Memoiren der Schauspielerin Geena Davis Sexuelle Belästigungen gehörten zu ihrem Alltag
Die Amerikanerin war nicht nur Schauspielerin, sondern auch Aktivistin. In ihrer Autobiografie beschreibt sie, wie schüchtern sie war und wie sie ihre Höflichkeit ablegte.
Samantha, eine zufriedene Kleinstadtmutter, schneidet in der Küche Gemüse. Plötzlich, aus einem Instinkt heraus, wirft sie das Rüstmesser an die Wand, es bleibt zitternd hängen. Jahre zuvor fand man Samantha schwanger und bewusstlos an einem Strand von New Jersey. Als sie wieder zu sich kam, wusste sie nicht mehr, wer sie war. Wurde Lehrerin, fand mit ihrem Freund ein Haus, gemeinsam zogen sie die Tochter auf. Wie sich später herausstellt, hatte die junge Frau, gespielt von Geena Davis, während Jahren als Auftragsmörderin der CIA operiert.
Davon handelt der Thriller «The Long Kiss Goodnight» (1996), von Davis’ drittem Mann Renny Harlin gedreht; er wird heute weit höher bewertet als bei Erscheinen.
Die Rolle der Mutter, die sich als Agentin erweist, passt zu Geena Davis, weil sie ihrem eigenen Charakter entspricht. Das erläutert die heute 66-Jährige in ihren unterhaltsamen und angenehm kurz gehaltenen Memoiren, die eben erschienen sind. «Dying of Politeness», eine deutsche Übersetzung gibt es noch nicht, zeichnet das Bild einer auffällig grossen, anmutigen Frau, die in einer glücklichen Familie aufwächst und mit einer Mischung aus Schüchternheit, Naivität und extravertierter Freude an der Selbstinszenierung durchs Leben geht.
Nach einem abgebrochenen Theaterstudium jobbt sie in New York als Model, bevor sie der Regisseur Sydney Pollack entdeckt und 1982 in einer Nebenrolle in seinem Film «Tootsie» platziert. Darin gibt Dustin Hoffman einen arbeitslosen Schauspieler, der sich als Frau verkleidet zum Fernsehstar hochspielt. Die geistreiche Komödie der Geschlechterwirren gerät zum Grosserfolg.
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Auch in späteren Rollen zeigt sich, wie geschmackssicher Geena Davis ihre Drehbücher und Regisseure auswählt. Und wie sie sich als Schauspielerin die Naivität bewahrt, die so reizvoll mit der Exzentrik dieser Filme kontrastiert. So spielt sie eine zunehmend entsetzte Journalistin im Horrorfilm «The Fly» von David Cronenberg mit Jeff Goldblum in der Hauptrolle, der ihr zweiter Mann wird.
Für «Beetlejuice» arbeitet sie mit dem Exzentriker Tim Burton zusammen, für «The Accidental Tourist» (1988) mit Lawrence Kasdan und dem komplexen Schauspieler William Hurt. Er gibt einen mürrischen Reisejournalisten, sie eine aufgestellte Hundetrainerin, die ihm bis nach Paris folgt und ihn durch ihren schieren Optimismus aus seiner Depression rettet. Zu Recht bekommt Davis für ihren Auftritt einen Oscar.
Aber die meisten kennen sie aus dem fulminanten feministischen Roadmovie «Thelma and Louise» (1991) von Ridley Scott, in dem Geena Davis schon wieder eine naive Figur spielt, die dazu noch von ihrem Mann schlecht behandelt wird. Während einer wilden, verbrecherischen Autofahrt mit ihrer besten, von Susan Sarandon brillant gespielten Freundin Louise wird Thelma durch Erfahrung schlauer.
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Wie sie in ihren Memoiren ausführt, befreite Susan Sarandon, ihre so selbstbewusst intelligente Kollegin, sie während der Dreharbeiten von etwas, zu dem schon Geenas Eltern geneigt hatten: einer fast pathologisch selbstverleugnenden Höflichkeit. Diese erklärt den Titel des Buches: «Dying of Politeness», Sterben vor Höflichkeit.
Als Davis’ Filmkarriere einige Jahre später ins Uninteressante abgleitet, erfindet sie sich als Aktivistin neu, die erfolgreich für eine bessere Vertretung der Frauen in Film, Sport und Medien lobbyiert. Umso schockierter nimmt man die systematischen sexuellen Belästigungen zur Kenntnis, denen die Schauspielerin schon als Kind und dann als Model und Schauspielerin ausgesetzt war – und die sie in ihrem Buch ebenso direkt wie souverän schildert.
Immerhin kommt einem die Selbstverständlichkeit, mit der Männer die Frauen belästigten und die diese akzeptieren mussten, um ihre Karriere nicht zu gefährden, heute geradezu historisch vor. Dass die damalige Gegenwart zur Vergangenheit verstaubt ist, dazu hat Geena Davis beigetragen – als Akteurin und Aktivistin. Und mit ihrer Autobiografie.
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