Newcastle spaltet die Premier LeagueSie sind chronisch erfolglos, aber plötzlich steinreich
Der Premier-League-Club steckt im Tabellenkeller fest – hat seit Neuestem jedoch saudische Investoren. Und jetzt naht die erste Transferphase. Der Konkurrenz schaudert.
Die Absage des Premier-League-Spiels beim FC Everton am Donnerstagabend kommt für Newcastle United zum richtigen Zeitpunkt. Aufgrund akuter Verletzungssorgen und eines Corona-Ausbruchs an Weihnachten rund um die Mannschaft hatte Newcastle schon beim hart erkämpften 1:1 zu Wochenbeginn im Duell mit Rekordmeister Manchester United nur sechzehn Feldspieler zur Verfügung, wovon zwei unerfahrene Nachwuchskräfte das Kader auffüllten.
Nachdem während des Spiels mit Callum Wilson, Ryan Fraser und Allan Saint-Maximin drei weitere Offensivspieler angeschlagen hatten ausgewechselt werden müssen sowie Aussenverteidiger Javier Manquillo wegen einer Gelb-Sperre im nächsten Spiel fehlt, akzeptierte die Liga den Antrag des Clubs, die Partie gegen Everton zu verlegen. Auch das Auswärtsspiel am Sonntag beim Mitkonkurrenten FC Southampton im Kampf um den Klassenverbleib ist dadurch fraglich geworden – was Southamptons Trainer Ralph Hasenhüttl gründlich missfällt.
Hasenhüttl kritisierte, dass «Verletzungen keine Covid-Fälle» seien und Newcastle «immer noch» dreizehn Feldspieler plus Goalie zur Verfügung haben sollte, womit eine Spielverschiebung gemäss den Ligaregularien hinfällig wäre. Hinter der Empörung steckt die vermeintlich naheliegende Unterstellung, dass Newcastle momentan versucht, einigermassen schadlos Zeit zu gewinnen.
Denn das aktuelle Aufgebot, das hat die erste Saisonhälfte in der Premier League bewiesen, ist kaum konkurrenzfähig. Aus 19 Spielen holte Newcastle – trotz eines Trainerwechsels im Herbst, als der aufstrebende Eddie Howe (44) den entlassenen Veteranen Steve Bruce (60 Jahre, 1000 Spiele) ersetzte – einen Sieg und acht Remis, mit 42 Gegentoren stellt United die schlechteste Ligaabwehr, seit 2018 mittendrin Nationalspieler Fabian Schär. Jahrelang hat der Club vor allem die Defensive ohne signifikante Neuerwerbungen fast verkommen lassen.
«Verdammt reich» und «verdammt sch…»
Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass Newcastle durch den Einstieg des saudiarabischen Staatsfonds im Oktober jetzt der vermeintlich vermögendste Club der Welt ist, doch durch ausgebliebene Investitionen des vorherigen Eigentümers Mike Ashley für Premier-League-Verhältnisse lediglich über eine Billigmannschaft verfügt. Die gegnerischen Fans (und aus Sarkasmus manchmal auch die eigenen) singen daher, dass United «verdammt reich» sei, aber, sportlich gesehen, auch «verdammt sch…».
Der Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz beträgt zwar derzeit bloss zwei Punkte, aber die knapp davor platzierten Vereine haben mehrere Nachholspiele in der Hinterhand. Clublegende Alan Shearer stufte den Ligaerhalt vor kurzem als «Mammutaufgabe» ein. Als letzte Hoffnung für den stolzen Traditionsbetrieb aus der Fussballhochburg Newcastle upon Tyne im Norden der Insel gilt die Wintertransferperiode im Januar – allerdings hält auch diese einige Tücken bereit für den neureichen Verein.
Durch die fast unbegrenzten finanziellen Möglichkeiten des auf eine halbe Billion Euro taxierten Staatsfonds des autokratischen Königreichs am Persischen Golf fürchtet sich der Rest der Premier League davor, dass Newcastle sich im Eiltempo ein Team zusammenkauft, das im Aufzugstempo die Tabelle nach oben saust. Schon unmittelbar nach der kontroversen Übernahme kündigte Direktorin Amanda Staveley an – die als Teil des saudisch geführten Investorenkonsortiums über ihre Firma PCP Capital Partners zehn Prozent der Anteile am Verein hält, ebenso wie die Immobilien-Milliardäre Reuben –, den Club innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre an die internationale Spitze führen zu wollen.
Als erste Massnahme, um sich des zukünftigen Big Player Newcastle zu erwehren, setzte die Konkurrenz an einer Dringlichkeitssitzung kürzlich eine neue Vorschrift durch: Alle Clubs müssen fortan jeden über eine Million Pfund abgeschlossenen Sponsorenvertrag an die Premier League zur Absegnung weiterleiten. Dort soll von einer unabhängigen Instanz die Marktgerechtigkeit des Deals überprüft werden, um etwa zu verhindern, dass Newcastle realitätsferne Finanzspritzen über künstlich hochgerechnete Sponsoring-Abkommen mit saudischen Staatsfirmen erhalten kann, die den Spielraum auf dem Transfermarkt unverzüglich vergrössern würden.
Der ungeliebte Vorbesitzer wird zum Pluspunkt
Denn gemäss dem Ligareglement, das den Regularien des europäischen Financial Fairplay ähnelt, dürfen Clubs innerhalb eines Dreijahreszeitraums maximal einen Verlust von 105 Millionen Pfund schreiben. In diesem Zusammenhang erweist sich jedoch die sparsame Geschäftspolitik des Vorbesitzers Ashley – dem Fans vorwarfen, United als kostenlose Litfasssäule für sein Einzelhandelsimperium Sports Direct ausgenutzt zu haben – als erheblicher Vorteil, weil sich die Verluste in Grenzen hielten.
Erst vor zwei Wochen unterstrich Newcastle noch einmal seine Transferambitionen, indem Nick Hammond, früherer Sportchef von Celtic Glasgow, mit einem befristeten Beratervertrag ausgestattet wurde. Dem Vernehmen nach ist United auf der Suche nach mindestens einer Verstärkung für jeden Mannschaftsteil. Dabei werden unzählige Spielernamen kolportiert, aber noch ist kein Wechsel bestätigt. Das bisweilen verzweifelt wirkende Vorgehen erinnert an die sich zuletzt ziehende Trainersuche, bei der etliche Kandidaten wie Villarreals renommierter Coach Unai Emery ein Engagement abgelehnt hatten.
Geld als einziges Lockmittel
Unter dem aufstrebenden Engländer Howe, für den Newcastle wohl die Chance seines Lebens ist, hat sich die Mannschaft zumindest einigermassen gefangen, auch weil sich die Rückversetzung des begabten Angreifers Joelinton ins Mittelfeld bewährte. Trotzdem besitzt Howe nicht die klangvolle Vita, die Spieler anlockt, künftig unbedingt Newcastles schwarz-weiss gestreiftes Trikot zu tragen. Zumal die Konkurrenz kaum gewillt sein dürfte, an Newcastle ihre besten Kräfte abzugeben – und aus dem Ausland werden sich Spieler wohl fragen, ob sie sich wirklich einem Verein anschliessen sollen, der aufgrund seiner Verbindungen zu den wegen Menschenrechtsverletzungen stark gerügten saudischen Herrschern umstritten ist.
Als Lockmittel für neue Spieler bleibt Newcastle United daher fast nur der Verweis auf das üppig zu verdienende Geld – wovon der Club nun wahrlich genug hat.
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