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Empfang bei Lukaschenko
Schweiz erweist dem Despoten die Ehre

Empfängt bald die neue Botschafterin aus der Schweiz: Diktator Alexander Lukaschenko.
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Für die weissrussische Opposition galt die Schweiz bisher als Hoffnungsträgerin. Das Land mache viel, setze sich für Menschenrechte und Werte ein, sagte einst Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja im Interview mit dieser Zeitung. Nun sieht es nach enttäuschter Hoffnung aus.

Der prominente Oppositionspolitiker Pawel Latuschko warnt die Schweiz vor einem Schritt, «der eine Beleidigung für die Gefühle aller weissrussischen Bürgerinnen und Bürger wäre. Vor allem jener, die aus politischen Gründen im Gefängnis sitzen oder vor der Diktatur Alexander Lukaschenkos ins Ausland flüchten mussten.»

Diplomatische Komplikationen

Latuschkos Kritik richtet sich gegen den Plan des Aussendepartements (EDA), den Botschaftsposten für Belarus wieder zu besetzen. Die Schweizer Botschaft in Minsk auf dem «Platz der Freiheit» war erst 2020 eröffnet worden. Aussenminister Ignazio Cassis persönlich tat dies wenige Monate vor der offensichtlich gefälschten Wiederwahl Lukaschenkos.

Vergangenen Herbst ging der bisherige Botschafter in Belarus in Rente. Zwar steht seine Nachfolgerin seit November 2020 fest. Bis jetzt ist Christine Honegger Zolotukhin aber nicht aus der Schweiz abgereist.

Pawel Latuschko, kurz vor seiner Flucht ins Exil im Sommer 2020: Heute kritisiert der weissrussische Oppositionspolitiker die Schweiz scharf.

Der Grund dafür könnte in einer diplomatischen Komplikation liegen. International ist es üblich, dass neue Botschafterinnen oder Botschafter dem Staatsoberhaupt des Gastlandes in einer kurzen Zeremonie ihr Beglaubigungsschreiben überreichen. Aber wer ist das legitime Staatsoberhaupt von Belarus?

Aus der Sicht des weissrussischen Regimes ist es Lukaschenko. Doch seit der Wahlfälschung im Sommer 2020 wird der Langzeitherrscher von westlichen Regierungen nicht mehr als Präsident anerkannt. Die Opposition erklärte ihre Kandidatin Swetlana Tichanowskaja zur Siegerin. Lukaschenkos Regime antwortete mit Gewalt. Tichanowskaja floh nach Litauen, über tausend Regimekritikerinnen und -kritiker sitzen in weissrussischen Gefängnissen.

«Wir geben einer solchen Person keine diplomatische Anerkennung.»

EU-Kommissions-Sprecher Peter Stano über Alexander Lukaschenko

In der EU herrscht weitgehend Übereinstimmung, dass jeder Kontakt mit dem starken Mann in Minsk vermieden werden soll. «Lukaschenko verletzt fundamentale Rechte und Freiheiten der Bevölkerung, er war in eine Flugzeugentführung involviert und instrumentalisiert Flüchtlinge für seine Zwecke», sagt EU-Kommissions-Sprecher Peter Stano: «Wir geben einer solchen Person keine diplomatische Anerkennung.»

Frankreichs Botschafter Nicolas de Lacoste weigerte sich monatelang, Lukaschenko sein Beglaubigungsschreiben zu überreichen. Dafür wurde er vergangenen Oktober aus Belarus ausgewiesen. Österreich zögert die Abreise eines neuen Botschafters nach Minsk hinaus.

Baldige Abreise nach Minsk

Die Schweiz hat sich für einen anderen Weg entschieden: Christine Honegger Zolotukhin wird nach Minsk fliegen. Das EDA bestätigt dieser Zeitung, dass die Botschafterin «in den kommenden Wochen» ihren Dienst in Belarus antrete. Und sie werde ihr Beglaubigungsschreiben «dem Staatsoberhaupt überreichen, wie es die diplomatischen Gepflogenheiten in den meisten Ländern vorsehen».

