Schweres Unglück in Mexiko-StadtSie hätten es verhindern müssen
Pfusch und Nachlässigkeit: Nach dem Brückeneinsturz in der Hauptstadt stellt sich die Frage nach der politischen Verantwortung. Im Fokus stehen zwei Spitzenpolitiker.
Es war eine Katastrophe mit Ansage. Seit die Linie 12, die neueste U-Bahn-Linie von Mexiko-Stadt vor fast einem Jahrzehnt eröffnet wurde, warnten Ingenieure vor Sicherheitsproblemen. Doch abgesehen von einer kurzen, teilweisen Stilllegung der Strecke 2014 passierte nichts. Und dies trotz vernichtenden internen Berichten und Meldungen der Bürgerinnen und Bürger, die auf offensichtliche Baumängel hinwiesen.
Anfang Woche hatte die Schlamperei tödliche Konsequenzen: Ein Betonpfeiler gab nach, als der U-Bahn-Zug darüber fuhr. Die Brücke brach zusammen, der Zug stürzte über 15 Meter in die Tiefe. Mindestens 25 Menschen starben, über 70 wurden verletzt.
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Die Szenen am Unfallort werden noch lange nachwirken: ein U-Bahn-Zug, in zwei Teile zerrissen, der in der Form eines V über der Strasse hängt. Feuerwehrleute und Sanitäter, die mit Leitern versuchen, Menschen aus den Waggons zu holen. Verzweifelte Angehörige, die nach ihren Familienmitgliedern suchen.
«Kriminelle Nachlässigkeit»
Als einen Fall von «krimineller Nachlässigkeit und einer ebenso kriminellen, falsch verstandenen Sparpolitik bezeichnet der ehemalige mexikanische Generalstaatsanwalt Ignacio Morales Lechuga das Unglück im Gespräch. Öffentliche Aufträge würden auf undurchsichtige Art vergeben, Korruption sei allgegenwärtig. Das tragische Unglück erschüttert jetzt auch die Politik Mexikos.
Im Zentrum der Kritik stehen Marcelo Ebrard, Aussenminister und früher Bürgermeister von Mexiko-Stadt, sowie Claudia Sheinbaum, die aktuelle Bürgermeisterin der Hauptstadt. Beide gehören der linken Regierungspartei Morena an und gelten als mögliche Nachfolger von Präsident Andrés Manuel López Obrador, dessen Amtszeit 2024 endet.
Ein Prestigeprojekt
Die Linie 12 wurde im Oktober 2012 von Marcelo Ebrard eingeweiht, der von 2006 bis 2012 Bürgermeister war. Kritiker warfen Ebrard damals vor, den Bau der Linie zu überstürzen, damit er sich noch in seiner Amtszeit feiern lassen könne. Für ihn war der Ausbau ein Prestigeprojekt.
Die ersten Probleme tauchten sofort auf. Wie mexikanische Medien berichten, war schnell klar, dass die U-Bahn-Züge nicht zu den Gleisen passten. Bei gewissen Abschnitten mussten die Züge aus Sicherheitsgründen das Tempo verlangsamen. 2014 wurden Teile der Strecke wegen Reparaturarbeiten stillgelegt. Darunter auch die Brücke, die Anfang Woche zusammengebrochen ist.
Ebrard bot an, bei der Untersuchung des Unglücks mitzuhelfen. «Wer nichts zu verstecken hat, muss nichts befürchten», sagte er gegenüber Journalisten.
Auch das schwere Erdbeben 2017 hatte die Infrastruktur der U-Bahn schwer beschädigt. Eine tragende Säule drohte einzubrechen. Zwar wurde diese repariert, doch finden sich auf sozialen Medien haufenweise Bilder, die den miserablen Stand der Infrastruktur belegen: Risse in den Pfeilern, Brücken, die durchhängen.
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Die Mängel müssen auch der aktuellen Bürgermeisterin Claudia Sheinbaum bekannt gewesen sein. Ein Bericht mit dem Titel «Masterplan 2018–2030» beschreibt, dass sowohl Gleise wie Züge dringend gewartet werden müssten, um die Sicherheit der Passagiere zu garantieren. Es sei auch denkbar, dass Züge entgleisen könnten.
Dass die angemahnten Reparaturarbeiten unter Stadtpräsidentin Sheinbaum durchgeführt wurden, ist unwahrscheinlich. Sie kürzte das Budget der U-Bahn und liess einen wichtigen Posten, der sich um die Instandhaltung der Bahn kümmern sollte, lange unbesetzt. Regelmässig kam es zuletzt zu gravierenden Unfällen. Im Januar hatte es bei einem Brand in einem Kontrollzentrum ein Todesopfer gegeben. 29 Menschen erlitten Rauchvergiftungen. Im März 2020 kollidierten zwei U-Bahnen. Ein Mensch starb, 41 weitere wurden verletzt, nachdem eine Panik ausgebrochen war.
Für den ehemaligen Generalstaatsanwalt Morales Lechuga ist die mangelhaft gebaute U-Bahn-Strecke kein Einzelfall. Auch in anderen Bereichen gebe es beträchtliche Sicherheitsrisiken. Er erwähnt die Ölbohrplattformen des staatlichen Pemex-Konzerns und das Nuklearkraftwerk Laguna Verde, bei dem es gemäss Experten Sicherheitsdefizite gebe. «Die Infrastruktur in diesem Land ist an vielen Orten mangelhaft. Wir laufen Gefahr, dass es zu weiteren Tragödien kommt», sagt er.
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