Kolumne «Miniatur des Alltags»Seltsame kulinarische Gelüste
Die Hühner von Redaktorin Mirjam Bättig-Schnorf haben eine neue Leibspeise.
Nichtsahnend stieg ich an diesem Tag aus dem Auto und war gerade im Begriff, die Einkaufstaschen auszuladen – als mein Blick auf die Hühnerschar fiel. Diese hatte es sich auf der Schwelle der Terrassentür bequem gemacht, die seit kurzem mit einer Dämmplatte bedeckt war. Und aus diesem styroporähnlichen Gebilde pickte ein Hühnchen gerade etwas heraus.
Ich rieb mir die Augen. Hühner fressen Würmer, Käfer, Körner, Salat, meinetwegen Reste vom Kompost – aber bestimmt keine XPS-Platten! Doch ein Blick von nahem offenbarte die Wahrheit: Auf der ganzen Länge waren Schnabelabdrücke zu sehen, und es fehlten die obersten Zentimeter. Ein Rundgang ums Haus zeigte, dass der Appetit der Tiere sich nicht auf die Türschwelle beschränkt hatte. Wo immer ein Stück der Isolation hervorlugte, war es angepickt. Ich erschrak. Vor meinem geistigen Auge sah ich ein Huhn nach dem anderen tot vom Stängeli kippen.
Sofort rief ich den Hersteller an, um die Inhaltsstoffe der Dämmung zu erfahren. Deren Namen vermochten mich nicht unbedingt zu beruhigen: Polystyrol, Treibmittel, Flammschutzmittel. Ich meldete mich umgehend bei Tox Info Suisse. Diese beraten auch bei Tiervergiftungen. Die Ärztin war trotzdem kurz ratlos: «Jesses, mal schauen, ob ich etwas zu Hühnern finde.»
Sie fand. Und das beruhigte mich ungemein. Die Stoffe würden den Körper genauso verlassen, wie sie reingekommen seien, erklärte sie. Oder anders ausgedrückt: Nichts davon wird aufgenommen. Mir fiel ein Stein vom Herzen.
Ich hatte inzwischen bei meiner Recherche auch etwas herausgefunden: Hühner spinnen auf Styropor. Wenn ich das nur früher gewusst hätte! Dann hätte ich mir die selbst gemachte Rüebli-Kürbiskern-Knoblauch-Oregano-Haferflocken-Mischung zur Beschäftigung sparen und stattdessen einfach ein paar XPS-Platten aus dem Jumbo in den Stall werfen können.
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