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Skandalrennen in der Formel 1
Als die Fans mit Bierdosen nach den Fahrern warfen

INDIANAPOLIS - JUNE 19:  Fans show their disgust after all the cars on Michelin tires retired on lap one during the United States F1 Grand Prix at the Indianapolis Motor Speedway June 19, 2005 in Indianapolis, Indiana.  (Photo by Mark Thompson/Getty Images) (Photo by Mark Thompson / Getty Images North America / Getty Images via AFP)
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Fahrer, die sich über ihr Steuerrad übergeben. Die fast bewusstlos werden wegen der Hitze oder gar das Gefühl bekommen, dass ihr Auto brennt. Und die nach dem Rennen wegen Dehydrierung kaum aussteigen können: Die Bedingungen beim GP der Formel 1 von Katar am vergangenen Sonntag erhitzten die Gemüter. Die meisten Fahrer beklagten die Umstände, selbst Sieger und Weltmeister Max Verstappen: «Es ist wie in einer Sauna, es ist einfach zu warm.»

Die Hitzeschlacht auf dem Lusail International Circuit nördlich der katarischen Hauptstadt Doha wird wohl als das heisseste Rennen in die Geschichte der Formel 1 eingehen. Es ist der nächste Aufreger in einem mit Aufregern, Pannen und Skandalen reich befrachteten Sport.

Mexiko-Stadt 1964: Ein Buch als Weihnachtsgeschenk

Drei Fahrer haben beim Saisonfinale der WM 1964 noch Chancen auf den Titel: Graham Hill, John Surtees und Jim Clark. Hill und Surtees können mit einem Sieg aus eigener Kraft Weltmeister werden, Clark, von Startplatz 1 ins Rennen gegangen, ist auf Fehler seiner britischen Landsmänner angewiesen. Dies erübrigt sich wenige Runden vor Schluss, weil an Clarks Auto eine Ölleitung reisst.

Es kommt also zum WM-Duell Hill gegen Surtees. Dabei wird Surtees’ Ferrari-Teamkollege Lorenzo Bandini zur grossen Figur. Erst schiesst er Hill ab, der Italiener kann weiterfahren, Hill muss an die Boxen. Später befolgt Bandini die Ferrari-Stallorder und lässt Surtees passieren. Der Engländer im italienischen Boliden wird zum ersten und einzigen Mal Weltmeister – und die Formel 1 hat ihr erstes Skandalrennen.

Graham Hill soll es mit Humor genommen haben und Bandini zu Weihnachten ein Buch geschickt haben. Dessen Titel? «So lerne ich Autofahren».

John Surtees, Grand Prix of Mexico, Autodromo Hermanos Rodriguez, 25 October 1964. A happy John Surtees at the finish of the 1964 Mexican Grand Prix, he is the new World Champion!. (Photo by Bernard Cahier/Getty Images)

Imola 1982: Ecclestones Streit eskaliert

Ab Mitte der Siebzigerjahre beginnt die Zeit von Bernie Ecclestone. Er gründet die Konstrukteursvereinigung Formula One Constructors’ Association (Foca) und tritt damit in Konkurrenz zum Internationalen Automobilsportverband (Fisa). 1982 eskaliert die sowieso schon frostige Beziehung zwischen Foca und Fisa zum Streit, als beim GP von Brasilien die Autos von Keke Rosberg (Williams) und Nelson Piquet (Brabham) wegen eines unzulässigen Wassertanks disqualifiziert werden.

Die Foca, der mehrheitlich britische Teams angehören, boykottiert daraufhin den GP von San Marino in Imola. Sie sieht die Disqualifikation von Brasilien als politisch motiviert an, weil dadurch Renault-Pilot Alain Prost und überhaupt die Interessen der traditionellen Teams Ferrari, Alfa Romeo oder eben Renault geschützt werden sollten. Von 34 zur WM gemeldeten Autos gehen in Imola nur 14 ins Rennen. Das Ziel erreichen 5 von ihnen.

Adelaide 1994: Schumacher macht es wie Senna und Prost

Michael Schumacher hat in seiner Karriere immer von den Besten gelernt – im Guten wie im Schlechten. Am Ende der Saison 1994 befindet er sich im Duell mit Damon Hill um den WM-Titel. Der Deutsche gewinnt ihn, weil er bei einem Überholmanöver Hills eine Kollision provoziert, die ihm mehr nützt als dem Briten: Beide scheiden aus, Schumacher ist erstmals Weltmeister.

