Abstimmung vom 13. FebruarDie Initianten wollen Leben schützen – dabei gefährden sie es
Die Initiative für ein Tierversuchsverbot ist radikal, eine Annahme hätte fatale Folgen. Gleichwohl steht die Politik in der Pflicht: Es braucht mehr Mittel für die Erforschung von Alternativen.
Man stelle sich vor: Es gäbe eine Spezies, die über uns herrschen würde. Die aus unserem Kreis beliebig Mitmenschen auswählen und Versuche an ihnen durchführen würde – Versuche, an deren Ende meist der Tod stünde. Wie wäre unser Leben? Wie würden wir uns fühlen?
Das Gedankenexperiment stammt von den Promotoren der Volksinitiative, die Tierversuche verbieten will. So abenteuerlich, ja verstörend es ist: Es zwingt uns, zumindest einen Moment lang, einen Perspektivenwechsel auf. Und es führt zu einer unbequemen Frage: Warum tut der Mensch Tieren an, was er sich selber nie antun würde?
Aus ethischer Perspektive sind Tierversuche problematisch, da Tiere einzig als Mittel zum Zweck dienen und dabei in vielen Versuchen Schmerzen erleiden müssen, Angst, Stress. Und doch gibt es triftige Gründe, das Volksbegehren abzulehnen. Der wichtigste: Wir stehen in der Pflicht, anderen Menschen zu helfen. Doch diese Pflicht lässt sich nur erfüllen, wenn die Forschung weiterhin Medikamente und Impfstoffe entwickeln kann – und dazu sind Tierversuche nötig.
Zugegeben, viele an Tieren untersuchte Therapien erhalten nie eine Zulassung. Daraus zu folgern, die Versuche würden nichts bringen, ist aber falsch. Die Versuche haben gerade zum Zweck, jene Therapien herauszufiltern, die potenziell wirken und sicher sind. Die erfolgversprechendsten schaffen es in die klinischen Studien, an denen Menschen teilnehmen (was die Initianten auch verbieten wollen). Und davon wiederum gelangt ein Teil auf den Markt.
Medizinische Versorgung bedroht
Gerade die Corona-Pandemie zeigt, wie wichtig es ist, dass die Forschung ihre Schaffenskraft entfalten kann. Zwar gibt es Alternativen, Computersimulationen etwa oder im Labor gezüchtete Zellkulturen. Doch Tierversuche ersetzen können diese Methoden auf absehbare Zeit nicht; darüber herrscht wissenschaftlicher Konsens. Wäre die Initiative bei Ausbruch der Corona-Pandemie bereits in Kraft gewesen: Der Schweiz wären die Impfstoffe verwehrt geblieben. Eine Annahme des Begehrens hätte also drastische Folgen für die Bevölkerung. Aber nicht nur: Die sichere medizinische Versorgung wäre auch für Haus- und Nutztiere nicht mehr gewährleistet.
Ein Verbot würde weitere Probleme schaffen. Die Initiative möchte den Import neuer Medikamente und anderer Produkte verbieten, die mit Tierversuchen entwickelt wurden. Eine solche Auflage würde internationale Abkommen verletzen und neue Handelshemmnisse schaffen. Nötig wäre zudem ein neuer Kontrollapparat an der Grenze – mit entsprechenden Kostenfolgen. Hart träfe ein Ja zur Initiative auch den Forschungsplatz Schweiz, und das zu einem delikaten Zeitpunkt: Die Schweizer Forschergilde klagt jetzt schon über Probleme, weil die EU die Schweiz aus dem Forschungsprogramm Horizon Europe ausgeschlossen hat.
Man kann sich fragen, warum die Initianten ein derartiges Unterfangen lanciert haben.
Die Initiative ist – ohne jede Übertreibung – extrem. Keine ernst zu nehmende politische Kraft unterstützt sie. Nicht zuletzt, weil sie die Gefahr einer Zweiklassenmedizin birgt: Wer es sich leisten könnte, würde sich künftig im Ausland behandeln lassen. Selbst Tierschützer sind gespalten: Der Schweizer Tierschutz, die älteste Tierschutzorganisation der Schweiz, lehnt das Begehren ab. Stimmvolk und Stände dürften das Begehren denn auch klar verwerfen; darauf deuten die Umfragen hin.
Man kann sich fragen, warum die Initianten ein derartiges Projekt überhaupt lanciert haben. Ihre Antwort: Für sie kennt Erfolg «keine Halbheiten», es könne nur eine Wende geben – oder eben nicht. Das ist falsch. Der Weg zum Ziel führt, gerade in der Politik, über Zwischenschritte. Ironischerweise liefert die Initiative das beste Beispiel dafür: Unter ihrem Druck hat der Bund letztes Jahr ein 20 Millionen Franken schweres Forschungsprogramm lanciert, das zum Ziel hat, Tierversuche weiter zu reduzieren, zu verfeinern und zu ersetzen.
Das ist zwar immer noch viel weniger Geld, als heute in die Forschung mit Tierversuchen fliesst. Aber es ist ein guter Anfang. Es ist am Parlament, weitere Mittel für die sogenannte 3R-Forschung bereitzustellen – auch nach dem 13. Februar. Nur so erhalten wir uns die Chance, eines Tages ganz auf Tierversuche verzichten zu können.
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