Rübenanbau rentiert nicht mehrSchweizer Zucker in Gefahr: Staatliche Zuschüsse sollen helfen
Am Montag diskutiert der Nationalrat darüber, wie die einheimische Zuckerproduktion unterstützt werden kann. Die Pflanzer und die Industrie hoffen auf Gelder aus Bern.
Wie lange gibt es noch Schweizer Zucker? Die Branche sieht sich in Bedrängnis. Etliche Landwirte orientierten sich in den vergangenen Jahren bereits neu, weil sich der Zuckerrübenanbau nicht mehr rechnete. Nun soll die Zukunft des einheimischen Zuckers gesichert werden – mit viel Geld aus der Staatskasse.
Weil die EU 2017 die bestehenden Mengen- und Exportbeschränkungen aufhob, gab es plötzlich viel mehr Zucker auf dem Markt. So sank der Zuckerpreis auch in der Schweiz. Damit sich bei dem Preis der Anbau für die Landwirtinnen und Landwirte noch lohnt, hat der Bund zwei Stützungsmassnahmen ergriffen. Erstens gibt es einen Aufschlag, den sogenannten Grenzschutz, von 70 Franken pro Tonne für ausländischen Zucker. Zweitens erhalten inländische Rübenpflanzer statt vorher 1800 Franken pro Hektare derzeit 2100 Franken.
Diese Massnahmen laufen in diesem Jahr aus. Deshalb debattiert der Nationalrat an seiner montäglichen Sitzung darüber, mit wie viel Geld die Pflanzer in Zukunft unterstützt werden sollen. Der Vorschlag: Die Wirtschaftskommission des Nationalrats will den Beitrag für Rüben, die gemäss dem ökologischen Leistungsnachweis angebaut werden, auf 1500 Franken pro Hektare festlegen.
Dazu sollen Bio-Zuckerrüben einen Zuschlag von 700 Franken erhalten, alle, die zumindest fungizid- und insektizidfrei arbeiten, sollen 500 Franken zusätzlich erhalten. Eine Minderheit der Kommission will den aktuellen Beitrag beibehalten und zudem einen Zuschlag für Bio-Rüben von 200 Franken auszahlen. Der Grenzschutz für Importzucker soll bei 70 Franken pro Tonne bleiben.
Preis wieder gestiegen
Zumindest hinsichtlich des Preises hat sich laut der Zucker Schweiz AG die Situation verbessert. «Ein berechtigter Optimismus besteht in Bezug auf die Preise im Welt- und EU-Markt. Die Preise an der Börse für Roh- und Weisszucker haben in den letzten Monaten deutlich angezogen», hiess es in einer Medienmitteilung Ende März. Doch: Die Branche brauche stabile wirtschaftliche Bedingungen, um sich auf den Anbau mit weniger Pflanzenschutzmitteln konzentrieren zu können. Deshalb erachtet die Schweizer Zucker AG Beiträge an Pflanzer und einen Grenzschutz als wichtig.
«Weil ein Pestizid auf dem Schweizer Markt nicht mehr zugelassen war, verloren die Bauern 2020 einen Grossteil ihrer Ernte.»
Grundlage für die Diskussion am Montag ist ein Vorstoss von Jacques Bourgeois, dem ehemaligen und langjährigen Direktor des Schweizer Bauernverbands. Er hatte ihn bereits 2015 eingegeben. Seit der FDP-Nationalrat das Thema aufs Parkett gebracht habe, habe sich die Situation noch verschärft, sagt er. «Weil ein Pestizid auf dem Schweizer Markt nicht mehr zugelassen war, verloren die Bauern 2020 einen Grossteil ihrer Ernte.» Gleichzeitig sei das Mittel mit dem Namen Gaucho in der EU aber erlaubt, entsprechend habe es einen weiteren Wettbewerbsnachteil gegeben.
Bourgeois geht davon aus, dass mit den von ihm geforderten Stützungsmassnahmen weiterhin rund 20’000 Hektaren in der Schweiz mit Zuckerrüben bepflanzt werden. «Es ist in puncto Versorgungssicherheit wichtig, dass wir einen grossen Teil des hier gebrauchten Zuckers in der Schweiz produzieren können», sagt Bourgeois.
Braucht es überhaupt Zucker aus der Schweiz?
Will man weiterhin in der Schweiz angepflanzten und verarbeiteten Zucker, dann kostet das. Die ketzerische Frage ist jedoch: Ist das überhaupt nötig?
«Die Schweiz leistet sich mit vielen Steuermillionen eine eigene Zuckerproduktion.»
Einer, der den Zuckerrübenanbau in der Schweiz kritisch anschaut, ist Patrick Dümmler von Avenir Suisse. Er vertritt seit Jahren eine dezidierte Meinung zum Thema Zucker. «Momentan funktioniert das System nur wegen der Unterstützungsmassnahmen». Kritisch sieht Dümmler auch die beiden Zuckerfabriken, die in der Schweiz produzieren. «Die Schweiz leistet sich mit vielen Steuermillionen eine eigene Zuckerproduktion», so Dümmler.
Zugleich investiere die Schweiz in die Prävention, in der auf gesunde Ernährung mit möglichst wenig Zucker hingewiesen werde. «Das ergibt keinen Sinn», so Dümmler. Statt einer teuren Stützung des Anbaus sollten die Bezugsquellen aus dem Ausland diversifiziert werden.
Wie wichtig die Diskussion im Nationalrat für die Branche und die Standortgemeinden der Zuckerfabriken ist, zeigt das Vorgehen der beiden Standortgemeinden Aarberg und Frauenfeld. Im Vorfeld veröffentlichten sie eine Studie, um die Wichtigkeit der Fabriken und des Zuckeranbaus in der Schweiz zu unterstreichen. Fazit unter anderem: Über 300 Vollzeitstellen stünden auf dem Spiel*.
*In einer früheren Version dieses Artikels stand fälschlicherweise, dass die Schweizer Zucker AG diese Studie in Auftrag gegeben hat.
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