Die Szene erinnert an die Zweikämpfe, die sich Alain Prost und Ayrton Senna ein paar Jahre zuvor liefern. Beim GP von Japan 1989, einem der berühmtesten Rennen überhaupt, lässt Prost seinen Teamkollegen und Rivalen auffahren, wobei beide ausscheiden – der Franzose ist Weltmeister. Ein Jahr später revanchiert sich Senna und sorgt nun seinerseits und gleich bei der ersten Kurve für einen Doppelausfall. Diesmal gewinnt der Brasilianer den Titel.

Auch Schumacher wird es nach 1994 noch einmal versuchen: im Titelrennen 1997 mit Jacques Villeneuve. Beim letzten Saisonrennen muss der Kanadier gewinnen, doch als er Schumacher überholen will, rammt ihm dieser das Vorderrad in die Seite. Villeneuve bleibt aber im Rennen, während der Deutsche ausscheidet. Der Kanadier wird Weltmeister – und Schumacher wegen des eindeutig unsportlichen Manövers der zweite WM-Rang aberkannt.

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Monte Carlo 1996: Nur drei Autos im Ziel

Unfälle, Motorschäden, Kollisionen: Von den 21 Fahrern, die zum GP von Monaco 1996 starten, erreichen gerade einmal 3 das Ziel. Nie vorher oder nachher in der Formel-1-Geschichte sind es weniger. Insgesamt werden nur 7 Autos klassiert. Der Rest? Scheitert an sich, am Auto, an der anspruchsvollen Strecke oder am Gegner.

Olivier Panis gewinnt das Rennen, es wird der einzige Sieg seiner Karriere sein, hinter dem Franzosen folgten David Coulthard und Sauber-Pilot Johnny Herbert. Es ist erst der zweite Podestplatz für das damals noch junge Schweizer Team.

Olivier Panis of France, center, raises the victory trophy after winning the Monaco F1 Grand Prix with Scotland's David Coulthard, left, and Britain's Johnny Herbert in Monaco Sunday May 19, 1996. French Sports Minister Guy Drut, is left, Prince Rainer of Monaco, 2nd left, and Princess Caroline of Monaco, right. (KEYSTONE/AP Photo/Lionel Cironneau)

Ebenfalls sieben klassierte Fahrer erlebt der Monaco-GP zuvor im Jahr 1990 – aber immerhin durchquerten sechs von ihnen das Ziel. Siebter und Letzter wurde der Schweizer Gregor Foitek, der seinen Ford nach einer Kollision sechs Runden vor dem Ziel abstellen musste, es aber dennoch in die Wertung schaffte. Es war das beste Ergebnis für den Zürcher in seiner kurzen Karriere in der Königsklasse.

Spielberg 2001 (und 2002): Ferrari und die Stallorder

«Let Michael pass for the Championship»: Diese berühmten Worte aus dem Mund von Ferrari-Teamchef Jean Todt ruinieren 2001 den GP von Österreich. Adressiert ist die Weisung über den Funk an den brasilianischen Ferrari-Fahrer Rubens Barrichello, Teamkollege Michael Schumacher in der letzten Runde noch passieren zu lassen, damit dieser Zweiter wird im Rennen hinter David Coulthard und nicht Dritter. Damit er also weiterhin Chancen in der WM-Wertung hat. Todt ist unmissverständlich im TV zu hören.

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Die Fans quittieren die offensichtliche Stallorder mit Buhrufen und Pfiffen, selbst Schumacher ist bei der Siegerehrung peinlich berührt von der öffentlichen Demütigung Barrichellos durch die Ferrari-Rennleitung. Skandalöserweise wiederholt sich auf derselben Strecke der fast identische Vorfall nur ein Jahr später: Obwohl diesmal sogar Führender des Rennens, muss Barrichello Schumacher erneut den Vortritt lassen.

Ferrari wird danach mit einer Million Euro gebüsst. Der Internationale Automobilverband verbietet in der Folge eine Stallorder.

Indianapolis 2005: Minirennen wegen schlechter Reifen

Als Ralf Schumacher im Training zum Indianapolis-GP 2005 in die Mauer der Steilwandkurve kracht, schwant Reifenhersteller Michelin: Wir haben ein ernsthaftes Problem. Die französischen Reifen halten die Kräfte, die im Rund der traditionellen Indy-Car-Strecke herrschen, nicht aus. Bald zeigt sich, dass ein Rennen auf der geplanten Strecke ein zu grosses Risiko wäre.

