Er kann sie nicht nutzen und wird 14. Bester Schweizer ist Gino Caviezel auf Rang 9.
Das zweite verrückte Comeback
Hirscher hier, Hirscher da, Hirscher überall: Das Comeback des Altmeisters ist eines der grossen Ereignisse in Sölden. Und es verläuft durchaus bemerkenswert.
Der Ausnahmeathlet, der neu für die Niederlande fährt, das Heimatland seiner Mutter, schafft es mit der Startnummer 34 in den zweiten Lauf. Hirscher verliert 2,29 Sekunden, wird 28. und hat eine hervorragende Startnummer für Lauf 2. Einzig im Steilhang sind die Defizite des Mannes erkennbar, der zwischen 2011 und 2019 immer der beste Skifahrer war und sich nach seinem Rücktritt fit gehalten hat mit intensiven Tests für seine Skimarke Van Deer. Am Ende wird es Platz 23. Und, ziemlich verrückt: die drittschnellste Zeit im zweiten Lauf.
Sehr emotional sei der Tag gewesen, sagt Hirscher. «Dass es so aufging, ist schön. Ich hätte auch sechs Sekunden verlieren können, dann hätten alle gesagt: Der ist echt alt geworden. Das bin ich auch, aber ich bin sehr glücklich», so der 35-Jährige. Ob diese Fahrten vergleichbar seien mit einem seiner 67 Weltcupsiege, wird er beim ORF gefragt. Hirschers Antwort: «Es ist fast noch mehr wert.»
Nun plant er auch mit der Rückkehr im Slalom. In drei Wochen starten die Spezialisten für die kleinen Torabstände in Levi in ihre Saison. Hirscher sagt: «Wenn ich mich fit fühle: Das gleiche Spiel wie in Sölden.»
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Fazit des 1. Laufs
Was war das für ein Start in den Ski-Winter! Marco Odermatt eröffnet den Riesenslalom, und die Nummer 1 der Welt scheidet sogleich aus. Dabei war der Nidwaldner unfassbar schnell unterwegs, bei der zweiten Zwischenzeit lag er über sieben Zehntel vor Alexander Steen Olsen, der das Rennen bei Halbzeit anführt. Aus Schweizer Sicht war das des Schlechten nicht genug: Loïc Meillard, der zweite Swiss-Ski-Trumpf, konnte wegen Rückenbeschwerden gar nicht erst antreten, beim Einfahren kassierte er einen heftigen Schlag.
Hinter dem Norweger Steen Olsen folgen Filip Zubic und Henrik Kristoffersen, sie liegen innerhalb von nur acht Hundertsteln. Bester Schweizer ist Thomas Tumler als Vierter (+0,40 Sekunden). Gino Caviezel liegt auf Rang 11. Die Rückkehrer Lucas Pinheiro Braathen (19.) und auch Marcel Hirscher (28.) schafften die Qualifikation für den zweiten Lauf. Hirschers Leistung nach über 2000 Tagen Weltcup-Absenz ist mehr als beachtlich. Er wird im zweiten Lauf von der günstigen Startnummer 3 profitieren.
Startnummer 55 – Sandro Zurbrügg
Der gelernte Automechaniker aus dem Berner Oberland kann auf der mittlerweile doch ziemlich gezeichneten Piste nichts mehr ausrichten. Platz 45 -- der Arbeitstag ist beendet.
Die Schweizer
Vieles ist gegen die Swiss-Ski-Belegschaft gelaufen: Superstar Marco Odermatt schied aus, Loïc Meillard konnte nach einem Schlag in den Rücken beim Einfahren gar nicht erst antreten. Die Hoffnungen liegen nun auf Thomas Tumler, der auf Rang 4 liegt. Gino Caviezel ist Elfter, mit dabei sein im zweiten Lauf werden auch Fadri Janutin (17.), Livio Simonet (24.) und Justin Murisier (25.).
Marcel Hirscher
Noch immer liegt der Rückkehrer auf Rang 28. Es dürfte tatsächlich für die Teilnahme am 2. Lauf reichen. Denn: Die Rückstände werden immer grösser, kaum einer mehr kann ansatzweise mithalten. Und ja: Hirscher hätte dann in der Entscheidung eine optimale Startnummer…
Startnummer 41 – Lucas Pinheiro Braathen
Und gleich noch ein spektakuläres Comeback. Der nun für Brasilien startende Norweger sagt, er sei zurückgekommen, um zu siegen. Mit solch einer hohen Nummer geht das natürlich (noch?) nicht. Aber Platz 19 ist eine beachtliche Leistung. Wir sind gespannt auf seinen zweiten Lauf, mit deutlich besserer Ausgangslage.
