Skispringpionier Andreas Däscher verstorbenSeine Technik revolutionierte das Skispringen
Er war mehrfacher Olympiateilnehmer und entwickelte einen eigenen Skisprungstil, der sich 30 Jahre hielt. Nun ist Andreas Däscher 96-jährig in Meilen verstorben.

In den 50er- und 60er-Jahren war Andreas Däscher das Mass aller Dinge im Schweizer Skisprungsport. Er hielt einen Weltrekord und nahm vier Mal an Olympischen Spielen teil. Dabei wäre er beinahe aus dem Nationalteam geworfen worden.
Weil er im Kampf mit dem Skiverband aber genauso unerschrocken war wie auf der Schanze, revolutionierte der gebürtige Davoser seine Sportart und sicherte sich so einen Eintrag im Historischen Lexikon der Schweiz.
Sprungschanze vor dem Haus
Andreas Däscher wurde am 9. Juni 1927 in Clavadel ob Davos geboren. Dass es den bewegungsfreudigen Knirps zum Skispringen zog, ist wenig überraschend. Hatte er doch direkt vor der Haustür eine Sprungschanze.
Im Alter von 17 Jahren trat der damalige Sanitär- und Heizungsmonteurlehrling erstmals an einem grösseren Wettkampf an. Bereits drei Jahre später nahm er an den Olympischen Winterspielen in St. Moritz teil. Kurz zuvor war Däscher an den Zürichsee gezogen. Dank eines Freundes fand er in Meilen eine neue Heimat und startete fortan für den Skiclub Meilen.
Jahr für Jahr wurde Däscher besser, sicherte sich neun Mal den Schweizer-Meister-Titel und landete an den Olympischen Winterspielen 1956 im italienischen Cortina d’Ampezzo auf dem 6. Rang.

Unsterblich machte sich der Sportler aber durch die Entwicklung des Parallelstils, auch Däscher-Technik genannt. 1950 sprang er als erster Skispringer mit nach hinten und eng an den Körper gelegten Armen über die Schanze. Zuvor flogen die Sportler mit weit nach vorne gestreckten Armen durch die Luft.
Flaggenträger bei Olympia
Däschers Technik ermöglichte es ihm nicht nur, mehr Kontrolle über den Sprung zu haben. Er sprang auch deutlich weiter als seine Kontrahenten. So stellte er auf der legendären Skiflugschanze im deutschen Oberstdorf mit 130 Metern prompt einen neuen Weltrekord auf.
Statt Ruhm erntete Däscher für seine Idee jedoch Schimpf und Schande. Von den Punkterichtern wurde er für seinen Sprungstil regelmässig bestraft, und der Schweizer Skiverband drohte ihm gar mit dem Ausschluss aus dem Nationalteam, sollte er seine «Marotte» nicht wieder ablegen, wie sich der legendäre Sportjournalist Sepp Renggli 2013 in einem SRF-Beitrag erinnert.
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So schnell gab sich Däscher jedoch nicht geschlagen: Gemeinsam mit dem Schweizer Flugzeugingenieur Reinhard Straumann trat er im Windkanal von Emmenbrücke den Beweis an, dass der Däscher-Stil die bessere Skisprungtechnik war. Und als schliesslich die Finnen begannen, im Parallelstil zu springen und alle Konkurrenten hinter sich liessen, beschloss der Internationale Skiverband FIS 1958 eine Reglementsänderung und erklärte den Däscher-Stil für die Punktrichter als Massstab. Das blieb bis Ende der 80er-Jahre so, bis sich der heute gängige V-Stil – notabene aus einem Sprungfehler – entwickelte.
Däscher seinerseits beendete seine Sportkarriere 1960 bei den Olympischen Spielen in Squaw Valley mit einem absoluten Höhepunkt: Er durfte bei der Eröffnungsfeier die Schweizer Flagge ins Olympiastadion tragen – eine der grössten Ehren, die einem Schweizer Sportler zuteilwerden kann.
Ein eigenes Unternehmen
Anders als heutige Skispringer war Andreas Däscher kein Profisportler. Er ging während seiner ganzen Karriere stets auch seinem Beruf als Heizungs- und Sanitärinstallateur nach und gründete gar sein eigenes Unternehmen in Meilen.
Däscher war 72 Jahre lang verheiratet, hatte einen Sohn und zwei Töchter. Im Jahr 2019 erlitt er gleich zwei Schicksalsschläge. Er verlor innert kurzer Zeit sowohl seine Ehefrau als auch seinen Sohn. Die letzten neun Jahre verbrachte er im Alterszentrum Platten in Meilen, wo er vergangene Woche im Alter von 96 Jahren verstorben ist.
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