In den Stunden bis zum GP entwickelt sich ein veritabler Krimi. Es wird über Geschwindigkeitsbegrenzer diskutiert und über eine mobile Schikane, um die Michelin-Autos trotz Sicherheitsbedenken starten lassen zu können. 14 der 20 Boliden im Starterfeld waren betroffen. Die restlichen 3 Teams, vor allem Ferrari, stehen bei Konkurrenz Bridgestone unter Vertrag.

Am Ende nützen alle Diskussionen nichts, ein Verzicht auf das Rennen ist alternativlos. Auch weil Ferrari keine Kompromisse eingehen will. Nach dem Ende der Aufwärmrunde biegen sämtliche Michelin-Autos ab in die Box und stellen die Motoren ab. Ferrari feiert gegen die Hinterbänkler-Teams Jordan und Minardi einen lockeren Doppelsieg.

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Die Fans reagieren empört auf den Eklat, sie buhen und pfeifen und bewerfen die verbliebenen 6 Autos auf der Strecke mit Bierdosen. Der Schaden des Skandals ist gigantisch: 2006 und 2007 kehrt die Formel 1 noch einmal nach Indianapolis zurück, doch das Interesse ist gering. Es wird bis 2012 dauern, ehe sich die Königsklasse wieder in die USA traut.

Türkei 2020: Hamilton rutscht zum WM-Titel

Öl und Wasser sind selten eine gute Kombination; nicht in der Küche oder in den Weltmeeren, aber auch nicht auf einer Formel-1-Strecke. Doch von Beginn an: In der Corona-Saison 2020 wird der Formel-1-Kalender mehrmals überarbeitet. Im November springt Istanbul für einen GP ein, kurz zuvor wird der Belag der Strecke komplett erneuert. Doch neue Beläge sind im Fahrerfeld unbeliebt, da es wegen des fehlenden Gummiabriebs an Grip mangelt.

In Istanbul kommt in den Trainings und auch im Rennen vom Sonntag hinzu, dass Öl aus dem neuen Belag austritt. Und wäre dies für die Fahrer nicht schon schwierig genug, beginnt es immer wieder auch noch zu regnen: Die grösste Rutschpartie der Formel-1-Geschichte ist perfekt. Lewis Hamilton, als WM-Leader angereist, spricht nach den Trainings von einem «Desaster», einer «Eisbahn» und ganz generell von «grosser Scheisse».

Der Ärger des Briten ist nach dem GP-Wochenende verflogen: Durch seinen Sieg in Istanbul sicherte sich Hamilton vorzeitig seinen siebten WM-Titel und zog mit Legende Michael Schumacher gleich.

Abu Dhabi 2021: Der Fehlentscheid des Renndirektors

Nicht nur die Teams und Fahrer sorgen für Skandale und Aufreger, auch auf Funktionärsebene kann dies passieren. So geschehen beim Saisonfinale 2021 in Abu Dhabi und beim Duell um den WM-Titel zwischen Lewis Hamilton und Max Verstappen auf der letzten Runde. Wichtiger Nebendarsteller: der australische Renndirektor Michael Masi.

Am Ende einer Safety-Car-Phase kurz vor Schluss lässt Masi jene fünf überrundeten Autos Hamilton und den Safety-Car überholen, die sich zwischen Hamilton und Verstappen befanden. Der Niederländer erhält dadurch die Chance, Hamilton mit den frischeren Reifen an seinem Auto in extremis noch zu überholen – im Rennen und in der WM-Wertung. Es gelingt dem Niederländer, die Reifen an Hamiltons Mercedes sind schlicht zu ramponiert.

Masis Entscheid sorgt für Eruptionen in den sozialen Medien und am Teamfunk. Legendär die flehende Anklage von Mercedes-Teamchef Toto Wolff an die Adresse des Australiers: «No, Michael, no, no, Michael, das ist dermassen falsch!» Mercedes legt nach dem Rennen Rekurs ein – vergebens.

Nach einer Untersuchung kommt der Internationale Automobilverband schliesslich doch zum Schluss, dass der Entscheid nicht reglementskonform gewesen sei, und entfernt Masi knapp zwei Monate nach dem Rennen aus der Position. Hamilton nützt das freilich nichts.

Red Bull driver Max Verstappen of the Netherlands wins the Formula One Abu Dhabi Grand Prix in Abu Dhabi, United Arab Emirates, Sunday, Dec. 12, 2021. (AP Photo/Kamran Jebreili, Pool)