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Liebling der Wanderer
Mit Stöcken verbraucht man deutlich mehr Kalorien – doch sind sie auch sinnvoll?

Ob im Steilen oder im Flachen: Wanderstöcke werden breit eingesetzt. 
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Wo man in der Schweiz auch auf Wanderer trifft, das Motto scheint zu sein: nicht ohne meine Stöcke. Wie sinnvoll sie sind, haben amerikanische Bewegungswissenschaftler in einer sogenannten Metastudie 2020 zu beantworten versucht, also einer Arbeit, die alle bisherigen auswertete. Die Kernfragen dabei: Was bringen Wanderstöcke überhaupt? Und vor allem: Wem und in welchen Situationen? 

Der Kalorienumsatz steigt – das kann heikel sein

Die Datenlage ist klar: Wer mit Stöcken wandert, verbraucht mehr Kalorien – weil dank dem (richtigen) Stockeinsatz auch die Muskeln des Oberkörpers stark beansprucht werden. Um bis zu 20 Prozent kann sich der Kalorienumsatz steigern.

Mit Stöcken fühlt es sich leichter an, dabei verbraucht man mehr Kalorien als ohne Stöcke.

Das ist gerade für schweissbegierige Wanderinnen toll. Wanderstöcke können folglich eine willkommene Trainingszusatzhilfe sein – und sind mit ein Grund, warum die Nordic-Walking-Bewegung einst abhob. Zumal das (Geradeaus-)Walken den Bewegungsapparat nur sanft belastet.  

Dieser Nutzen für trainierte Wanderer kann für Anfänger oder schwächere Wanderer zum Problem werden. Aus zwei Gründen: 1. Die Gesamtbelastung nimmt zu. 2. Der Körper muss mit Stöcken zwar mehr arbeiten, die subjektive Bewertung der wahrgenommenen Anstrengung sinkt jedoch. Das bedeutet: Wanderer nehmen die gleiche Belastung mit Stöcken als weniger anstrengend wahr als ohne. Folglich lauert darin eine gewisse Überschätzungsgefahr.

Man sollte vor einer (längeren) Wanderung sein Leistungsvermögen darum realistisch einschätzen und berücksichtigen, dass der Stockeinsatz ein bisschen befreiend wirkt. Das ist unproblematisch, wenn man sich in Stadtnähe überfordert. Problematischer wird es fern der Zivilisation. 

Das Gangmuster verändert sich – die Beine freuts

Wer mit Stöcken wandert, verändert seinen Schritt: Länge und Frequenz nehmen zu. Der Kniewinkel wird im Vergleich zum Wandern ohne Stöcke verbessert, was zu einer geringeren Belastung führt. 

Wer die Stöcke dann beim Abstieg noch richtig einsetzt, also einen Teil der Krafteinwirkung über den Oberkörper aufnimmt, verringert die Belastungen auf die unteren Extremitäten um bis zu 16 Prozent. Im Flachen sind es um die 10 Prozent. Ob die Werte beim Aufstieg ähnlich sind, weiss man nicht. Dazu existieren keine Daten. Diese Minderbelastung auf die Beine führt übrigens zu einem interessanten Nebeneffekt: Die Intensität des Muskelkaters ist nach dem Wandern mit Stöcken geringer.

Routinierte Stockbenutzer schlaufen beim Abwärtslaufen aus.

Aus allem zusammen gilt: Der Einsatz von Wanderstöcken ist gerade bei Abstiegen sinnvoll, besonders, wenn ein Wanderer a) sehr schwer ist, b) älter und weniger gut zu Fuss ist, c) schwere Last trägt, d) ohnehin schon Probleme aufweist wie Arthritis.

Der grosse Nachteil: Ein Sturz lässt sich meist schlechter abfangen, wenn die Hände gebunden sind. Darum schlaufen routinierte Stockbenutzer beim Abwärtsgehen aus, um die Hände im Fall eines Wegrutschens oder Sturzes frei zu haben.

Bessere Balance – oder doch nicht?

Sind Wanderstöcke in diesem Gelände sinnvoll? Die Internationale Vereinigung der Alpinistenverbände sagt: Nein.

Gerade in rutschigem oder losem Terrain ist unumstritten: Wanderstöcke verbessern die Balance und erhöhen die Sicherheit, weil das Risiko von Stürzen und damit Verletzungen minimiert wird. Die Internationale Vereinigung der Alpinistenverbände (UIAA) empfiehlt den Stockeinsatz darum beim Begehen von Schneefeldern, auf nassem Untergrund oder bei stark verminderter Sicht.

Trotzdem findet sie – Abstiege zudem ausgenommen: «Stöcke sind überflüssig ... und sollten vor allem aus Gründen der Sicherheit keinesfalls ununterbrochen benutzt werden.» Allerdings stammt das entsprechende Papier von 2008. 

Insgesamt dürfte der Einsatz von Wanderstöcken in vielen Situationen nützlich sein.

Ihre Empfehlung gründet auf drei Überlegungen. 1. Wer mit Stöcken wandert, hat die Hände gebunden und kann sie damit bei einem Sturz nicht einsetzen. 2. Gerade die Knochen und Knorpel brauchten Reize, um gesund zu bleiben. Würden diese (Schlag-)Reize mittels Stöcken minimiert, fehle das entsprechende Training. 3. Wer dauernd mit Stöcken wandere, vermindere allenfalls sein Gleichgewichtsgefühl und büsse an koordinativen Fähigkeiten ein. Müsse ein Wanderer dann anspruchsvolles Gelände wie schmale Grate bewältigen, in denen er ohnehin keine Stöcke einsetzen könne, erhöhe sich das Unfallrisiko.

Eine Studie hat sich des zentralen dritten Punkts angenommen – und ist zu gegenteiligen Resultaten gekommen. Zumindest in diesem kleinen Sample verminderte sich die Balancefähigkeit trotz Wanderstockeinsatz nicht. Die Auslegung der UIAA zum Thema scheint also eher konservativ. Insgesamt dürfte der Einsatz von Wanderstöcken in vielen Situationen nützlich und damit zweckdienlich sein. 

Dieser Artikel ist erstmals im November 2020 in dieser Zeitung erschienen. Er wurde leicht überarbeitet.