Kulinariker aus OberriedenSein Schnaps wird geräuchert
Kulinarik-Journalist Patrick Zbinden hat den «Bongkirsch» erfunden. Bei sich zu Hause in Oberrieden räuchert er den Kirsch und will so eine Alternative zu ausländischen Spirituosen bieten.

«Jetzt wird es gleich sehr mystisch. Fast wie bei Harry Potter», sagt Kulinarik-Journalist und Sensoriker Patrick Zbinden, bevor er mit den Flammen des Butangasbrenners die Kirschholzspäne glühen lässt. Der weisse Rauch, der entsteht, wird durch die 15 Liter Kirschschnaps in einer grossen Glasflasche gepumpt. Luftblasen steigen empor und lassen den goldig schimmernden Schnaps blubbern. Um sich vor den heissen Holzspänen, die manchmal durch die Luft gewirbelt werden, zu schützen, trägt Zbinden einen schwarzen Overall.
In Oberrieden findet an diesem Donnerstagnachmittag nicht ein Chemie-, sondern ein Geschmacksexperiment statt. Patrick Zbinden ist geübt darin, mittels der wissenschaftlichen Methode der Sensorik Lebensmittel mit seinen fünf Sinnen zu analysieren. Bei verschiedenen Medien ist er für Degustationstests zuständig. Seine neueste eigene Erfindung ist der «Bongkirsch». Geräucherter Kirschschnaps. «Das war eine Idee, die wahrscheinlich unter der Dusche entstanden ist. Genau erinnern kann ich mich nicht mehr», sagt er schmunzelnd. Mittlerweile steht der ungewöhnliche Schnaps zum Verkauf. Anders als bei der Herstellung von Whiskey, zieht Zbinden heissen Rauch direkt durch die Flüssigkeit. Ein Glasbläser hat ihm die überdimensionale Wasserpfeife angefertigt.

Früher Bezug zum Kochen
An diesem Donnerstagnachmittag stehen rund 25 Liter Kirschschnaps im Garten des 300-jährigen Bauernhauses, in dem Zbinden seit einem Jahr mit seiner Frau wohnt, bereit. Durch das Verbrennen der Kirschholzspäne macht sich ein Geruch von Rauch mit einer Karamellnote im denkmalgeschützen Garten breit. Normalerweise räuchert Zbinden seinen Schnaps aber im Dachstuhl des alten Gebäudes. «Hier wurde früher schon Fleisch geräuchert», sagt er später und zeigt auf den verrussten Kamin im obersten Stock des Riegelhauses.
Ursprünglich hat Zbinden eine Ausbildung zum Maschinenmechaniker gemacht. Bezug zum Essen hatte er aber schon früh. «Als ich sechs Jahre alt war, ist unsere Mutter gestorben. Da mussten wir Kinder uns organisieren und selber kochen», erzählt er. Vor rund 30 Jahren wollte er seine Leidenschaft für das Kochen zu seinem Beruf machen und begann als einer von wenigen Männern das Seminar für Haushaltungslehrerinnen, das er abbrach.
«Ich wollte Wissen nicht kognitiv, sondern über die Sinne vermitteln», sagt Zbinden. Er gelangte in die Welt der Sensorik und war schon sehr bald an Schnaps interessiert. Die Reinheit und Konzentriertheit von Spirituosen fasziniert ihn bis heute. Für den ausgebildeten Sensoriker ist der Schnaps «das Parfüm der Natur».
Wichtig ist das «Wieso»
Beim Essen sei es ähnlich wie in der Kunst, erklärt Zbinden, der unter anderem auch durch seine einstige Kochrubrik im Schweizer Radio DRS 3 bekannt ist. Viele können sagen, ob sie ein Bild oder Gericht mögen oder nicht. Was man aber üben müsse, sei, zu begründen, wieso eine Vorliebe bestehe. «Wer mehr vom Essen haben will, soll mehr darüber reden», sagt Zbinden. Durch die Sensorik lerne man, ein Vokabular für Geschmackseindrücke zu entwickeln. Neben unzähligen Ausbildungen im Bereich der Kulinarik habe ihm dabei auch seine Ausbildung im Journalismus geholfen.
Er schätze die Mixtur von Journalismus und der Arbeit mit den Sinnen. «Dinge zu erschmecken und zu beschreiben, um dieses Wissen dann weitergeben zu können, macht mir Freude», sagt Zbinden. Er unterrichtet Studenten beispielsweise an der Hotelfachschule Luzern oder bei Gastro Suisse. Bei seinen Schulungen legt er mittlerweile Wert auf das Emotionale beim Essen. «Welche Gefühle löst ein bestimmtes Aroma in mir aus?», sei eine wichtige Frage.
Jeder könne seine Sinne im Alltag trainieren. «Heute sind wir jedoch permanent von Duftwolken umgeben. Dadurch adaptiert sich der Geruchssinn», sagt Zbinden. Die Sensibilität wird herabgesetzt. Einfache Übungen oder der Verzicht auf Duschgel mit Parfüm könnten schon einiges bewirken. Auf die Frage, wie ein Sensoriker sich durch die heutige Welt bewegt, sagt Zbinden: «In Einkaufszentren leide ich sehr. Teilweise muss ich beinahe die Luft anhalten.»
Alternative zu ausländischen Spirituosen
Mit dem Bongkirsch möchte Zbinden eine Alternative zu ausländischen Spirituosen bieten und die Schweizer Schnapsbrennerbranche unterstützen. «Der Kirsch ist ein Schweizer Kulturgut», sagt Zbinden. Mit seinem Partner Hans Georg Hildebrandt, der unter der Marke Gents ein Tonic-Wasser lancierte, hat er die Idee eines geräucherten Kirschschnapses umgesetzt. «Eine Rauchnote mögen sehr viele Menschen. Männer etwas mehr als Frauen», erklärt der Sensoriker. Neben der übergrossen Wasserpfeife stehen Gläser zum Degustieren bereit. «Wenn ich den Schnaps ein paarmal geräuchert habe, muss ich ihn probieren, um die richtige Rauchnote abzuschätzen», sagt Zbinden.
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