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Meinung

Gedenktag in Israel
Seine Ermordung ist bis
heute ein Trauma

Die Erinnerung an ihn wird zelebriert – auch an Protesten: Eine Anti-Netanyahu-Demonstrantin hält ein Porträt des verstorbenen Präsidenten Yitzhak Rabin.
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Im Herzen von Tel Aviv wird mit dem flackernden Licht von 25’000 Kerzen an ihn erinnert. In Jerusalem kommt die Knesset zu einer Gedenksitzung zusammen, und Israels Präsident Reuven Rivlin legt einen Kranz an seinem Grab nieder. Die Erinnerung an Yitzhak Rabin, den legendären Premierminister und Friedensnobelpreisträger, der am 4. November 1995 von einem jüdischen Extremisten ermordet wurde, wird auch in diesem Jahr wieder mit den gebührenden Ehren zelebriert. Doch genauso verlässlich wird in Israel auch 25 Jahre danach immer noch um Rabins politisches Erbe und um die Lehren aus seiner Ermordung gestritten.

Dieser Mord ist bis heute ein Trauma für das Land, und mit diesem Trauma haben sich zwei Fragen eingebrannt. Die erste ist die «Was wäre, wenn»-Frage, bei der es darum geht, ob Israel und die Region heute friedlicher wären, wenn Rabin sein Werk hätte fortsetzen können. Die zweite Frage lautet, ob sich so etwas wie die Tragödie vom 4. November wiederholen könnte.

Rabins Friedensprozess ist nicht mehr

Die erste Frage ist rein hypothetisch und hat sich in der Realität längst dadurch erledigt, dass der von Rabin initiierte Friedensprozess mit den Palästinensern gleichsam rückabgewickelt wurde. Massgeblich verantwortlich dafür ist auf israelischer Seite Benjamin Netanyahu, der inzwischen fast 15 der 25 Jahre seit Rabins Tod das Land regiert hat.

Doch genau dieser Netanyahu präsentiert sich nun plötzlich als Nachfolger auf dem Friedenspfad und verweist dafür auf die jüngst vereinbarten Normalisierungsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und dem Sudan. Richtig daran ist, dass auch Rabin den Ausgleich mit moderaten muslimischen Staaten in der gesamten Region suchte. Doch anders als Netanyahu wusste er, dass er dabei zuvörderst die unmittelbaren Nachbarn brauchte – und er war bereit und mutig genug, dafür Konzessionen zu machen. «Land gegen Frieden» lautete Rabins bis heute tragfähige Formel. Netanyahu hat sie umgemünzt in «Frieden für Frieden». Doch das kann höchstens an der Peripherie funktionieren und führt bei den Kernkonflikten in die Irre.

Hauptverantwortlich für die Vergiftung des politischen Klimas ist jedoch der Langzeit-Premier Netanyahu»

Auch die zweite Frage, die nach dem politischen Klima im Land, hat heute wieder grosse Aktualität. Denn die Stimmung ist so aufgeheizt, dass Präsident Rivlin bereits vor «Schiesspulver in der Luft» warnte. Eine aktuelle Umfrage hat ergeben, dass sich fast alle Gruppen in Israel als Opfer politischer Hetze sehen: 86 Prozent der Linken, 67 Prozent der Rechten, dazu noch 80 Prozent der Ultra-Orthodoxen und 70 Prozent der arabischen Minderheit. Schuld sind aus der jeweils subjektiven Sicht natürlich immer die anderen.

Netanyahu inszeniert sich gerne als Opfer

Hauptverantwortlich für die Vergiftung des politischen Klimas ist jedoch der Langzeit-Premier Netanyahu, der zum eigenen politischen Vorteil das Land nach dem alten «Divide et impera»-Motto spaltet. Begonnen hat er damit schon vor Rabins Tod – als Oppositionsführer, der so scharf und rücksichtslos agierte, dass ihm Rabins Witwe Leah am Grab den Handschlag verwehrte. Heute inszeniert Netanyahu sich gern selbst als Opfer von Hetze und Morddrohungen, geschmackloserweise sogar bei den aktuellen Gedenkfeiern für Rabin.

Ein Vierteljahrhundert nach Rabins Tod gilt für die israelische Gesellschaft, dass sie nicht nur Frieden mit den Nachbarn im Äussern braucht. Israel braucht auch Frieden im Innern. Dringend benötigt wird ein Versöhner.