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Schweizerin in Belarus frei
«Vielen Dank» – Natallia Hersche ist zurück in der Schweiz

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Ignazio Cassis gab die gute Nachricht am Freitagmorgen via Twitter bekannt: Nach 17 Monaten Haft sei Natallia Hersche endlich freigelassen worden, schrieb der Schweizer Aussenminister auf Twitter. Sie sei von ihrem Bruder und der Schweizer Botschafterin in Belarus empfangen worden.

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Hersche war im September 2020 in Minsk nach einer Kundgebung gegen Diktator Alexander Lukaschenko verhaftet und später in einem Schauprozess zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden.

Über Gennadi Kasjan, den Bruder von Natallia Hersche, konnte diese Zeitung mehr zum Verlauf der Freilassung erfahren. Demnach wusste Hersche selbst bis vor kurzem nichts davon. Sie wurde um 6 Uhr in ihrer Zelle im Gefängnis in der Stadt Mogiljow, wo sie zuletzt festgehalten wurde, geweckt. Hersche bekam den Befehl, ihre Sachen zu packen, in 15 Minuten werde sie Mogiljow in einem Kleinbus verlassen. Das Ziel der Reise und der Grund wurden ihr nicht gesagt.

«Ich bin erschrocken, wie sehr Natallia abgemagert ist.»

Bruder Gennadi Kasjan nach dem Wiedersehen in der Schweizer Botschaft

Hersche wurde dann zum Flughafen in Minsk gebracht, wo neben der Botschafterin auch ihr Bruder auf sie wartete. Gennadi Kasjan hatte am Abend zuvor eine Einladung von der Botschaft bekommen, aber auch ihm wurde der Grund nicht gesagt. Den Moment, als er seine Schwester sah, beschreibt er als «den schönsten Augenblick meines Lebens».

Der Bruder wusste, dass Hersche im Gefängnis über das schlechte Essen geklagt hatte und zwischenzeitlich auch im Hungerstreik gewesen war. Beim Wiedersehen sei er dennoch erschrocken, wie sehr seine Schwester abgemagert ist. Nur kurz blieb am Flughafen noch Zeit, um Tee zu trinken und Pralinés zu essen. «Es waren die ersten Pralinés für Natallia seit ihrer Verhaftung», so der Bruder.

Nach aussen kommuniziert wurde die Freilassung erst, als Hersche bereits auf einem Linienflug in Richtung Istanbul sass und den weissrussischen Luftraum verlassen hatte. Von dort flog sie am Nachmittag weiter nach Zürich.

Nach 17 Monaten im Gefängnis in Belarus: Natallia Hersche landet am Freitag in Zürich.

Nach der Landung in der Schweiz trat Natallia Hersche am Freitagabend noch am Flughafen vor die Medien. Sie bedankte sich für die Unterstützung ihrer «zweiten Heimat» während der Zeit in Haft. Sie fühle sich gut und bereue es «keine Sekunde», dass sie nach Minsk an die Demonstrationen gegen Lukaschenko gereist sei. Sie hoffe noch immer, dass es eines Tages einen Neuanfang für Belarus gebe. Ein Gnadengesuch an Lukaschenko habe sie nie gestellt, betonte Hersche.

Neue Botschafterin erst seit wenigen Tagen in Minsk

Seit ihrer Festnahme seien die zuständigen Stellen in engem Kontakt mit Hersche, ihrer Familie und den Behörden in Belarus gewesen und hätten an möglichen Wegen gearbeitet, um eine Freilassung zu erwirken, teilte das Schweizer Aussendepartement schon am Morgen nach der Freilassung mit. Am Abend in Zürich verwies Johannes Matyassy, Chef der Konsularischen Direktion des EDA, auf einen Brief, den Ignazio Cassis Anfang Jahr an Lukaschenko geschrieben habe. Dieser habe zuvor Cassis schriftlich zu seiner Wahl zum Bundespräsidenten gratuliert. In seiner Antwort habe Cassis auf die Situation von Hersche hingewiesen. Der Zugang zu Lukaschenko sei wohl entscheidend gewesen für die Freilassung, betonte Matyassy. Es gebe in Belarus nur einen Mann, der entscheide. Einen Deal sei die Schweiz nicht eingegangen.

Es deutet jedoch vieles darauf hin, dass es auch einen Zusammenhang zwischen der Ankunft der neuen Schweizer Botschafterin in Minsk und der Freilassung von Natallia Hersche gibt. Das EDA teilt mit: Christine Honegger Zolotukhin habe den Fall Hersche in Minsk «auf hoher Ebene zur Sprache gebracht».

Die Botschafterin ist erst seit dem 6. Februar in Minsk. Ihr Vorgänger ging letzten Herbst in Rente. Bei Bekanntgabe der Neubesetzung im letzten Jahr hiess es beim EDA, man sei der Überzeugung, dass die Schweiz ihre Interessen mit einer Botschafterin vor Ort besser verteidigen könne als ohne Vertretung auf höchster Stufe.

Herrscht seit fast drei Jahrzehnten in Belarus: Alexander Lukaschenko.

Eigentlich ist vorgesehen, dass neue Botschafter in Belarus Lukaschenko einen Antrittsbesuch abstatten und ihm ein Beglaubigungsschreiben überreichen. Allerdings wird Lukaschenko seit der Wahlfälschung im Sommer 2020 von westlichen Regierungen nicht mehr als Präsident von Belarus anerkannt. Vertreter der Opposition hatten die Schweiz darum auch vor diesem Schritt gewarnt (mehr dazu lesen Sie hier).

Die Schweiz hat nun einen Zwischenweg gefunden: Gemäss EDA traf sich Botschafterin Honegger Zolotukhin am 9. Februar mit dem Aussenminister von Belarus. Dabei sei eine Kopie des Beglaubigungsschreibens überreicht worden. Über eine Übergabe des Originals werde zu gegebener Zeit informiert, so das EDA. Gemäss Informationen aus Diplomatenkreisen ist es üblich, dass zuerst der Aussenminister den Inhalt solcher Schreiben prüft, bevor später das Original übergeben wird. Das bedeute aber nicht, dass die Schweiz Lukaschenko anerkenne, sagte EDA-Direktor Matyassy am Abend in Zürich. «Die Schweiz anerkennt Staaten, keine Regierungen.»

Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, die bei den letzten Wahlen gegen Lukaschenko angetreten war, twitterte am Freitag aus dem Exil, sie sei erleichtert über Hersches Freilassung. Sie betonte aber auch, dass weiterhin 1061 politische Gefangene als Geiseln gehalten werden. «Wir können nicht zulassen, dass der Diktator sie zum Verhandeln benutzt», schreibt Tichanowskaja.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass Natallia Hersche aus dem Gefängnis zuerst auf die Schweizer Botschaft gebracht wurde. Sie wurde jedoch direkt zum Flughafen in Minsk gebracht, wo die Botschafterin und ihr Bruder auf sie warteten. (18. Februar 2022, 14.05 Uhr)