Startnummer 39 – Jonas Stockinger
Starke Leistung des 25-jährigen Deutschen. Rang 18 – Hirscher fällt damit auf Platz 27 zurück.
Marcel Hirschers Fahrt
Die Leistung des Rückkehrers ist nicht einfach einzuordnen. Nach fünf Jahren Absenz sind die gut zwei Sekunden Rückstand gewiss mehr als ordentlich. Und doch gibt es wohl einige, die noch mehr von Hirscher erwartet hatten.
Startnummer 34 – Marcel Hirscher
Und jetzt, das grosse Comeback von Marcel Hirscher! Oben kann der einstige Seriensieger mithalten, nach Streckenhälfte aber tut er sich schwer. Nur Rang 26 für den Neo-Holländer, der in den letzten Wochen die Ski-Schlagzeilen dominierte. Ob die 2,29 Sekunden Rückstand reichen werden? Er muss zittern, aber es sieht nicht schlecht aus.
Startnummer 32 – Cyprien Sarrazin
In der letzten Saison startete er in den Speed-Disziplinen durch, gewann beide Abfahrten in Kitzbühel sowie den Super-G in Wengen. Früher aber war der Franzose ein Riesenslalom-Spezialist. Aber über Platz 26 kommt Sarrazin heute nicht hinaus.
Thomas Tumler
Der Schweizer, Rang 4, sagt: «Es wäre sicher noch mehr möglich gewesen. Am Start hörte ich, dass Marco ausgeschieden ist, das hat mich ein wenig verunsichert. Ich bin es dann etwas ruhig angegangen. Aber mit der Ausgangslage bin ich zufrieden.»
Startnummer 30 – Livio Simonet
Nach hervorragendem Start büsst der Schweizer im Steilhang etwas viel Zeit ein. Mit 2,03 Sekunden Rückstand reiht er sich unmittelbar vor Teamkollege Murisier ein. Platz 21, das könnte reichen für die Teilnahme an der Entscheidung. Aber eben: Es kommen natürlich noch viele starke Athleten.
Startnummer 29 – Victor Muffaet-Jeandet
Der Franzose büsst knapp über zwei Sekunden ein und wird 23. Justin Murisier liegt nach wie vor auf Platz 21.
Startnummer 28 – Lukas Feurstein
Nach Patrick Feurstein ist nun auch sein Cousin Lukas Feurstein im Ziel. Im familieninternen Duell aber kann er nicht ansatzweise mithalten. Platz 24, mit 3,27 Sekunden Rückstand. Sein Arbeitstag dürfte damit zu Ende sein.
Starnummer 27 – Patrick Feurstein
Ansprechende Zeiten sind nach wie vor möglich: Der Österreicher fährt auf Platz 14.
Startnummer 26 – Fadri Janutin
Und gleich noch ein Schweizer: Der Bündner Janutin zeigt ein gutes Rennen, der Steilhang glückt ihm ausgezeichnet. Platz 16 – das wird für den zweiten Lauf locker reichen.
Startnummer 25 – Justin Murisier
Rang 19 für den fünften Schweizer in diesem Rennen. Im Sommer musste sich Murisier am Knie operieren lassen, der Fokus dürfte bei ihm primär auf die Speedrennen gerichtet sein. Und doch: Die Teilnahme am zweiten Lauf ist natürlich immer sein Ziel in den Riesenslaloms.
Startnummer 24 – Tommy Ford
2021 stürzte er in Adelboden derart schwer, dass die Fortsetzung der Karriere ernsthaft in Gefahr war. Der Amerikaner hat sich davon aber längst erholt. Mittlerweile 35, kämpft er aber um die Kader-Zugehörigkeit im US-Skiteam. Es reicht für Platz 16.
Startnummer 23 – Rasmus Windingstad
Für einmal kann ein Norweger nicht überzeugen. Windingstad, der die Schweizer Skimarke Stöckli verlassen hat, fährt auf Platz 18.
Startnummer 22 – Leo Anguenot
Der Franzose war einst ein hervorragender Wasserskifahrer, gewann gar Medaillen an Grossanlässen. Im letzten Winter ist er auch auf der Skipiste durchgestartet. In Sölden fährt er auf Zwischenrang 15.
Startnummer 21 – Giovanni Borsotti
Platz 16 für den Italiener, die knapp zwei Sekunden Rückstand werden gewiss für die Teilnahme am zweiten Lauf reichen.
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