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Meinung

Sie steigen und steigen – doch wie geht es weiter?

Für gute Stimmung auf dem Börsenparkett dürfte weiterhin gesorgt sein: Händler an der New York Stock Exchange im vergangenen Oktober. (REUTERS/Brendan McDermid)
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Seit Weihnachten haben die Börsen in den USA erneute Kursrekorde erreicht. Dort waren die Aktienmärkte am Donnerstag geöffnet. Der Schweizer Leitzindex SMI notiert am Freitagmittag leicht im Plus. Im ablaufenden Jahr hat er aber ebenfalls um mehr als 27 Prozent zugelegt. In den USA stiegen die Kurse gemessen am breiten S&P 500 Index mit 28,4 Punkten noch stärker an. Gemessen am Index von Technologiewerten wie Amazon, Google, Facebook, Apple oder Microsoft schaffte es der Nasdaq Composite sogar auf einen Kursgewinn von 34,31 Prozent.

Einen derart starken Börsenverlauf haben die Analysten vor einem Jahr nicht erwartet. Eine ganze Reihe von Unsicherheiten lastete immerhin auf den Kapitalmärkten. Die grösste Rolle hat dabei der Handelskrieg zwischen China und den USA gespielt. Der wichtigste Grund für das dennoch starke Abschneiden der Börsen ist die Geldpolitik. Anders als noch vor einem Jahr erwartet haben die Notenbanken weltweit die Schleusen für frisches Geld weiter geöffnet.

Die US-Notenbank Fed hat das Zielband für ihren Leitzins seit dem letzten Dezember um 0,75 Prozent auf 1,5 bis 1,75 Prozent gesenkt, die Europäische Zentralbank ihrerseits hat ihren Einlagesatz für die Banken von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent tiefer in den negativen Bereich gedrückt und erneut ein unbeschränktes Aufkaufprogramm für Staatsanleihen für monatlich 20 Milliarden Euro gestartet. Die Schweizerische Nationalbank verblieb derweil bei ihren rekordtiefen Negativzinsen von minus 0,75 Prozent und hat im Sommer für rund 12 Milliarden Franken wieder Fremdwährungen aufgekauft.

Geldpolitik bleibt Haupttreiber

Vor allem wegen der überall überaus expansiv bleibenden Geldpolitik erwarten die Analysten auch für das nächste Jahr mehrheitlich steigende Aktienkurse. Von keiner der grossen Notenbanken erwartet die Mehrheit im nächsten Jahr einen Kurswechsel. Gemäss der am Freitag von der Credit Suisse durchgeführten und publizierten Finanzmarktumfrage unter 24 Analysten verschiedener Institute geht fast die Hälfte von einem weiteren Kursanstieg in der Schweiz wie auch in Europa und den USA aus. Rund 43,5 Prozent rechnen mit stabilen Kursen, und nur eine Minderheit von 8,7 Prozent geht von fallenden Kursen aus.

«Aktien bleiben auch 2020 die bevorzugte Anlageklasse», sagt auch Christoph Schenk, Anlagechef der Zürcher Kantonalbank. Dabei empfiehlt er besonders Schweizer und US-Titel. Auch grosse Finanzinstitute wie die UBS, die Credit Suisse oder die Zurich-Versicherungen haben bereits zuvor ein gutes Aktienjahr 2020 vorausgesagt, während sie für die Realwirtschaft eine Abschwächung erwarten. Für viele Schweizer Aktien spricht vor allem eine ansprechende Dividendenrendite. In den USA werden in erster Linie im Technologiesektor weitere Zuwächse erwartet.

Der Handelsstreit wird ein Faktor bleiben

Für ein anhaltend freundliches Börsenumfeld spricht auch, dass wesentliche Risiken wie der Handelskrieg und ein ungeordneter Brexit vorerst vom Tisch zu sein scheinen. Die USA haben sich mit China auf einen Übergangsdeal geeinigt, und in Grossbritannien sorgt die Wahl von Boris Johnson für mehr Stabilität. Ausserdem sitzen Private und Unternehmen auf viel Bargeld, für das sie angesichts der tiefen Zinsen kaum andere lohnende Anlagemöglichkeiten finden.

Die Handelsauseinandersetzungen bleiben allerdings auch für das nächste Jahr ein Risiko. Erstens ist der Deal mit China noch nicht unterzeichnet, zweitens wurden damit die wichtigsten Punkte nur verschoben, drittens hat US-Präsident Donald Trump schon früher immer wieder mit neuen Vorstössen überrascht, und viertens hat er bereits angedroht, nun Europa vermehrt ins Visier zu nehmen. Auch beim Brexit bleiben Überraschungen nicht ausgeschlossen.

600 Prozent in einem Jahrzehnt

Für grosse Unsicherheit dürfte schliesslich auch der Wahlkampf in den USA um das Präsidentenamt sorgen. Besonders besorgt sind die Börsianer, wenn es zu einem Linksrutsch kommt, etwa wenn sich die demokratische Senatorin Elizabeth Warren durchsetzt. Für die Schweizer Börse sieht die Credit Suisse in diesem Zusammenhang Risiken für den Pharmasektor, falls die obsiegende Partei die US-Gesundheitspolitik neu ausrichten würde.

Die politischen und ökonomischen Unsicherheiten kommen aber den Aktienmärkten insofern auch zugute, als das dazu verleitet, das Geld eher an die Börse zu bringen (auch über Rückkäufe eigener Aktien durch Firmen), statt in die geschwächte und unsichere Realwirtschaft zu investieren. Dieses Verhalten und die Geldschwemme der Notenbanken haben den Börsen schon im gesamten Jahrzehnt seit der Finanzkrise Schub gegeben. Seit dem Tiefpunkt am 9. März 2009 legte der Schweizer SMI um rund 150 Prozent zu, der S&P 500 in den USA um 376 Prozent und der Technologieindex Nasdaq um mehr als 600 Prozent.

Das im Vergleich zu den USA schlechtere Abschneiden der Schweizer Börse erklärt sich mit deren sogenannt defensiver Ausrichtung. Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé dominiert zusammen mit den beiden Pharmamultis Roche und Novartis den Schweizer Leitindex SMI zu mehr als 60 Prozent. Der Absatz von Nahrungsmitteln und Medikamenten ist weit stabiler und beständiger als etwa jener von technologischen Neuerungen. Doch es waren gerade diese, die die US-Börsen vor allem vorangetrieben haben.

Der starke Kursanstieg an den Börsen hat aber nicht nur Folgen für die Anleger. Vor dem Hintergrund der vielen Unsicherheiten in der Realwirtschaft – von denen die Mehrheit betroffen ist – befeuert er auch die Debatte um die steigende Ungleichheit. Denn die meisten Aktien befinden sich in den Händen des reichsten Teils der Bevölkerung.