Sonne in KüsnachtSie unterbrachen sogar die Hochzeitsreise für ihr Hotel
21 Jahre führten Catherine Julen und René Grüter das Romantik-Seehotel Sonne. Zum Abschied erzählen sie von tierischen Gästen und einem Raubüberfall.
«Das Haus ist ein Juwel»: Wenn Catherine Julen über die Sonne spricht, ist ihr die Verbundenheit mit dem Hotel sogleich anzumerken. Und auch ihr Mann René Grüter schwärmt, wenn er an die 21 Jahre zurückdenkt, während deren das Paar die Geschicke der traditionellen Institution in Küsnacht geleitet hat. «Das Haus hat eine Seele: Wenn die Wände und Gebälke erzählen könnten, wäre das unglaublich.»
Tatsächlich gehen die Ursprünge des Gebäudes bis ins Mittelalter zurück. 1641 wurde die Sonne dann das erste Mal als Wirtschaft schriftlich erwähnt. Für Grüter und Julen ist klar: «Wir sind ein kleines Steinchen in dieser Geschichte.» Ein Steinchen, das nun nicht weiterrollt. Das Ehepaar geht auf Ende März in den Vorruhestand.
Mit Guggenbühls verbunden
Kennen gelernt hatten sich der Luzerner und die Walliserin im Zürcher Hotel Widder beim Arbeiten. Der Wunsch nach einer Hotelleitung wuchs, doch sie wollten nicht das Haus einer grossen Kette führen, sondern suchten etwas Besonderes.
Eine Ahnung, worauf sie sich eingelassen hatten, bekam Julen, die selbst aus einer Hoteliersfamilie stammt, als die ehemalige Sonne-Wirtin Rosmarie Guggenbühl sie, kurz nachdem sie in der Sonne angefangen hatten, durchs Hotel führte. Dies, obwohl das Haus schon einige Jahre nicht mehr der Küsnachter Familiendynastie gehörte.
Mehr als drei Jahrhunderte war das Hotel im Eigentum der Familie, die immer wieder eine wichtige Rolle in der Küsnachter Politik spielte. «Nach so vielen Jahren gehört die Sonne immer noch ein bisschen der Familie Guggenbühl», sagt Julen denn auch.
Nie länger Ferien
Geprägt haben mittlerweile auch René Grüter und Catherine Julen das Traditionshaus. Oft waren sie 24 Stunden am Tag für ihre Gäste und Mitarbeitenden da. «Wir haben nie länger als zweieinhalb Wochen Ferien gemacht», erzählt Grüter. Dreimal mussten sie die Ferien notfallmässig unterbrechen.
«Das eine Mal wurde unser Nachtportier ausgeraubt, da waren wir auf Hochzeitsreise», erinnert sich Grüter. Geschehen ist dem Mitarbeiter zum Glück nichts. Dingfest gemacht werden konnten die Täter allerdings nie.
Teil des Dorfs
Eine wichtige Konstante im Leben wurde für das Paar nicht nur das Hotel, sondern auch das Dorf. Es sei von ihnen erwartet worden, dass sie nach Küsnacht zögen, erinnert sich Julen an das Bewerbungsgespräch mit dem Verwaltungsrat.
Als die Eltern eines erwachsenen Sohnes als Gastgeber angefangen hatten, übertrug der Besitzer Urs Schwarzenbach – der umstrittene Küsnachter Milliardär, dem auch das Dolder Grand gehört – die operative Führung der Candrian Catering GmbH. Ab 2003 war die Sonne selbstständig und rapportierte direkt an Urs Schwarzenbach. «Wir haben grosse Freiheiten gehabt und das Hotel wie unser eigenes geführt», sagt Grüter, angesprochen auf die Zusammenarbeit mit Schwarzenbach.
Zu Beginn ihrer Zeit sei die Sonne eher als Restaurant positioniert gewesen, das noch ein paar Zimmer habe. Heute ist es aus der Zürcher Hotellerie nicht mehr wegzudenken – dies aber, ohne abzuheben. «Wir wollten offen sein für die hiesige Bevölkerung», betonen beide.
So sei ein Selbstbedienungsbereich im Garten doch eher untypisch für ein 4-Stern-Superior-Hotel. Doch die Sonne sei für viele Küsnachter Familien, die hier über Generationen Feste von der Taufe über Konfirmation und Hochzeit bis zum Leichenmahl gefeiert hätten, wichtig.
Auch Tina Turner war da
Das Schöne als Hotelier sei, dass man ein Allrounder sei: Es gebe wenige Berufe, die abwechslungsreicher seien, sagt Grüter. Oft hätten sie pragmatische Lösungen finden müssen. So geschehen bei «Live on Ice», als die Sonne 2011 das erste Mal im Winter ein Eisfeld am See einrichtete.
«Stündlich mussten wir zwei, drei Nächte lang Wasser aufs frische Eisfeld giessen», erinnert er sich. «Und wir hielten die ganze Nacht die sogenannte Blättliwache, entfernten Blätter, die aufs gefrierende Eis fielen.» Im Jahr darauf spannten sie ein Netz über das Eisfeld.
«Live on Ice», das zuletzt wegen Corona und der Energiemangellage ausfallen musste, wurde zum Markenzeichen der Sonne. So zeigte etwa Eiskunstlauf-Europameisterin Sarah Meier ihre Pirouetten auf dem Eisfeld, und in Tina Turners Autobiografie findet es ebenfalls Erwähnung.
Es ist nicht die einzige Anekdote, die Grüter und Julen zu erzählen wissen. Für Aufregung sorgte etwa eine Mardermutter, die sich mit ihren Jungen im kleinen Turm eingenistet hatte. Die ausgesprochen munteren Jungtiere nutzten das Schrägfenster vor dem Zimmer eines Gastes die halbe Nacht lang äusserst lautstark als Rutschbahn. Der nahm den tierischen Besuch gelassen, machte einen Film vom Spektakel und schickte diesen seinen Kindern in Amerika.
Abnehmender Respekt
Wichtig war Grüter und Julen die Arbeitskultur im Betrieb: dass man sich auf Augenhöhe begegnet. Als Chefs waren sie sich nicht zu schade, auch einmal das Besteck zu polieren, oder organisierten notfallmässig einen nicht gelieferten Brautstrauss.
Kritisch sehen sie, wie sich der Umgang gewisser Gäste mit den Mitarbeitenden verändert habe. So schildern sie Diskriminierungen gegenüber dunkelhäutigen oder kräftig gebauten Mitarbeitenden. Dies sei ein Problem in der Branche und trage zum Fachkräftemangel bei, gibt René Grüter zu bedenken.
Das Paar geht mit einem lachenden und einem weinenden Auge. «Wir werden die neue Freiheit geniessen und dass wir Zeit für uns haben», sagt Grüter. Fehlen werde ihnen aber der Kontakt zu den Mitarbeitenden, ergänzt seine Frau. Endgültig ist der Abschied nicht, die beiden bleiben nämlich in Küsnacht.
Am 1. April übernimmt Oliver Moritz, ehemaliger Director of Food & Beverage des Dolder Grand, interimsmässig die Leitung der Sonne. Derzeit wird eine Nachfolge für Catherine Julen und René Grüter gesucht.
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