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Urteil des Europäischen Gerichtshofes
Schweiz wird im Fall Sperisen wegen Befangenheit verurteilt

Erwin Sperisen erhält Genugtuung vom Europäischen Gerichtshof in Strassburg. 
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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat eine Beschwerde von Erwin Sperisen gegen ein Urteil des Genfer Kantonsgerichts gutgeheissen. Der ehemalige Chef der guatemaltekischen Nationalpolizei erhält von der Schweiz eine Entschädigung von rund 15'000 Franken, weil sein Recht auf ein unparteiisches Gericht verletzt wurde.

Der schweizerisch-guatemaltekische Doppelbürger Sperisen hatte geltend gemacht, dass die Präsidentin der Beschwerdekammer des Genfer Berufungsgerichts befangen gewesen sei. Dieses Gericht hatte Sperisen im April 2018 wegen Gehilfenschaft zu Mord in sieben Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Das Urteil wurde im November 2019 vom Bundesgericht bestätigt.

Die Anwälte von Sperisen akzeptierten dieses Urteil nicht und riefen den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an. Sie kritisierten die mangelnde Unparteilichkeit der Schweizer Justizbehörden und damit das Recht ihres Mandanten auf ein unparteiliches Gericht. Die Strassburger Richter hiessen den Rekurs gut.

Gemäss dem am Dienstag veröffentlichten Entscheid stellte der Gerichtshof fest, dass die Äusserungen der Richterin im Oktober 2017 «über einen blossen Verdacht hinausgingen». Unter diesen Umständen habe Sperisen tatsächlich befürchten müssen, dass die Richterin eine vorgefasste Meinung zur Frage seiner Schuld gehabt habe.

Opfer der Schweizer Justiz

Das Recht auf ein unparteiisches Gericht wurde laut EGMR daher verletzt. Dem Beschwerdeführer wurde für diesen immateriellen Schaden eine von der Schweiz zu tragende Entschädigung in Höhe von 15'000 Euro (14'600 Franken) für seine Kosten und Auslagen zugesprochen. Die anderen von Sperisen vorgebrachten Rügen, insbesondere bezüglich seiner Haft, wurden als unzulässig abgewiesen.

Die Anwälte von Sperisen forderten als Konsequenz die unverzügliche Freilassung ihres Mandanten. Dieser sei ein Opfer der Schweizer Justiz und werde seit mehr als zehn Jahren seiner Freiheit beraubt.

Mehrere Prozesse

In einem ersten Prozess war Sperisen von der Genfer Justiz 2015 zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt worden, wogegen er teilweise mit Erfolg rekurriert hatte. Im Herbst 2017 wurde er mit elektronischer Fussfessel in den Hausarrest entlassen.

Im April 2018 wurde Sperisen im zweiten Anlauf vom Genfer Kantonsgericht zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt – wegen Gehilfenschaft zu Mord in sieben Fällen. Es ging um eine Operation vom September 2006 in Guatemala, mit der die Kontrolle über ein Gefängnis zurückerlangt werden sollte. Dabei starben sieben Häftlinge.

2007 flüchtete der ehemalige Chef der Nationalpolizei von Guatemala in die Schweiz, um sich der Strafverfolgung in Guatemala zu entziehen. 2012 wurde er aufgrund eines Rechtshilfeverfahrens in Genf verhaftet und sass anschliessend fünf Jahre in Untersuchungshaft. Als Besitzer eines Schweizer Passes kann der heute 63-jährige Sperisen nicht ohne sein Einverständnis ins Ausland ausgeliefert werden.

SDA/aru