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Nationalismus auf dem Balkan
Serbische Minister beleidigen Nachbarvölker

Kennt sich mit Propaganda aus: Serbiens Aussenminister Ivica Dacic.
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Vor genau 20 Jahren hätte in Serbien ein neues Zeitalter beginnen sollen. Am 5. Oktober 2000 wurde der Gewaltherrscher Slobodan Milosevic während einer Nachmittagsrevolution von der Macht entfernt, eine Belgrader Zeitung jubelte damals: «Endlich ist Serbien frei», der Westen reagierte erleichtert und versprach grosszügig Hilfe. Die Euphorie über den unblutigen Wandel damals ist verflogen, das Attentat auf den prowestlichen Premier Zoran Djindjic 2003 führte den Menschen deutlich vor Augen, dass die alten Kräfte kaum an Einfluss eingebüsst hatten. 2012 eroberten diese Kräfte die Macht zurück.

Was das für den politischen Diskurs bedeutet, konnte man in den letzten Tagen beobachten, als Aussenminister Ivica Dacic und Verteidigungsminister Aleksandar Vulin wieder einmal dem Hass auf die Nachbarvölker freien Lauf liessen. Dacic war in den 90er-Jahren Sprecher Milosevics, er kennt sich also mit Propaganda aus. In einem Interview mit dem Privatsender Happy TV sagte der serbische Chefdiplomat, die eigentlichen Opfer in Bosnien seien die Serben, denn das Nachbarland drohe, ein «islamistischer Staat» zu werden. «Aber das werden wir nicht zulassen.» Leider, so Dacic, fehle seinen Landsleuten das Talent, sich als Opfer zu präsentieren.

Leichen in der Donau

Die politischen Führer der bosnischen Muslime beschimpfte er als «Ayatollahs» und als «Mistkerle», die sich für die Anerkennung der Unabhängigkeit Kosovos engagierten. Den eigenen Landsleuten, die mit der Justiz zusammenarbeiten, um die Massengräber mit den Leichen von Kosovo-Albanern ausfindig zu machen, warf Dacic indirekt Landesverrat vor: «Wie sollen wir mit jenen Serben verfahren, die ausplaudern, wo die Albaner überall in Serbien begraben sind?»

Während des Kosovo-Krieges hatte eine Sondereinheit der serbischen Polizei etwa 1000 Leichen von Albanern vom Tatort in Kosovo nach Serbien transportiert. Die meisten wurden auf einem Polizeigelände vor den Toren Belgrads verscharrt, andere Opfer fanden die Behörden im See Perucac im Westen des Landes sowie in einem Kühlwagen in der Donau. Der frühere serbische Sonderstaatsanwalt für Kriegsverbrechen, Vladimir Vukcevic, bezeichnete die Äusserungen Dacics als «Dummheiten». Der «Clown» rede wie zu Zeiten, als er Milosevics Sprecher gewesen sei. Menschenrechtler in Belgrad verlangten eine Entschuldigung des Ministers. Auch bosnische und kosovo-albanische Politiker kritisierten Dacics Attacken und Geschichtsrevisionismus scharf.

Seine Helden sind verurteilte Kriegsverbrecher: Verteidigungsminister Aleksandar Vulin.

Zusätzlich Öl ins Feuer goss Verteidigungsminister Aleksandar Vulin mit einer herabsetzenden Bemerkung über die Kosovo-Albaner. Er beschrieb sie in einer offiziellen Erklärung als «Šiptari». Dieser Begriff ist vergleichbar mit dem rassistischen Unwort «Nigger» für schwarze Amerikaner. Die Belgrader Justiz kam 2018 in einem Urteil zum Schluss, dass die Bezeichnung «Šiptari» politisch unkorrekt und beleidigend sei. Für Vulin ist das kein Grund, seine Wortwahl zu mässigen. Im Gegenteil. Sekundiert wird er auch von den wichtigsten Massenmedien des Landes, die ständig vor den bösen «Šiptari» warnen, die Serbien bald den Krieg erklären wollen und die Serben überfallen und vernichten könnten.

Russophile Polterer

Aleksandar Vulin ist in der Belgrader Regierung der Mann für die schrillen Töne. Er hat nie Militärdienst geleistet, tritt aber gern in militärähnlichen Uniformen auf. Auch sieht er sich als Linker, sein Idol ist Che Guevara, und zu seinen Helden zählt er verurteilte serbische Kriegsverbrecher und den Literaturnobelpreisträger und Milosevic-Versteher Peter Handke. Vulin bereut es offen, dass es den Serben in den 90er-Jahren nicht gelungen sei, auf den Trümmern Jugoslawiens einen grossserbischen Staat zu errichten.

Sowohl Vulin als auch Sozialistenchef Dacic gelten in der serbischen Regierung als russophile Polterer. Ob sie auch in der neuen Regierung vertreten sein werden, ist unklar. Staatschef Aleksandar Vucic hat die Wahlen Ende Juni haushoch gewonnen und verfügt im Parlament über eine Zweidrittelmehrheit. Er ist auf die Kleinparteien von Dacic und Vulin nicht angewiesen.