Das EDA sieht in der Entsendung auch eine Möglichkeit, Natallia Hersche zu helfen. Die 52-jährige weissrussisch-schweizerische Doppelbürgerin war im Herbst 2020 zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil sie an einer Protestkundgebung in Minsk teilgenommen hatte.

«Wir sind zur Überzeugung gekommen, dass wir mit einer Botschafterin vor Ort unsere Interessen besser wahrnehmen können», sagt Johannes Matyassy, stellvertretender Staatssekretär des EDA: «Dies bedingt die Überreichung des Beglaubigungsschreibens. Sie wird eine erste Gelegenheit bieten, unsere Anliegen direkt bei Lukaschenko vorzubringen.»

Alexander Lukaschenko inspiziert seine Armee im Januar 2022. Den französischen Botschafter liess der Diktator ausweisen, weil dieser die Überreichung des Beglaubigungsschreibens verweigerte.

Oppositionspolitiker Pawel Latuschko sagt hingegen, das EDA könne die Botschafterin als Chargée d’Affaires akkreditieren, damit wäre kein Beglaubigungsschreiben notwendig: «Sollte die Schweiz einen anderen Weg gehen, werden wir diese Politik scharf kritisieren.»

Latuschko war unter Lukaschenko Kulturminister und später selbst Botschafter. Heute sitzt er im Präsidium des weissrussischen «Koordinierungsrates» im Warschauer Exil. Lukaschenko werde wohl bald weltweit als Terrorist geächtet werden, glaubt er: «Wird die Schweizer Botschafterin dann einem internationalen Terroristen die Hand schütteln?»

«Die Überreichung des Beglaubigungsschreibens wäre eine eindeutige Parteinahme für Lukaschenko.»

Lars Bünger, Libereco

Kritik kommt auch von der schweizerisch-deutschen NGO Libereco, die sich als Stimme der politischen Gefangenen in Belarus versteht. Für Libereco-Präsident Lars Bünger wäre die Überreichung des Beglaubigungsschreibens eine «eindeutige Parteinahme für das Lukaschenko-Regime». Damit untergrabe die Schweiz die gemeinsame Belarus-Politik der EU und anderer westlicher Demokratien.

Weniger streng gehen die Vertreter der weissrussischen Diaspora in der Schweiz mit dem EDA ins Gericht. Für den Verein Razam ist die Überreichung des Beglaubigungsschreibens an Lukaschenko nebensächlich, sie bedeute keineswegs eine Legitimierung des Diktators. Viel wichtiger sei, «dass die Schweiz die diplomatische Vertretung in Belarus aufrechterhält». Razam erwartet allerdings nun «klare und starke Signale, um Natallia Hersche aus dem Gefängnis zu holen.»

Frauen fordern stärkere Sanktionen

Mehr Engagement für die Freilassung Hersches forderte zuletzt auch eine Schweizer Frauenallianz in einem offenen Brief an Bundespräsident Ignazio Cassis. Die Unterzeichnerinnen, darunter mehrere Nationalrätinnen, schlagen gezielte bilaterale Sanktionen vor, zum Beispiel ein Einreiseverbot für alle weissrussischen Regierungsmitglieder.

Aus der heiklen Frage der Botschaftsbesetzung hält sich die Schweizer Politik hingegen lieber raus. Mehrere Anfragen an Mitglieder der Aussenpolitischen Kommissionen im Nationalrat und im Ständerat bleiben unbeantwortet. Die einzige Reaktion kommt von Fabian Molina. Für den SP-Nationalrat ist die Übergabe des Beglaubigungsschreibens «nicht unheikel, aber das kleinere Übel». Letztendlich sei es für die Schweiz wichtiger, dass sie in Minsk weiterhin ihre Interessen vertreten könne.